Melbourne. Große Enttäuschung bei Deutschlands bester Tennisspielerin: Nach nicht einmal einer Stunde war das Achtelfinale gegen Danielle Collins vorbei.

Es war eine nette Höflichkeitsgeste. Aber es wirkte auch ein wenig bizarr, als Danielle Collins der eilig vom Platz wegmarschierenden Angelique Kerber einige Sekunden lang freundlichen Applaus spendete. Eigentlich werden so die krassen Außenseiter oder unbedarften Newcomer verabschiedet, wenn sie das erste Mal auf ganz großer Bühne gestanden haben und nach dem erwartbaren Knockout ein bisschen tröstenden Beifall zur Aufmunterung brauchen. Collins hätte diese Gescheiterte und Kerber die generöse Australian-Open-Gewinnerin sein sollen, doch es war eben alles anders an diesem 20. Januar 2019 in der Margaret Court-Arena.

Kerber-Trainer Schüttler geschockt

An einem Tag zum Vergessen für Kerber, an einem Tag, an dem die Tenniswelt Kopf stand. An einem frostigen Tag mitten im australischen Sommer, an dem Kerber nach ihrem jähen Grand Slam-Abflug ihre Siebensachen packen musste für den Heimflug ins kalte Europa. „Es war nicht mein Spiel, nicht mein Tag, nicht das Ende, was ich mir gewünscht hätte“, sagte die Wimbledonsiegerin nach der heftigen 0:6, 2:6-Achtelfinalpleite in 56 Minuten gegen die 25-jährige Amerikanerin, die vor diesen Offenen Australischen Meisterschaften des Jahres 2019 noch kein einziges Grand Slam-Match gewonnen hatte. Für Kerber und ihr Team war es eine unwillkommene Erinnerung an das Scheitern in der gleichen Australian Open-Turnierrunde vor zwei Jahren, damals verlor sie gegen das ebenso selbstbewusst auftretende US-Girl Coco Vandeweghe mit 2:6 und 3:6 – was folgte, war eine Saison der herben Enttäuschungen und Rückschläge. „Ich bin aber sicher, dass mich das jetzt nicht die nächsten Wochen und Monate kosten wird“, sagte Kerber später, „es war halt einer der Tage, an denen der Gegnerin alles gelingt. Und dir selbst nichts.“

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Woran nach diesem durchaus seltsamen Match auch nicht der geringste Zweifel bestehen konnte. Denn die Feierlaune und -stimmung rund um ihren 31. Geburtstag am Freitag verging Kerber schnell bei diesem gallenbitteren Achtelfinal-Einsatz. Kerber begann schwach, sie wackelte gleich im ersten Aufschlagspiel, leistete sich zwei Doppelfehler, kassierte das Break zum 0:2. Und danach wurde nichts besser, sondern alles nur noch schlimmer. Nach elf Minuten lag die Weltranglisten-Zweite gegen die harte, von keinen Zweifeln befangene Puncherin aus Florida bereits mit 0:4 zurück, und auf der Tribüne pustete der geschockte Neutrainer Rainer Schüttler entgeistert die Luft aus. Was Kerber da in der Margaret Court-Arena erlebte, gemahnte ein wenig an Schüttlers eigene Abfuhr im Melbourne-Finale, 2003 gegen Andre Agassi. Nur dass damals der haushohe Favorit seine ganze Stärke und Power gegen den deutschen Endspiel-Debütanten in aller Selbstverständlichkeit ausspielte.

Sieg für die unerbittliche Draufschlägerin

Doch hier, am siebten Tag der Ausscheidungsspiele des Jahrgangs 2019, wurde eine der großen Wettkandidatinnen auf den Grand Slam-Höchstpreis durchgeschüttelt und weichgespült – nach allen Regeln der Tenniskunst. „Ich treffe keinen Ball, keinen Ball“, rief die Wimbledonkönigin einmal in ihrer Verzweiflung aus, es war auch ein Einblick in die allgemeine Verunsicherung an diesem geschenkten Arbeitstag. Kerber kam kaum zum Nachdenken und Neujustieren in der beinahe dramatischen Australian Open-Verabschiedung. Nach dem 0:6-Desaster in Satz eins gab es überhaupt nur bis zum 2:2 im zweiten Akt einige Momente, in denen die Kielerin der studierten Medienwissenschaftlerin Collins auf Augenhöhe begegnen konnte.

Aber es war nur eine flüchtige Hoffnung auf eine Wende, anschließend gewann die unerbittliche Draufschlägerin, die in der ersten Runde schon Julia Görges ausgeschaltet hatte, wieder vier Spiele in Folge – mit Schlägen von brutaler Geradlinigkeit und Schönheit. Am Ende hatte sie 56 Punkte in 56 Minuten gesammelt und Kerber nur 27. „Ich habe alles versucht, aber ich bin nie ins Spiel gekommen“, sagte Kerber hinterher, „sie hat das Match bestimmt – und ich habe nur reagieren können.“ Man müsse Niederlagen auch „einmal ganz schlicht akzeptieren“, so Kerber, „das gehört zum Sport dazu.“

Und doch war das Scheitern nicht spurlos geblieben bei der Pokalaspirantin, wie auch nach diesem Grand Slam-Tiefschlag unter der Sonne Australiens. „Ich brauche jetzt erst mal Ruhe, ein bisschen Zeit für mich selbst“, sagte die 31-jährige dem TV-Sender Eurosport, „auch um wirklich zu realisieren, wie schnell das jetzt zu Ende gegangen ist.“ Zeit allerdings wird Kerber nun haben, daran kann kein Zweifel bestehen. Ihr nächstes Einsatzgebiet wird sie erst in der zweiten Februarwoche aufsuchen, am Arabischen Golf spielt Kerber dann bei den hochkarätigen Turnieren in Doha und Dubai.