Nischni Nowgorod. Für die Schweiz eröffnet sich im WM-Achtelfinale gegen Schweden die Gelegenheit, erstmals seit 1954 unter die besten Acht zu kommen.

Um die deutsche Mannschaft ging es auch bei den Schweizern erstaunlich viel, was allerdings vor allem daran lag, dass sie mit den Fragen nach dem Turnieraus des bald entthronten Weltmeisters konfrontiert wurden. Die Fahndung nach einer schlüssigen Erklärung verlief weitgehend ergebnislos bei der „Nati“, in der zehn Bundesligaprofis mitwirken und viele weitere ehemalige Angestellte deutscher Vereine. Anteilnahme ließ sich aber durchaus heraushören wegen des historischen Ausscheidens der DFB-Auswahl nach der Gruppenphase. Wie bei Granit Xhaka, dem ehemaligen Mittelfeldspieler von Borussia Mönchengladbach, seit 2016 beim FC Arsenal, der versuchte, das große Malheur der Deutschen mit einer Einordnung zumindest etwas zu mildern. „Alle sind überrascht“, sagte er, „es ist ein Turnier, bei dem es enorme Überraschungen gibt.

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Zu diesen kann sich die Schweiz noch nicht zählen, wenngleich ihr eine kleine Überraschung bereits gelungen ist. Bei ihrem WM-Auftakt ka sie gegen einen der Titelkandidaten, gegen die brasilianische Seleção, nach einem Rückstand zu einem 1:1. Gegen Serbien schaffte sie danach sogar einen späten 2:1-Sieg, nachdem die Mannschaft von Trainer Vladimir Petkovic erneut zurückgelegen hatte. Das abschließende Gruppenspiel gegen Costa Rica am Mittwochabend in Nischni Nowgorod fiel im Vergleich dazu ziemlich ab. Zum sicheren Einzug ins Achtelfinale genügte das 2:2 (1:0) trotzdem, obwohl die beiden Führungen durch Blerim Dzemaili (31. Minute) und Josip Drmic (88.) nicht gereicht hatten, um die Gruppe E mit sieben Punkten wie Brasilien zu beenden. Deren fünf waren es stattdessen geworden, weil Costa Rica zwei Mal zum Ausgleich kam. Erst durch Kendall Waston (56.), dann durch das Eigentor von Torwart Yann Sommer, dem ein Foulelfmeter von Bryan Ruiz von der Latte in den Nacken und von dort ins Tor geprallt war (90.+3).

Trainer Petkovic am angriffslustigsten

Als nächstes Reiseziel der verbliebenen Mannschaft aus dem deutschsprachigen Raum steht St. Petersburg auf der Agenda. Und obwohl dort in Schweden ein Gegner wartet, mit dem sich die Schweizer mit einiger Zuversicht messen können, ließ sich bei ihnen selbst zwischen den Zeilen kaum Euphorie vernehmen. Trainer Petkovic klang noch mit am angriffslustigsten. „Wir haben Ambitionen. Wir wollen viel, wir wollen immer mehr“, sagte er. Doch insgesamt prägte Sachlichkeit die Stimmung. Das dürfte auch daran gelegen haben, dass hinter der Schweizer Mannschaft ein Spiel lag, in dem sie von den drei bisherigen Auftritten bei dem Turnier in Russland am wenigsten überzeugt hatte.

Der übergeordnete Trend aber liest sich positiv und nährt Hoffnungen. Zum vierten Mal hintereinander hat sich die Schweizer Auswahl für eine WM qualifiziert, neun von zehn Spielen der jüngsten Zulassungsrunde gewann sie und verlor nur das letzte gegen Europameister Portugal, womit sie sich wegen ihrer schlechteren Tordifferenz das zähe Nachsitzen in den Playoffs gegen Nordirland eingehandelt hatte. Nun aber ging es zum dritten Mal seit 2006 und zum zweiten Mal in Serie ins WM-Achtelfinale. Das „Minimalziel“, wie es Petkovic formulierte.

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Nun stehen die Schweizer sogar vor einer historischen Chance. Sommer sagte zwar, die Bezugnahme auf die Geschichte „interessiert uns wenig“. Das vorrangige Ziel sei vielmehr, fügte er im Namen der gesamten Belegschaft selbstkritisch hinzu: „Wir wollen eine bessere Leistung bringen.“ Um dann endlich mal wieder zu den besten Acht der Welt zu gehören. Auch wenn Sommer nicht vorgreifen wollte, ist die historische Einordnung wichtig, um zu verstehen, welch seltene Gelegenheit sich der Schweizer Mannschaft bietet. Zum elften Mal nimmt sie an einer WM teil. Das jeweils beste Resultat war der Einzug ins Viertelfinale. Drei Mal gelang das, letztmals allerdings bei der Heim-WM 1954, also vor 64 Jahren. Nun könnte es wieder glücken, wenngleich sich in Kapitän Stephan Lichtsteiner und Fabian Schär zwei Defensivspieler eine Gelbsperre eingehandelt haben und gegen Schweden vertreten werden müssen. Die Leistung im kommenden Spiel werde dennoch besser ausfallen als gegen Costa Rica, beschloss Petkovic und sagte, angesprochen auf das Potenzial seines Teams: „Wir haben Ambitionen. Wir wollen viel, wir wollen immer mehr.“

Torschütze Dzemaili sieht dafür eine ungewohnt günstige Gelegenheit, bestenfalls sogar über das Viertelfinale hinaus. Das wäre für die Schweiz eine ganz neue Erfahrung auf der Weltbühne des Fußballs, wofür derzeit aber noch nicht viel spricht. Dzemaili formulierte es dennoch sehr erwartungsfroh: „Diese WM ist voller Überraschungen, und ich denke, wir können die Überraschungsmannschaft sein.“ Hinzufügen ließ sich: die positive. Den Titel der größten negativen Überraschung haben die Schweizer dagegen deutlich verfehlt. Diesen müssen sie der deutschen Auswahl überlassen.