Eugene. Seine Titelverteidigung bei der Leichtathletik-WM in Eugene misslang. Doch Zehnkämpfer Niklas Kaul schöpfte dafür neuen Mut.

Schon am ersten Tag hatte der Stadionsprecher aufgehört, Niklas Kaul zu Beginn jeder Disziplin als „reigning champion“, als amtierenden Weltmeister vorzustellen. Im Laufe der ersten Wettkampfstunden war Niklas Kaul irgendwann nur noch Niklas Kaul. Der Zehnkämpfer, der nach drei absolvierten Disziplinen auf Rang 20 lag. Wie Weltmeister wirkten beim Kräftemessen der vielseitigsten Starter der Leichtathletik-WM in Eugene/Oregon zu diesem Zeitpunkt andere.

Am Ende wurde Niklas Kaul Sechster mit 8434 Punkten. Seinen Titel, den sich der 24-Jährige 2019 überraschend-überragend in Doha gesichert hatte, trägt nun Weltrekordler Kevin Mayer aus Frankreich. Der 30-Jährige gewann mit 8816 Punkten vor dem Kanadier Pierce Lepage (8701) und Zach Ziemek aus den USA (8676). Olympiasieger und Favorit Damian Warner aus Kanada war am ersten Tag verletzt ausgeschieden. Kaul konnte aber zufrieden sein. Mit der Titelverteidigung hatten ohnehin nur kühnste Optimisten gerechnet, zu häufig war der Lehramtstudent aus Mainz in den vergangenen Monaten verletzt. Sportlich hatte er sich gar nicht für die WM qualifiziert, nur sein Status als Titelverteidiger erlaubte ihm die Teilnahme an Amerikas Westküste. „Ich hatte vorher lange überlegt, ob ich überhaupt antreten soll“, berichtete Kaul nach beendeter Arbeit in den Katakomben des Leichtathletikstadions in Eugene. „Ich hatte überlegt, ob es überhaupt geht.“

Hochsprung vorzeitig abgebrochen

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Kaul traute seinem Körper noch nicht ganz, das war schon beim Auftakt sichtbar. Den Hochsprung hatte er nach geschafften 2,05 Metern abgebrochen. Bloß nichts riskieren, hatte ihn doch ein Jahr zuvor bei den Olympischen Spielen in Tokio eine Verletzung in dieser Disziplin zur Aufgabe gezwungen. Seine weiteren Leistungen am ersten von zwei Tagen: solide, nicht überragend. Rang 16 bei 23 Teilnehmern.

Ist doch noch alles drin, heißt es eigentlich bei Niklas Kaul, der sonst am zweiten Tag erst richtig loslegt. Doch Kaul hing seinem Punktestand aus Doha zum gleichen Zeitpunkt zu sehr hinterher, zudem hatte die Konkurrenz in Eugene bereits ein dickeres Polster als damals. Es war klar, dass der Deutsche schon bald Niklas Kaul, der Nicht-Mehr-Weltmeister, sein wird.

Drittbester Zehnkampf überhaupt für Kaul

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Doch Kaul zeigte wirklich den erwartet starken zweiten Tag. Rang um Rang arbeite er sich nach vorne, mit der Medaillenvergabe hatte er aber nichts mehr zu tun. Dazu hätten der Diskuswurf (44,62 Meter) und der Stabhochsprung (4,80) mehr als nur solide sein müssen. Mit dem Speer war Kaul (69,74) der zweitbeste Starter hinter Mayer (70,31) - bei seinem Traum-Wettkampf von Doha hatte er rund neun Meter weiter geworfen. Über 1500 Meter lief Kaul dann in 4:13,81 Minuten persönliche Bestleistung und schaffte noch einen mehr als versöhnlichen Abschluss. „Wirklich zufrieden war ich eigentlich nur mit dem Hochsprung, dem Hürdensprint und den 1500 Metern“, sagte der Deutsche. Aber insgesamt war es ein guter Wettkampf. Es war mein drittbester überhaupt.“

Eine Tatsache, die man schnell vergisst. Denn Deutschlands Vorzeige-Athlet wurde immer wieder von Verletzungen ausgebremst, konnte sein Potenzial nur selten entfalten. Die WM in den USA – und daraus hatte Kaul nie einen Hehl gemacht - war für ihn deshalb auch als Generalprobe für die EM in München ab 15. August gedacht. Kaul: „Ich hoffe, irgendwann auf diesen Wettkampf hier in Eugene zurückschauen zu können und dann zu sagen: Das war der Zehnkampf, der mich dahin zurückgebracht war, wo ich einmal war.“

Einen starken WM-Einstand hatte der deutsche Zehnkämpfer Leo Neugebauer. Der 22-Jährige von der LG Leinfelden-Echterdingen, der in Texas studiert, wurde mit 8182 Punkten Zehnter. Zwei Ränge dahinter folgte der ehemalige WM-Dritte Kai Kazmirek von der LG Rhein-Neuwied mit 8113 Punkten. Der Ulmer Tim Nowak war nach drei Fehlversuchen über die Anfangshöhe im Stabhochsprung ohne Chance.