Moskau. Gegen Serbien treffen Paulinho und Thiago Silva zum verdienten 2:0-Erfolg. Am Montag geht es nun in Samara gegen Mexiko weiter.

Die Hände zum Himmel, ein kurzes Stoßgebet und ein großes Dankeschön an den lieben Gott. So zelebrierte der diesmal tränenlose Neymar den verdienten 2:0-Sieg seiner Brasilianer gegen die tapfer kämpfenden, aber letztendlich glücklosen Serben. „Brasil, Brasil“ hallte es durch die Moskauer Nacht, die möglicherweise nicht in die brasilianische Fußballgeschichte eingehen wird, aber doch ein kleiner Schritt in Richtung „Hexa“, dem sechsten WM-Titel, sein könnte.

Die wirkliche Nachricht des Tages hatte sich aber natürlich schon weit vor den 90 Minuten im Lager der Brasilianer herumgesprochen: Die 0:2-Niederlage Deutschlands gegen Südkorea und damit das Aus des Weltmeisters. Des Turnier-Mitfavoriten. Und vor allem des größten Angstgegner Brasiliens. „Adeus Alemanha“, stand auf einem Plakat im brasilianischen Fanblock.

Die so nicht erwarteten Geschehnisse im fernen Kasan hatten im ausverkauften Spartak-Stadion vor allem zwei Folgen: Zum einen konnte die Seleção nun befreit und unbeschwert gegen Serbien aufspielen, ohne die Sorge zu haben, bereits im Achtelfinale auf die zu diesem Zeitpunkt längst entzauberten 7:1-Magier zu treffen. Zum anderen war aber auch die Mannschaft von Trainer Tite bestmöglich gewarnt vor einer vergleichbaren Blamage.

Marcelo musste ausgewechselt werden

Entsprechend engagiert starteten die Südamerikaner, denen aber bereits nach nicht einmal zehn Minuten der Gute-Laune-Stecker gezogen wurde. Linksverteidiger Marcelo, von dem man seit dieser Woche dank eines „Sportbild“-Berichts weiß, dass er anno dazumal eine Anfrage vom HSV hatte, signalisierte der Bank, dass er raus müsse. Das rechte Bein, der Kopf, so ganz klar schien sich der Real-Madrid-Profi nicht zu sein, warum es für ihn nicht weiter gehen könnte und er durch Filipe Luis ersetzt werden müsste.

Doch der Stimmungskiller um das Aus des derzeit wahrscheinlich besten Linksverteidigers der Welt schockte die Brasilianer nur kurz. Gerade in der Phase, als Serbien ernsthafte Anstalten machte, sich mit besten Absichten dem brasilianischen Tor zu nähern, übernahm kein Geringer als Superstar Neymar das Kommando auf dem Platz. Und anders als in den vergangenen Spielen zeigte der Star von Paris Saint-Germain, dass er nicht nur ein 222-Millionen-Euro-Ego hat, sondern auch sehr mannschaftsdienlich sein kann. Gleich zweimal bediente der 26-Jährige mustergültig Offensivkollege Garbiel Jesus (25. und 29.), der allerdings an diesem Abend keinen Bund mit dem Fußballgott geschlossen hatte.

Gerade als sich Brasilien anfing, darüber Sorgen zu machen, dass im Parallelspiel die Schweiz gegen Costa Rica in Führung gegangen war und nicht einmal ihr Jesus die Nation erlösen könnte, lieh sich Philippe Coutinho Neymars Zauberstab aus und beendete aufkommende Rechnereien. Seinen herrlichen Pass in den Lauf von Paulinho musste der Profi vom FC Barcelona nur noch mit der Fußspitze über den herausgeeilten Vladimir Stojkovic spitzeln. 1:0 nach 36 Minuten und Deutschland bereits auf dem Heimweg – viel besser könnte es für Neymar und Co an diesem Abend kaum werden.

Doch wer nun ein brasilianisches Feuerwerk der Zugaben, ein bisschen grün-gelbes Hacke, Spitze, eins, zwei, drei und noch eine Neymar-Schaumkrone auf dem Ganzen erwartete, der wurde zunächst enttäuscht. Angefeuert von ihren (wenigen, aber dafür umso lauteren) Anhängern aus der Heimat bestimmte plötzlich Serbien die Partie. Es brauchte sogar einen durch den eigenen Fünfer fliegenden Kapitän Miranda (56.)und einen auf der eigenen Torlinie klärenden Casemiro (61.), die aus brasilianischer Sicht Schlimmeres verhindern mussten. Doch je näher die Mannschaft des Ex-Schalkers Mladen Krstajic dem verriegelten Tor von Keeper Alisson kam, desto lauter wurden die frenetischen Anhänger Serbiens.

Neymar streichelte einen Ball auf Thiago Silvas Kopf

Als wenig später auch noch Kleiderschrankstrümer Aleksandar Mitrovic die Flugkünste Alissons prüfte, hatte Trainer Tite genug gesehen. Torschütze Paulinho raus, Ersatzmann Fernandinho rein (66.). Die beiden reimen sich nicht nur, sondern sollten auch schnell Wirkung zeigen. So dauerte es nur wenige Sekunden ehe Neymar einen gefühlvollen Eckball punktgenau auf Thiago Silvas Kopf streichelte. Der Rest war die pure Gewalt, die endgültige Vorentscheidung zum 2:0 (68.) und ein erstes Mal Neymars Hände in Richtung Himmel.

Brasilien trifft nun am kommenden Montag (16 Uhr) in Samara auf Mexiko, im zweiten Achtelfinale stehen sich die Schweiz und Schweden gegenüber. Ein klitzekleiner Trost für Alemanha: Immerhin der Rasen in Samaras Kosmos-Arena ist deutsch, kommt aus dem rheinländischen Willich. Einen allzu großen Schrecken wird aber auch er diesen Brasilianern nicht einflössen.