Doha. Der Titelkampf in der Formel 1 ist wieder völlig offen: Lewis Hamilton triumphiert in Katar, der Vorsprung von Max Verstappen schmilzt.

Bevor die Formel 1 zum ersten Mal einen Großen Preis von Katar fährt, steht der Weltmeister-Pokal mitten auf der Startgeraden. Allerdings ist es die Trophäe für die Fußball-WM, die in genau einem Jahr im Wüstenstaat beginnen kann. Die rasende Nachtfahrt in Richtung Formel-1-Championat gewinnt Titelverteidiger Lewis Hamilton, der zum zweiten Mal in Folge dem WM-Spitzenreiter Max Verstappen das Nachsehen gibt. Der Niederländer holt sich noch den Extrapunkt für die schnellste Rennrunde. Dritter wird sensationell der 40 Jahre alte Fernando Alonso.

Lewis Hamilton im richtigen Moment fehlerlos

Feuerwerk über Doha – vor den letzten beiden WM-Läufen wird es an der Spitze immer dramatischer. Nur noch acht Punkte Vorsprung hat Verstappen auf Hamilton. Der wittert nach dem 102. Sieg seiner Karriere Morgenluft. Sebastian Vettel bleibt nach Pech am Start ein Ehrenpunkt, Mick Schumacher überzeugt mit dem 16. Rang. Lewis Hamilton ist im richtigen Moment der Saison fehlerlos und kampfbereit, bleibt aber bescheiden: „Wir haben einfach diese Punkte gebraucht. Es war echt ein hartes Jahr. Das war ein wichtiger Schritt nach vorn. Ich fühle mich fit wie noch nie." Rivale Max Verstappen weiß: „Das wird schwierig bis zum Schluss bleiben, es bleibt ein enger Kampf."

Schiedsrichter im Motorsport zu sein ist fast noch undankbarer als im Fußball, zumindest in dieser aufgeheizten Formel-1-Weltmeisterschaft. Sie wollen es so neutral und gut wie möglich machen, weshalb sie sich noch genauer an die Regeln halten. Beinahe jede Entscheidung wird zwar mit einer Sympathiebekundung für den Verurteilten garniert, aber die Strafen sind unerbittlich. So entscheiden sie dann den Titelkampf eben doch mit.

Max Verstappen verliert zweiten Startplatz

In Brasilien setzten sie Hamilton auf den letzten Qualifikationsplatz, im Rennen wurde der Titelverteidiger von Rang zehn aus doch noch zum Triumphator. Auf dem Losail Circuit verlor Max Verstappen seinen zweiten Startplatz, da er im Qualifying doppelt geschwenkte gelbe Warnflaggen übersehen hatte. Die Rechtfertigung des Niederländers, dass die Rennleitung die Digitalanzeige auf dem Lenkrad schon abgestellt hatte, führte nicht zur Gnade: Fünf Plätze zurück, Mercedes-Pilot Valtteri Bottas rückte drei Ränge nach hinten.

Mit neuer Mischung der Autos ganz vorn hätte auf der schmutzigen, windigen und reifenzerstörerischen Motorrad-Piste das Chaos ausbrechen können. Aber Lewis Hamilton und sein Mercedes sind im entscheidenden Stadium der Saison in Bestform geraten, auch weil sie die ständigen Anfeindungen von Red Bull Racing in zusätzliche Motivation umwandeln.

Hamilton und Verstappen steuern auf Showdown zu

Der Brite zieht daher unbeirrt davon, und auch Rivale Verstappen erwischt einen Raketenstart, ist trotz eines Ausritts in den Staub sofort wieder Vierter und nach fünf der 57 Runden schon Zweiter. Allerdings schon mit vier Sekunden Rückstand. Von da an beginnt das Taktikspiel: ist mehr als diese Schadensbegrenzung drin, die seinen Punktevorsprung vor den letzten beiden Rennen halbieren würde. Fernando Alonso als Überraschungsdritter hält sich schon in gebührendem Abstand, womit wieder klar ist: da fahren zwei in einer eigenen Liga.

Es ist trotzdem bloß ein Fernduell, auch als Verstappen in der 19. Runde frische Pneus holt. Hamilton sagt zwar, dass er noch genügend gutes Gummi draufhabe, aber die Mercedes-Strategen wollen kein Risiko eingehen. „Zu früh, zu früh", grummelt der Mann mit dem Regenbogenhelm, der damit als einziger gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse im Gastgeberland Flagge zeigte. Auf der Piste geht es so im Parallelflug weiter. In dieser Phase der WM will keiner mehr zu große Risiken eingehen. Gut für die Zuschauer, das Duell spitzt sich Richtung Showdown im Saisonfinale hin zu.

Bottas fällt schon am Start als Helfer weit zurück

Hamilton genießt bei der Fahrt unter den 1000 Flutlichtmasten den stärker werdenden Hoffnungsschimmer für seine Titelhoffnungen. Das gehört zu der Fähigkeit, die als „Hammertime" bekannt ist. Nachdem Valtteri Bottas als Helfer schon am Start zu weit zurückgefallen war, hat er erneut die Bestätigung, dass er am besten nur sich selbst vertraut – und dem Team.

Natürlich ist zu erwarten, dass Red Bull Racing weiterhin alles unternehmen wird, um den biegsamen Mercedes-Heckflügel der Illegalität zu überführen. „Das gibt das Stimmungsbild wieder", sagt Red-Bull-Berater Helmut Marko und droht: „Das ist noch nicht vorbei." Doch Hamilton und Verstappen verhalten sich bislang höchst geschickt in diesem vergifteten Klima – sie konzentrieren sich auf ihren Job hinter dem Lenkrad.

Der 40 Jahre alte Ex-Weltmeister Fernando Alonso fuhr beim Großen Preis von Katar im Alpine-Rennwagen völlig überraschend auf den dritten Platz.
Der 40 Jahre alte Ex-Weltmeister Fernando Alonso fuhr beim Großen Preis von Katar im Alpine-Rennwagen völlig überraschend auf den dritten Platz. © Getty

Grandioser Fernando Alonso gewinnt Duell um Platz drei

Und horchen in der Schlussphase auf jedes Geräusch des Autos, spüren jeder ungewöhnlichen Reifenvibration nach. Neben dem Belauern des Gegners ist das fast noch nervenaufreibender. Aber beide wissen, dass eine Nullrunde diesen WM-Kampf zugunsten des anderen entscheiden kann. Red Bull holt Verstappen deshalb 15 Runden vor Schluss noch einmal herein, Mercedes reagiert umgehend und fertigt Hamilton ab.

Das war gut so, denn reihenweise versagen am Ende quer durchs Feld die Vorderreifen ihren Dienst – beispielsweise bei Valtteri Bottas. Ein virtuelles Safety Car bremst am Ende noch einmal alle ein. Das spannendste Duell auf der zwar unglaublich schnellen aber ebenso gesichtslosen Piste ist daher das um den dritten Platz – mit einem grandiosen Fernando Alonso im Renault-Alpine. Der erste Podiumsbesuch des Spaniers seit sieben Jahren.