Singapur. Angelique Kerber ist bei der WM bereits in der Gruppenphase gescheitert. Sie unterlag Sloane Stephens in Singapur klar in zwei Sätzen.

Es war Anfang des zweiten Satzes, als Angelique Kerber einmal in aller Deutlichkeit ihre Verzweiflung auf dem Centre Court herausbrüllte: „Was soll ich denn machen?“, fragte sich die Wimbledonsiegerin gut hörbar für die ganze Tenniswelt. Sie lag zu diesem Zeitpunkt schon frustrierend zurück gegen die Amerikanerin Sloane Stephens, sie kämpfte allerdings weiter, immer weiter, sie machte sogar noch einmal einen aussichtslos scheinenden 1:3-Rückstand im zweiten Akt wett, glich zum 3:3 aus. Aber eine dieser verrückten Comeback-Geschichten, ein Entfesselungsakt mit und von Kerber war an diesem 26. Oktober 2018 nicht mehr zu erleben bei der WM in Singapur - dieser dritte und finale Gruppenspieltag, ihre 3:6, 3:6-Niederlage, das war auch der letzte Arbeitstag in einer alles in allem bemerkenswerten Saison. „Ich kann mit aufrechtem Kopf nach Hause fahren“, sagte Kerber später, nach der gescheiterten Halbfinal-Qualifikation, „aber natürlich hätte ich mir ein anderes Ende hier gewünscht.“

Kerber bestritt ihr 65. Saisonspiel

Das 65. Saisonspiel der Zermürbungskünstlerin wogte wie so viele WM-Matches in diesen Tagen heftig hin und her, ständig wechselte die Dramaturgie und die Regie in diesem umkämpften Duell. Kerbers entscheidende Schwäche waren die sogenannten Big Points, also jene Momente, in denen sich ein Match dreht – oder eben in einer Richtung bleibt. Im ersten Satz war Kerber lange Zeit die bessere Spielerin, aber es schlug sich nicht in dem nieder, was auf den Ergebnistafeln auch in der Singapore Indoor Arena zu sehen war. Sieben Breakbälle hatte die 30-jährige Deutsche, aber keinen einzigen davon konnte sie nutzen. Umgekehrt das Bild bei der unscheinbaren, aber hocheffektiven Jägerin Stephens: Die katzenhaft geschmeidige US Open-Königin des Vorjahres hatte zwei Chancen, Kerber den Aufschlag abzunehmen – und war beide Male zupackend zur Stelle, ging so 6:3 in Front. „Angie ist so eine Fighterin. Wenn du Möglichkeiten gegen sie bekommst, solltest du sie auch besser verwandeln. Und das war heute auch der Schlüssel zum Sieg“, sagte Stephens später.

Eins freilich war Kerber, dieser Unermüdlichen des Centre Courts, nicht vorzuwerfen – dass sie sich trotz aller Widrigkeiten aufgegeben hätte in diesem Match. In einem elf Minuten währenden Spiel bei 1:2-Rückstand in Satz zwei wehrte sie sechs Breakbälle ab, geriet 1:3 ins Hintertreffen – nur um dann wieder eine kurze, entschlossene Aufholjagd zum 3:3 zu schaffen. Belohnt wurde sie freilich nicht für ihren trotzigen Kampfgeist, Stephens war schließlich zu solide, zu hartnäckig, zu nervenstark, um den Umschwung zuzulassen.

Kerber über das Jahr: "Ich bin stolz auf das, was ich geleistet habe"

Kurios genug: Mit Kerber schied auch die letzte der bei der WM an den Start gegangenen Grand Slam-Siegerinnen aus. Vor der deutschen Rasenkönigin hatten sich schon Australian Open-Gewinnerin Caroline Wozniacki und US Open-Siegerin Naomi Osaka verabschiedet – die Japanerin musste im letzten Gruppenmatch gegen Kiki Bertens nach dem 3:6 verlorenen Auftaktsatz aufgeben. Stephens trifft nun auf die Ukrainerin Elina Switolina, und die Niederländerin Kiki Bertens, die als Ersatzfrau für die verletzte Weltranglisten-Erste Simona Halep eingesprungen war, bekommt es mit der Tschechin Karolina Pliskova zu tun.

Und Kerber? Für sie beginnen an diesem Wochenende die verdienten Ferien nach einer Spielzeit, in der sie das schaffte, was ihr kaum jemand zugetraut hatte nach dem Seuchenjahr 2017 – nämlich ein Comeback in der absoluten Weltspitze, glänzende Grand Slam-Auftritte und noch dazu der größtmögliche Coup überhaupt, der Sieg in Wimbledon, das Sommermärchen im All England Club. „Ganz egal, was in Singapur kommt: Es war eine wunderbare Saison für mich. Ich bin stolz auf das, was ich geleistet habe“, hatte Kerber vor dem ersten Ballwechsel im fernen Asien gesagt. Und daran änderte, logischer Weise, auch das Aus nach der Vorrunde nicht das Geringste.