Jedes dritte Floristikgeschäft in Hamburg hat bereits aufgegeben. Billigsträuße vom Discounter und das Internet setzen den Traditionsläden zu.

Hamburg. Niendorf um 10 Uhr morgens. Kunden schauen sich bei Blumen Tomfort um. Sie kaufen Rosen, Geranien, Begonien. Der Laden ist voll. Er liegt direkt neben dem Friedhof. "Eine gute Lage", sagt Michael Tomfort. Viele Kunden kommen vorbei, um ihren verstorbenen Bekannten oder Verwandten einen bunten Gruß mitzunehmen. Der 44-Jährige beschäftigt 20 Mitarbeiter, inklusive Teilzeitkräfte. Anders als viele Fachgeschäfte in der Branche hat er derzeit wenig Grund zur Klage. Bereits in der fünften Generation führt er das 1846 gegründete Blumengeschäft, eines der ältesten Hamburgs.

In vielen anderen Hamburger Blumenläden ist der Grund zur Klage dagegen groß. Die Zahl der Fachhändler in der Stadt hat sich in den vergangenen Jahren von mehr als 750 auf knapp 500 verringert. Bundesweit ist der Umsatz mit Rosen, Tulpen und anderen Blumen seit 2008 um fünf Prozent auf drei Milliarden Euro gesunken. Inklusive der Topf- und Gartenpflanzen werden noch 8,6 Milliarden Euro umgesetzt. Und die Fachgeschäfte müssen sich einer neuen Konkurrenz stellen. Während der Marktanteil der bundesweit 15.000 Fachhändler sinkt, legen Discounter wie Aldi und Lidl, aber auch Tankstellen, Bau- und Supermärkte zu. Immer häufiger greifen die Kunden zum Blumenstrauß für weniger als zwei Euro an der Discounterkasse. Ein Preis, bei dem der Fachhandel nicht mithalten kann.

Günter Dahlmann hat bereits Konsequenzen gezogen. Der Präsident vom Hamburger Landesverband Deutscher Floristen hat sein Geschäft in der Bargteheider Straße geschlossen. "In der Nachbarschaft war bereits Max Bahr mit Topfpflanzen. Und es soll noch ein Netto-Markt kommen. Mit Preisen von 1,99 Euro für zehn Rosen kann ich nicht mithalten", sagt der 63-Jährige, der Lieferant der Hamburg Messe war.

Neben der neuen Konkurrenz belasten ihn und seine Kollegen auch die steigenden Heizkosten. "Ich hatte ein 1000 Quadratmeter großes Gelände unter Glas. Zum Schluss musste ich 25.000 Euro Heizkosten im Jahr zahlen", so Dahlmann. Um ein Blumengeschäft zu eröffnen, brauche man zunächst nicht viel Kapital. Deshalb würden viele diesen Schritt in die Selbstständigkeit wagen. "Doch nicht wenige eröffnen im Sommer, nehmen das Weihnachtsgeschäft und den Valentinstag mit und müssen im Frühjahr schon wieder aufgeben, weil in dieser Zeit mit Ausnahme des Muttertags weniger Blumen gekauft werden", berichtet Dahlmann.

Schon jetzt haben die Fachgeschäfte bei Schnittblumen nur noch einen Marktanteil von 53,9 Prozent, bei Topfpflanzen sind es 15 Prozent. Im Lebensmitteleinzelhandel werden bereits 15,4 Prozent der Blumen und 21,6 Prozent der Pflanzen verkauft. Danach folgen im Flora-Ranking die Discounter Aldi und Lidl mit 9,4 beziehungsweise 8,7 Prozent Marktanteil. Und auch der Onlinehandel wird für immer mehr alteingesessene Händler zur Herausforderung. Zwar macht der Blumengruß über das Internet erst 0,5 Prozent am Gesamtumsatz aus. Doch die Tendenz ist stark steigend. Allein in diesem Jahr rechnen Experten online mit einem zweistelligen Wachstum.

Nicht nur einzelne Händler, sondern auch große Filialisten spüren den Druck von Billiganbietern und Online-Konkurrenz. Blume 2000, der Pionier der Filialisten, musste in zwei Jahren 15 von 200 Geschäften schließen. Die Erlöse sanken zugleich von 120 auf 110 Millionen Euro. Das Unternehmen will der Talfahrt nun mit einer Runderneuerung begegnen. Bestehende Filialen sollen umgebaut, neue Standorte angemietet werden.

Doch es gibt eine Entwicklung gegen die selbst schickere Läden in besseren Lagen wohl kaum etwas ausrichten können: die Überalterung der deutschen Bevölkerung. Laut einer aktuellen Untersuchung hat sich das Kaufverhalten in den vergangenen Jahrzehnten drastisch verändert. "Inzwischen dominieren Mitglieder der Generation 50plus als Kundengruppe", heißt es in einer Analyse des Bundesverbandes des deutschen Volks- und Raiffeisenverbandes. In den vergangenen drei Jahrzehnten habe sich demnach ein entscheidender Wandel in der Nachfragestruktur, differenziert nach Altersgruppen, vollzogen. "Lange galten bei Schnittblumen die um die 35-Jährigen als die Konsumfreudigsten, und die ersten Interessenten für das gesamte Sortiment wurden in der Altersgruppe um 45 Jahre verortet. Marktbeobachter beklagen jetzt eine zunehmende Tendenz der Vergreisung der Konsumenten."

Michael Tomfort nennt noch weitere Gründe für die Probleme der Branche. "Blumen haben im Laufe der Jahre an Wertigkeit verloren. In den 1970er- und 80er-Jahren galten sie als Statussymbol. Man hat sich einen Blumenstrauß gegönnt", sagt Tomfort, der sich neben diverser Gärtnerausbildungen auch in Wirtschaftsfragen fit gemacht hat. Heute sind Rosen und Tulpen eine reine Handelsware. Auch Tomfort erinnert sich an bessere Zeiten. "Früher hatten wir drei Geschäfte, heute nur noch eines und die Gärtnerei", sagt er. Aber mit jeweils 2000 Quadratmetern Fläche für das Geschäft und die Gärtnerei ist sein heutiges Unternehmen deutlich größer als in den vermeintlich guten, alten Zeiten. Die Blumengeschäfte werden weniger, dafür aber größer.

"Man muss sich der Zeit anpassen", sagt Tomfort, der auf den neuen Trend in der Branche reagiert hat und inzwischen neben Blumen aus Vierlanden auch Fair-Trade-Erzeugnisse anbietet. Denn immer mehr Kunden wollen Blumen, die ohne Umweltverschmutzung und zu akzeptablen Arbeitsbedingungen gezüchtet wurden.

Und Tomfort hat sein Unternehmen umstrukturiert. "Früher haben wir in unserer Gärtnerei noch selbst Blumen angebaut. Doch angesichts der hohen Energiekosten haben wir das aufgegeben." Im Gegenzug ist er in neue Sparten eingestiegen. "Neben der Floristik betreiben wir jetzt auch Gartenbau und bieten gewerbliche Dienstleistungen an." So pflegt Tomfort Gärten, offeriert Kunden, dass sie ihre Sommerpflanzen im Winter im wohl temperierten Gewächshaus in der Gärtnerei einlagern lassen. Und er hat zahlreiche Restaurants wie das Tarantella in der Spielbank oder die Filialen der Hamburger Vapiano-Kette, die er mit Pflanzen beliefert. Hinzu kommt das lukrative Geschäft mit Beerdigungen. Tomfort zeigt ein Buch mit Kränzen in vielen Farben. 1200 in nahezu allen Preislagen hat er im vergangenen Jahr verkauft.

Der Blumen-Fachmann ist zum Manager geworden, hat sein Unternehmen in drei Geschäftsbereiche unterteilt. Jeder davon muss ein Jahresziel erreichen. Die Dienstleistungen wie die Grabpflege tragen 45 Prozent zum Umsatz in Höhe von rund einer Million Euro bei, die Floristik und die Verkaufsgärtnerei erwirtschaften 30 und 25 Prozent. Tomfort verkauft dabei fast nur Produkte aus der Region. "90 Prozent unser Balkonpflanzen kommen aus Vierlanden", sagt er. Und der Betrieb ist profitabel. Für diesen Erfolg muss der Chef allerdings vollen Einsatz zeigen. "Viermal in der Woche kaufe ich um vier Uhr morgens auf dem Blumengroßmarkt ein." Und dann steht er nicht selten noch bis 17 Uhr in seinem Laden.