Melbourne. Der Hamburger unterlag dem Kanadier Milos Raonic. Auch die letzte deutsche Tennis-Hoffnung flog krachend aus dem Turnier.

Wenn man später einmal auf die Australian Open des Jahres 2019 zurückblicken wird, dürfte Alexander Zverev einen visuellen Ehrenplatz sicher haben. Er wird dann allerdings nicht etwa als Titel-Held aufscheinen, auch nicht als erbitterter Kämpfer, der bis in die allerletzte Grand-Slam-Phase hinein um den Höchstpreis von Melbourne mitgerungen hat.

Zverevs zweifelhaftes Vermächtnis bei diesem Major-Wettbewerb wird ein Zehn-Sekunden-Filmclip sein, eine Szene voll grimmiger Wut, voll Selbsthass, voll fuchsteufelswilder Zerstörungslust. Und man wird immer wissen, wie es überhaupt um Zverev gestanden hat an diesem achten Turniertag des Grand-Slam-Festivals am anderen Ende der Welt, im Achtelfinalduell mit dem kanadischen Ballermann Milos Raonic – nämlich verheerend schlecht.

So schlecht eben, dass Zverev beim schon entnervenden Zwischenstand von 1:6 und 1:4 acht Mal seinen Schläger mit aller Wucht und Inbrunst auf den blauen Centre-Court-Boden trommelte, bis der Schläger dann endgültig zu Bruch ging.

Es war ein filmreif schockierender Anblick an einem Tag des Jammers. An einem Tag, an dem Zverev es fertigbrachte, noch schwächer und matter zu wirken als zuvor die abgefertigte Titel-Mitfavoritin Angelique Kerber. „Ich hatte zwei Sätze lang keine Ahnung, wie man einen Tennisball ins Feld spielt“, gab Zverev nach seiner keineswegs zu knappen 1:6, 1:6, 6:7 (5:7)-Abfuhr gegen Raonic ehrlich zu Protokoll. Wer Zverev in der Rod-Laver-Arena erlebte bei dieser Demütigung mehr durch sich selbst als durch seinen Gegner, musste sich fragen, wie er vor zwei Monaten in Londons O2-Arena strahlend zum Weltmeister der Profis ausgerufen worden war, nach einem Final-Wochenende, an dem er nacheinander Roger Federer und Novak Djokovic bezwungen hatte.

Alles, was ihn dort ausgezeichnet hatte als würdigen Champion, war nun weit weg, so weit wie die Luftliniendistanz zwischen der englischen Hauptstadt und Melbourne: Die Kraft und das Selbstvertrauen, Widerstände in einem komplizierten Duell zu brechen, fehlten dem 21-jährigen Hamburger genau so wie die taktische Variabilität und Kunst der Improvisation oder der Mumm, noch einmal eine wirklich überzeugende Aufholjagd zu inszenieren. „Es gibt eben Tage, an denen nichts läuft. Dass ich im dritten Satz in den Tiebreak kam, war schon ein Wunder“, sagte Zverev später und äußerte dann seinen dringendsten Wunsch: „Zwei Tage ins Bett legen und nichts mehr vom Tennis hören und sehen.“

Der Wunsch war verständlich nach einem Match, das Zverevs Pokalhoffnungen bei einem Grand Slam vorerst noch einmal als Illusionstheater erscheinen ließ. Jedenfalls wirkte der Weltranglisten-Vierte erstaunlich unflexibel gegen einen, der ihn mit bescheidenem strategischem Aufwand komplett an die Wand spielte. „Er spielt so schlecht. Damit hätte er nicht mal die erste Runde der Qualifikation überstanden“, polterte Kommentatoren-Guru John McEnroe im australischen Fernsehen.

Zverev muss weiter warten

Der eklatante Schwächeanfall kam, wie bei Kerber, aus dem Nichts. Zverev hatte die erste Turnierwoche relativ unbeschadet überstanden, er hatte kaum unnötige Energie verpulvert, sein Absturz konnte nichts mit fehlenden Kräften zu tun haben. Eher schon mit der inneren Verkrampfung.

So muss Zverev weiter auf den großen Grand-Slam-Moment warten. Auf Spiele, die er in der entscheidenden Phase auf Biegen und Brechen gewinnt. Auf ein Turnier, in dem er zwei Wochen lang alle Prüfungen meistert, mit Eiseskälte und Leidenschaft zugleich.