Köln. Angelique Kerber hat, wie sie sagt, die zweitbeste Saison ihrer Karriere hinter sich. Ins Jahr 2019 geht sie mit einem neuen Trainer.

Es gibt, wenn man im Leben so viele Pressegespräche absolviert hat wie Angelique Kerber, kaum noch überraschende Fragen. Aber als am Mittwochvormittag im Kölner Firmensitz der Generali-Versicherung ein Kollege wissen will, ob sie sich vorstellen könne, gemeinsam mit dem neuen Tennis-Weltmeister Alexander Zverev (21/Hamburg) an die Ära Boris Becker/Steffi Graf anknüpfen zu können, da muss die Wimbledonsiegerin doch ein wenig schmunzeln. Zu oft schon hat sie diese Vergleiche gehört, und natürlich sollten die drei Grand-Slam-Titel, die die 30-Jährige mittlerweile gewonnen hat, ausreichen, um Kerbers Karriere als eigenständige Ära wahrzunehmen.

Kerber verpflichtet Schüttler als Trainer

Aber weil Ruhm vergänglich, Respekt nie garantiert und Kerber ein höflicher Mensch ist, sagt sie, was man eben sagt, wenn die Sprache auf die größten deutschen Tennisidole kommt: Dass deren Karrieren unvergleichlich waren, aber eben auch in einer anderen Zeit stattfanden. Und dass Zverev und sie „alles dafür tun werden, um das Tennis wieder nach oben zu bringen. Er hat bei der WM Unglaubliches geleistet, wir wollen beide Vorbilder für die Jugend sein. Aber dafür ist noch eine Menge zu tun.“ Wie passend also, dass die Kielerin in der vergangenen Woche präsentieren konnte, wer ihr in Zukunft bei der Arbeit helfen soll. Mit der Verpflichtung des ehemaligen Weltklassespielers Rainer Schüttler (42) als Nachfolger ihres belgischen Cheftrainers Wim Fissette (38) war ihr ein Coup gelungen, der weit über die Tennisszene hinaus strahlte.

An diesem Mittwochvormittag strahlt Angelique Kerber zunächst jedoch eine gewisse Müdigkeit aus. Das ist kaum verwunderlich, wenn man aus einem Traumurlaub auf den Malediven ins herbstliche Deutschland zurückkommt und tagelang Pflichttermine zu erfüllen hat. Am vergangenen Sonntag traf sie in Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihr zum Wimbledonsieg gratulierte, sie besuchte Geschäftspartner in München und Herzogenaurach, ehe es in Köln und Aachen zu Mitarbeiterseminaren bei ihrem Sponsor Generali ging. Überall haben viele Menschen die gleichen Fragen, es gehören Professionalität und Langmut dazu, um dabei stets freundlich und gut gelaunt den Star zum Anfassen zu geben.

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Angelique Kerber gelingt das meist erstaunlich gut. Sie hat sich im Umgang mit den Medien zur Meisterin darin entwickelt, mit vielen Worten möglichst wenig mitzuteilen, wenn sie Geheimnisse bei sich behalten möchte wie zum Beispiel den Namen ihres neuen Fitnesstrainers. Aber dass sie die Herzen der deutschen Fans nicht erreiche, wie am Mittwoch eine große Tageszeitung schrieb, und im Ausland deutlich populärer sei, das hält sie zu Recht für Unsinn. „Gerade durch den Wimbledonsieg habe ich noch einmal einen großen Sprung in der Beliebtheit gemacht. Ich freue mich sehr darüber, wie sehr die Fans Anteil an meinen Erfolgen nehmen“, sagt sie.

Kerber-Einsatz beim Fedcup ist noch offen

Das zu Ende gehende Jahr sei nach 2016, als sie mit den Grand-Slam-Triumphen in Melbourne und New York die Spitze der Weltrangliste eroberte, die zweitbeste Saison ihrer Karriere gewesen, „und im Rückblick habe ich die Erfolge richtig genießen können“, sagt sie. Warum dann ein Trainerwechsel notwendig war, darüber will sie weiterhin keine Auskunft geben. Aber die Vorzüge, die sie Schüttler zuschreibt, sprechen für sich. „Ich starte ja nicht bei Null, sondern will konstant weiter Erfolg haben. Ich brauche keinen Trainer, der mir erklärt, wie man Tennis spielt. Ich brauche jemanden, dem ich vertrauen und mit dem ich Spaß haben kann. Rainer weiß genau, was es im Leistungssport auf höchstem Niveau braucht, und er spricht meine Sprache. Ich hatte mehrere Namen im Kopf und habe geschaut, wer am besten ins Team passt“, sagt sie über die Gründe für ihre Wahl. Dass Fissette kurz nach der Trennung bereits bei der Weißrussin Victoria Asarenka anheuerte, darf als Indiz dafür gelten, dass Kerber ebenjenes Vertrauen, das sie bei Schüttler spürt, vermisst haben wird.

Dass sie sich nur noch auf die großen Turniere konzentrieren wolle und Fissette lieber gesehen hätte, dass sie mehr spielt, sei nicht der Fall. „Ich werde vielleicht etwas weniger spielen, aber mein Ziel ist, bei allen Grand-Slam- und Premiumturnieren meine beste Leistung abzurufen“, sagt sie. Ob sie für Deutschland zum Erstrundenmatch im Fedcup gegen Weißrussland (9./10. Februar in Braunschweig) antreten werde, sei noch offen. Grundsätzlich aber hätten Auftritte in der Heimat höchste Priorität, „wenn sie in die Terminplanung passen“. Den Plänen des neuen Hamburger Herrenturnierchefs Peter-Michael Reichel, schon 2019 zeitgleich ein Damenturnier am Rothenbaum auszutragen, steht sie entsprechend positiv gegenüber. „Es gab zwar noch keine Gespräche, aber ein Turnier in Norddeutschland wäre für mich sicherlich eine echte Option“, sagt sie.

Saison 2019 beginnt für Kerber beim Hopman-Cup

Zunächst jedoch geht es in der kommenden Woche nach Puszczykowo, in die Heimat ihrer Familie, wo fünf Tage Athletiktraining anstehen, bevor Schüttler die spezifische Vorbereitung aufnimmt, die zu gleichen Teilen in Polen und an einem noch nicht feststehenden Ort in Deutschland stattfinden soll. Die Saison 2019 beginnt in Perth bei der letzten Auflage des traditionsreichen Mixed-Nationenwettkampfes Hopman-Cup. Kerbers Partner dort: Alexander Zverev. In Westaustralien kann das neue deutsche Tennis-Traumpaar also gemeinsam daran arbeiten, die Fragen nach der Ära Becker/Graf weiter aussterben zu lassen.