Frankfurt. Nach der verkorksten WM muss sich Bundestrainer Hansi Flick neu beweisen. Das Projekt Heim-EM 2024 startet für den DFB in dieser Woche.

Im Hintergrund ragt der Frankfurter Fernsehturm in den Himmel, Bratwurstduft weht durch das Stadion am Brentanobad, das etwas außerhalb der Bankenmetropole liegt. 3500 Fans sind am Montag zu dieser ersten öffentlichen Einheit der deutschen Fußballnationalmannschaft angereist. Sie sehen, wie Bundestrainer Hansi Flick am Nachmittag nur 14 Profis (die anderen erholen sich noch vom Wochenende) um sich versammelt hat und kurz mit ihnen spricht. Dann beginnt das Training und damit das Jahr 2023, in dem vieles besser werden soll, besser werden muss – auch für Hansi Flick.

Bundestrainer Hansi Flick steht an einer Weggabelung

Grundsätzlich ist der Weg des Spätberufenen ein bemerkenswerter, lange arbeitete er nur in der zweiten Reihe, unterstützte etwa Joachim Löw beim WM-Triumph 2014. Fünf Jahre später wurde er plötzlich in die erste Reihe beim FC Bayern katapultiert und war fast unverschämt erfolgreich. Das weckte das Interesse des Deutschen Fußball-Bundes, 2021 folgte der Wechsel zur deutschen Nationalmannschaft. Nun, im Alter von 58 Jahren, steht er an einer Weggabelung.

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Die Weltmeisterschaft in Katar endete in der Vorrunde, bei der Heim-Europameisterschaft in nicht mal anderthalb Jahren könnte nun ein neues Sommermärchen entstehen. Oder ein weiterer Misserfolg ramponiert Flicks Ansehen. Wie geht der gebürtige Heidelberger mit seiner zweiten Chance um? Zunächst einmal hat er sich überlegt, vor den ersten beiden Länderspielen im Jahr 2023 gegen Peru in Mainz (25. März, 20.45 Uhr/ZDF) und Belgien in Köln (28. März, 20.45 Uhr/RTL) etwas durchzulüften im Kader. Erfahrene Profis wie Thomas Müller (33) und Ilkay Gündogan (32) sind zu Hause geblieben, dafür bewegen sich sechs Spieler, darunter etwa Marius Wolf (27) von Borussia Dortmund, zum ersten Mal im Kreis von Deutschlands bedeutendster Mannschaft.

Suche nach neuen Impulsen beim DFB und Hansi Flick

Flick möchte den Kreis möglicher Nationalspieler erweitern und geht dafür ein Risiko ein. Denn man könnte ihm auch vorwerfen, eine Möglichkeit verstreichen zu lassen, eine Stammelf zu formen. „Wenn ich nichts Neues gemacht hätte, dann hätte ich gerne mal die Berichte gelesen“, sagt er dazu. Die Erfahrenen „sollen zu Hause trainieren, Kräfte sammeln“.

Soweit das Formale, die Person Hansi Flick lernt man besser bei anderen Terminen kennen. Einige Tage bevor die Nationalspieler in Frankfurt eintreffen, sitzt der Bundestrainer im Medienraum des neuen Campus des Deutschen Fußball-Bundes. Normalerweise kann er bei solchen Pressekonferenzen etwas hölzern wirken, gerade politische Themen liegen ihm nicht. Nun aber schwatzt er, lacht. Was daran liegt, dass hier gerade keine Journalisten und Journalistinnen fragen, sondern die kleinen Fußballer der Sport-Gemeinschaft Coesfeld 06 und des SV Frömmersbach. Die Jugendmannschaften beider Klubs haben ein Training mit der berühmten Persönlichkeit gewonnen, vorher dürfen sie nachbohren, warum etwa Thomas Müller für die kommenden beiden Länderspiele nicht nominiert wurde.

Hansi Flick formuliert dann ähnliche Worte wie im Kreis der professionellen Medien, doch er trägt sie entspannter vor. Berührungsängste? Gibt es keine. Später, auf dem riesigen überdachten Fußballplatz im Campus-Gebäude, wird gedribbelt, gegrätscht; Flick umarmt, gibt Hinweise, jeder darf sich mit ihm fotografieren.

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„Wenn man den Kindern in die Augen sieht und sie strahlen, dann war das mehr als ein Erfolg“, sagt Flick danach dieser Redaktion. Spürt man denn eine gedämpfte Stimmung aufgrund der WM? „Nein, überhaupt nicht. Es geht immer weiter, im Fußball hat man Niederlagen, man hat Siege, aber hier geht es um die Kinder, hier geht es um die Zukunft.“ Hansi Flick mag kein Mann für bedeutungsschwere Worte sein, nahbar aber ist er. Auch dies kann helfen bei einer Europameisterschaft im eigenen Land.

Das Wichtigste bleibt allerdings die sportliche Entwicklung, ohne Fortschritte keine Erfolge. Seit Längerem fehlt es der Elf an Entschlossenheit, an Stabilität. In Katar beging Flick Fehler, wechselte gegen Japan (1:2) zum falschen Zeitpunkt aus, startete gegen Costa Rica (4:2) zu zaghaft. Anschließend konzentrierte sich trotzdem ein Großteil der Kritik auf Oliver Bierhoff, der als Direktor aufhören musste. Flick durfte bleiben und wird nun von dem neuen Direktor Rudi Völler unterstützt.

Hansi Flick versetzte Rudi Völler

Der 62-Jährige erzählt am Montag in Frankfurt, dass er am Abend zuvor eigentlich ein Bier mit Hansi Flick trinken wollte. Dieser habe ihn jedoch versetzt, weil er noch arbeiten musste. Was Völler, vor vielen Jahren selbst mal Bundestrainer, anscheinend ziemlich überrascht hat. So ändern sich die Zeiten.

Aber dass Völler diese kleine Anekdote ausplaudert, zeigt, wie er mit seiner Art bei der öffentlichen Kommunikation helfen könnte. Flick und Völler wollen jetzt versuchen, politische Themen von der Mannschaft fernzuhalten. Beide vermeiden, ein konkretes Ziel für die Europameisterschaft auszugeben. „Die Weltmeisterschaft hat uns nicht gerade Rückenwind gegeben, Erfolge kann man nicht garantieren“, sagt Flick nur. „Wir werden uns auf dieses Turnier sehr professionell und sehr gut vorbereiten.“ Dies sollte man aber auch erwarten dürfen