Glasgow. Was für ein Tag für die deutsche Schwimmerin Sarah Köhler: Sie holte EM-Silber über 1500 Meter Freistil und Bronze mit der Staffel.

Punkt 18 Uhr wurde es hektisch hinter den Kulissen von Glasgows EM-Schwimmhalle. Völlig aufgelöst grabschte Sarah Köhler in die Kiste mit ihrer Trainingshose und Sportjacke, streifte die Kleidungsstücke in Windeseile über und rannte zurück an den Beckenrand. Gerade hatte die Schwimmerin aus der Heidelberger Trainingsgruppe von Michael Spikermann mit der 4x200-Meter-Freistilstaffel Bronze geholt. Aber jetzt stand erst mal die Siegerehrung zu ihrem ersten Rennen an diesem Finalabend an, terminiert auf 18.01 Uhr. Köhler schaffte es noch pünktlich aufs Podest, um ihre Silberplakette über 1500 Meter Freistil in Empfang zu nehmen. Und bei der gemeinsamen Ehrung mit den Staffelkolleginnen Reva Foos, Isabel Gose und Annika Bruhn 35 Minuten später war die Zeitfrage dann kein Thema mehr.

Köhler in der Staffel - eine kurzfristige Idee

Der Gedanke, die 24-Jährige Köhler nur 70 Minuten nach ihrem kraftzehrenden Langstreckenrennen über 30 Bahnen Kraul auch im DSV-Quartett einzusetzen, kam Chefbundestrainer Henning Lambertz nach den Vorläufen am Morgen. Köhler ersetzte die Leipzigerin Marie Pietruschka, die in der Qualifikation noch geschwommen war – und sah sich mit einer ungewohnten Situation konfrontiert. „Ich bin froh, dass die Mädels stolz auf mich sind“, erklärte die gebürtige Hanauerin erleichtert. Hinweise auf den amerikanischen Super-Olympioniken Michael Phelps, bei dem Mehrfachstarts binnen ein oder zwei Stunden fast Gewohnheit waren, wies Köhler jedoch strikt von sich.

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„Ich will mich nicht mit Michael Phelps vergleichen. Ich schaffe das mal an einem Tag, er an drei Tagen hintereinander“, betonte sie. Als das geklärt war, bedankte sie sich beim Magdeburger Trainer Bernd Berkhahn, ihrem betreuenden Coach in Glasgow. „Ich hab‘ mich nach den 1500 Metern schon ein bisschen gestresst, er hat mich dann beruhigt“, berichtete Köhler. „Außerdem haben die Mädels mich pepusht und gesagt: Du kriegst das hin, du bist ein Longo.“

Ein Longo – eine Schwimmerin also, die das Dauerkraulen gewöhnt ist. Zusätzliche Energie zog sie aus ihrem ersten Rennen an diesem Nachmittag. Nur die Italienerin Simona Quadarella musste sie da ziehen lassen, die Römerin schlug gut sechs Sekunden vor ihr an. „Dass sie so plötzlich anzieht und so schnell schwimmt, damit habe ich nicht gerechnet“, gestand Köhler. „Aber ich habe meine Bestzeit um zwei Sekunden verbessert, damit bin ich sehr zufrieden.“

Köhlers Freund Wellbrock ist bereits Europameister

Der deutsche Rekord war zugleich ein dickes Heftpflaster auf Köhlers Sportlerseele. Die hatte in Schottland zuvor gewaltig gelitten, ihr vierter Platz und speziell die schwache Zeit im Finale über 800 Meter vom Samstag mussten irgendwie aus der Welt geschafft werden. Unterstützung gab es dabei reichlich: „Die Trainer, meine Sportpsychologin, die ganze Mannschaft, mein Heidelberger Trainingskollege Philip Heintz, der den Arm um mich gelegt hat“, listete Köhler einen ganzen Pulk an Trostspendern auf. Und vorneweg, klar: Ihr Freund Florian Wellbrock, mit dem sie seit einem Jahr liiert ist – und der am Sonntag über 1500 Meter mit der viertschnellsten je geschwommenen Zeit Europameister geworden war.

„Er hat mir natürlich sehr geholfen – und auch sein Rennen“, erzählte die Silberfrau auf der Marathondistanz im Becken. „Mein eigenes Ego war ebenfalls mit im Spiel“, ergänzte die Jurastudentin noch. Denn: „Ich wollte nachlegen.“ Und: „Ich wollte die 800 Meter mit den 1500 Metern pulverisieren.“ Beides ist geglückt, nun stehen zum Abschluss am Donnerstag noch die 400 Meter Kraul an. „Mal sehen, wie viel da noch geht, ob vielleicht noch eine Bestzeit drin ist“, sinniert Sarah Köhler – und denkt bereits an die Belohnung für all die Anstrengungen im Pool: Den Teamwettbewerb am Wochenende im Freiwasser, Seite an Seite mit Florian Wellbrock. „Darauf“, sagt Deutschlands doppelte Medaillengewinnerin vom Dienstag, „freue ich mich schon sehr.“