Melbourne. Novak Djokovic und Rafael Nadal deklassieren bei den Australian Open in ihren Halbfinal-Spielen jeweils ihre Gegner.

Vor einem Jahr schien seine Karriere noch in Trümmern zu liegen. Damals steckte Novak Djokovic weiter mitten drin in einer großen Sinn- und Leistungskrise, in Melbourne schied er damals schon im Achtelfinale gegen den ungesetzten Koreaner Chung Hyeon aus. Und kaum hatte er sich frustriert vom Grand Slam-Schauplatz Melbourne verabschiedet, musste er auch noch einen operativen Eingriff am rechten Ellenbogen über sich ergehen lassen. „Es war sehr unwahrscheinlich, dass ich hier und heute so dastehen würde“, sagte Djokovic am Freitag in der Rod Laver-Arena zu Melbourne, nach seiner klinischen reinen 6:0, 6:2, 6:2-Halbfinaldemonstration gegen den Franzosen Lucas Pouille. Zuvor hatte der Spanier Rafael Nadal vorgelegt und den griechischen Jungstar Stefanos Tsitsipas mit 6:2, 6:4, 6:0 deklassiert.

Achterbahnfahrt für Djokovic

Selbst das erschien aber noch als Understatement. Denn kaum je hat einer der ganz Großen des Welttennis eine derartige Achterbahnfahrt erlebt wie Djokovic: Erst der alles überragende Dominator der Branche, der Allesgewinner, dann der Superstar im freien Fall – verunsichert, demotiviert, ein Fragezeichen auf zwei Beinen. Und nun, seit etwa sieben Monaten, wieder der Mann, an dem kein Weg zu irgendeinem Titel vorbeiführt, auch nicht bei den Australian Open des Jahres 2019. Dort ist Djokovic in seiner ganzen geschmeidigen Brillanz zu erleben, ein Bewegungswunder, ein artistischer Athlet, dem noch keiner seiner Rivalen nahe kommen konnte auf dem Weg ins Endspiel.

Die Nummer 1 und die Nummer 2 bestreiten mal wieder das Finale

Von wegen Wachablösung, von wegen Generationswechsel: Im Endspiel, im allerletzten Duell um die Melbourne-Krone kommt es zum vertrauten Kampf der Nummer 1 gegen die Nummer 2, zum ewiggrünen Vergleich zwischen Djokovic und dem mallorquinischen Matador Rafael Nadal. Ganz einfach zum Spiel der beiden Besten dieses Turniers, aber eben auch zweier szenebeherrschender Figuren seit mehr als einem Jahrzehnt. Djokovic vs. Nadal, es ist dann am Sonntagmorgen europäischer Zeit, ab 9.30 Uhr, schon die 50. Matchauflage zwischen dem Serben und dem Spanier – keine Partie hat es überhaupt öfters gegeben in der professionellen Ära dieses Sports. Und auch keine, die so selten enttäuscht hat. „Ich würde mir definitiv ein Ticket für dieses Spiel kaufen“, scherzte Djokovic nach seinem sechsten Sieg im laufenden Wettbewerb, einem Spaziergang gegen den überforderten Franzosen Pouille in nur 83 Minuten.

Erinnerungen an ein legendäres, rekordverdächtiges Finale

Erstaunlich genug, aber doch schwarz auf weiß belegt: In Melbourne, beim unwägbarsten aller vier Grand Slams, gleich zu Saisonbeginn, sind sich Djokovic und Nadal nur ein einziges Mal begegnet, im Finale vor sieben Jahren. Es war allerdings ein Spiel, das sich jedem Augenzeugen ins Gedächtnis eingebrannt hat, fünf Stunden und 53 Minuten lang bekämpften sich die beiden Superstars seinerzeit bis zur absoluten Erschöpfung und bis in den frühen Montagmorgen, ehe Djokovic im fünften und letzten Akt mit 7:5 triumphierte. Das Finale 2012 ist in den Tennisannalen als längstes Match der Geschichte verewigt, es sei das „vielleicht beste Spiel“ seiner Karriere gewesen, meinte Djokovic nun.

Vor dem insgesamt 53. Aufeinandertreffen mit Nadal (27:25 für Djokovic) sparte sich der Weltranglistenerste wertvolle Kräfte auf. Gegen Pouille, den bisher so wackeren und kampfeslustigen Franzosen, war seine Überlegenheit schon beinahe frappierend, ein echter Zweikampf war das Spiel zu keiner Zeit. Auf dem Weg zum siebten Melbourne-Titel, einem neuen historischen Rekord, kann Djokovic fast erwartungsgemäß nur noch von einem gebremst werden, vom alten Weggefährten Nadal. Auch der, so TV-Experte Boris Becker, befinde sich in „der Form seines Lebens auf Hartplatz“: „Es wird ein Fight der Giganten, eine Supershow.“