São Paulo. Nicht nur die Fahrer Max Verstappen und Lewis Hamilton kämpfen verbissen um den Formel-1-Titel. Auch die Rennstall-Chefs mischen mit.

Die Formel 1 hat eine neue Vokabel, die die ohnehin schon spannende Weltmeisterschaft noch zusätzlich anheizt: Crash-Talk wird die Diskussion genannt, die es seit Wochen rund um das Duell zwischen Red-Bull-Pilot Max Verstappen und Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton gibt.

Rennstallbosse Horner und Wolff so verbissen wie ihre Fahrer

Auch jetzt vor dem Großen Preis von Brasilien am Sonntag (18 Uhr/Sky) wieder, dem viertletzten Lauf der Saison. Immer, wenn es bisher – wie jetzt in São Paulo – Sprintrennen am Samstag gab, kam es zum großen Knall im Rennen. Zwischenzeitlich geben sich die Titelrivalen versöhnlicher. Aber wie brüchig der Friede zwischen Red Bull Racing und Mercedes sein kann, zeigen die Rede-Duelle, die sich ihre Teamchefs Christian Horner und Toto Wolff liefern. Die Rennstallbosse sind nicht nur verbissen wie ihre rasenden Schützlinge, sondern auch so unterschiedlich.

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Christian Horner ist ein leiser Mann. Er agiert nach britischer Gutsherrenart und lebt auch so. Die einzige sichtbare Extravaganz des 47-Jährigen ist seine Ehe mit dem ehemaligen Spice Girl Geri Halliwell. Nach einer erfolglosen Fahrerkarriere hat er sich als Manager von Fahrern wie David Coulthard etabliert und wurde Teamchef in der Nachwuchsklasse Formel 3000. Dort ereilte den Engländer 2005 der Ruf von Dietrich Mateschitz, innerhalb von fünf Jahren formte er aus dem Getränke-Rennstall ein Team, das Sebastian Vettel zum Weltmeister machte.

Crash-Szenario für die WM-Entscheidung?

Erst Mercedes – in Person von Toto Wolff (49) – beendete die Serie von Red Bull und löste seinerseits ein Titel-Abonnement. Der Österreicher kam als guter Sportwagen-Pilot, vor allem aber als erfolgreicher Investor zu Mercedes. Dort etablierte er als Tonangeber im Duett mit Niki Lauda eine neue Kultur im Rennstall, die im Zusammenspiel mit der überlegenen Hybrid-Technik zur Siegesserie durch Lewis Hamilton führte.

Krisen löst Wolff lieber nicht-öffentlich. Weshalb ein Interview Wolffs kürzlich in der „Daily Mail“ überraschte, als er ein Crash-Szenario für die WM-Entscheidung ausmalte: „Wenn es zu dem Szenario des letzten Rennens in Abu Dhabi kommt und sie gegeneinander um den Titel fahren, wird derjenige, der vorne liegt, auf jeden Fall versuchen, dasselbe zu tun wie Senna und Prost.“ Sprich: dem anderen ins Auto fahren.

Psychospielchen, Anfeindungen, Anschwärzungen

Eine Crash-Anweisung an Hamilton schloss er aus, aber schon war böses Blut im Spiel. Horner, der Experte in kleinen Nadelstichen ist, zeigte sich entsetzt: „Ich war enttäuscht über diesen Kommentar. Wir wollen keine Meisterschaft durch eine Kollision gewinnen. Von denen gab es dieses Jahr schon genug.“ Aber schwupps war böses Blut im Spiel.

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Mehr als dieses Psychospielchen dürfte Horner Wolffs Charakterisierung getroffen haben, nachdem der Gegenspieler sich aufführe wie „ein Protagonist in einem Theaterstück“. Wenn dieser ein Mikrofon vor sich habe, benehme er sich wie ein Schauspieler in Hollywood, meinte Wolff. „Es amüsiert mich, aber es berührt mich nicht.“ Dennoch war das Interview eine klare Abrechnung, wohl auch Resultat der Anfeindungen und Anschwärzungen beim Automobilweltverband Fia, mit denen sich die Rivalen ständig gegenseitig überziehen, damit der andere auch keinen kleinsten technischen Vorteil erlangt.

Red Bull und Mercedes nahezu gleichauf

Dass Verstappen in der WM-Wertung so klar mit 19 Punkten führt und Red Bull in der weit lukrativeren Konstrukteursmeisterschaft bis auf einen Zähler an Spitzenreiter Mercedes heran gerückt ist, verschärft die Animositäten noch.

Horner versucht es sportlich und zynisch zu nehmen: „Ich fühle mich geschmeichelt. Denn wenn man sich die Definition eines Protagonisten anschaut, dann braucht es auch einen Antagonisten.“ Grundsätzlich aber sehe er das alles als Nebengeräusche an: „Es geht ja um viel. Für uns um den ersten Titel mit Max, für ihn um den achten mit Mercedes. Wer in der Formel 1 mit dem zweiten Platz zufrieden ist, der hat hier nichts verloren.“