Eugene. Nach vier Tagen ist deutsche Bilanz bei der Leichtathletik-WM bescheiden. Anders bei den Gastgebern: die US-Athleten räumen ab.

Sie nahm es mit einem angedeuteten Lächeln zur Kenntnis, als der Diskus im zweiten Versuch bei 64,39 Metern einschlug. Es war geschafft, auch wenn es für die Olympiazweite von Tokio eigentlich eine Selbstverständlichkeit war: Kristin Pudenz meisterte die Qualifikationsweite von 64 Metern und steht im Finale der WM, das in der Nacht auf Donnerstag in Eugene/Oregon ausgetragen wird. Dann will Deutschlands Medaillenhoffnung noch weiter werfen.

„Vor dem ersten Versuch war ich nervös. Aber es hat ja trotzdem gut geklappt und so kann es im Finale weitergehen", sagte die 29-Jährige. Auch Claudine Vita und Shanice Craft zogen ins Finale ein. „Wir wollen zeigen, dass wir immer noch werfen können und es wäre schön, wenn eine von uns eine Medaille für Deutschland holen könnte“, sagte Pudenz. Damit sind die Diskuswerferinnen fast schon eine Ausnahmeerscheinung bei dieser WM im Nordwesten der USA. 78 deutsche Athleten reisten nach Eugene, doch wirkliche Medaillenaspiranten sind nur wenige darunter. Die Ausbeute nach vier von zehn Wettkampftagen: keine Medaillen, nicht einmal wirkliche Topplatzierungen.

Amerikas Leichtathleten brennen Feuerwerk ab

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Während die US-Athleten bei ihrem Heimspiel ein wahres Feuerwerk abbrennen, sind die Deutschen in Eugene nur dabei. Am Ende des vierten Wettbewerbstags führten die USA das Medaillenranking mit sechs Gold-, vier Silber- und sechs Bronzemedaillen an. America First! Am Sonntag, dem dritten Wettbewerbstag, hatten sie unglaubliche neun Medaillen gewonnen, darunter vier goldene. Mehr Edelplaketten holte seit 1983 kein anderes Land an einem einzigen WM-Tag.

Für die meisten deutschen Athleten war dagegen das Überstehen der Qualifikation schon der größte Erfolg. Positiv überrascht hatten wenige, darunter Gina Lückenkemper. Die Soesterin vom SCC Berlin, Deutschlands Schnellste, hatte es am Sonntag bis ins 100-Meter-Halbfinale geschafft, auch wenn sie mit den dortigen 11.08 Sekunden weit von einer Bestleistung und der Weltspitze entfernt war. Stabhochspringerin Jacqueline Otchere aus Mannheim reiste als Nachrückerin nach Eugene, schaffte mit 4,45 Metern den zehnten Platz. Ein Erfolg. Nur die EM-Norm für München ist damit noch immer nicht erfüllt. Auch Europameister Mateusz Przybylko hatte es bis ins Hochsprung-Finale geschafft. Der 30-Jährige aus Leverkusen übersprang im dritten Versuch 2,24 Meter, scheiterte danach aber dreimal an 2,27. Er wurde damit Zwölfter unter 13 Startern.

Nun müssen die wenigen Hochkaräter liefern

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Der Großteil der deutschen Athleten verabschiedete sich aber früher. Siebenkämpferin Sophie Weißenberg beendete den Wettkampf am Montag nach drei ungültigen Weitsprung-Versuchen vorzeitig. Sie wolle bereits „die Regeneration für den EM-Start im August einläuten und Körner sparen“. Diskuswerfer Torben Brandt war mit indiskutablen 54,11 Metern in der Qualifikation ausgeschieden. Wie zuvor die Frankfurterin Samantha Borutta. 110-Meter-Hürdenläufer Gregor Traber blieb ebenfalls unter den eigenen Ansprüchen und schied im Vorlauf in 13,81 Sekunden aus. Teilweise war es ein Trauerspiel, aber dessen war sich der Deutsche Leichtathletik-Verband bewusst, der vor dem Turnierstart zahlreiche verletzungsbedingte Absagen von Medaillenhoffnungen hinnehmen musste.

„Die WM ist unser Zielwettbewerb Nummer eins. Wir werden danach bemessen, wie viele Trainerstellen und Förderung wir erhalten", hatte Chef-Bundestrainerin Annett Stein vor der Abreise nach Eugene gesagt. Großer Rechenkunst bedarf es nicht, um zu erahnen, dass selbst der Gewinn von nur drei Medaillen bei den Tokio-Sommerspielen im Vorjahr diesmal an Amerikas Westküste nicht übertroffen werden dürfte - wenn überhaupt. Nun müssen also die wenigen Hochkaräter im deutschen Team liefern: Diskuswerferin Pudenz in der Nacht auf Donnerstag, Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre ab der Nacht auf Samstag und Weitsprung-Titelverteidigerin Malaika Mihambo ab der Nacht auf Sonntag. Sie sollen mehr als nur dabei sein.