Berlin . Diskus-Werfer Robert Harting hat bei der Leichtathletik-EM das Finale erreicht. Dafür ist sein Bruder Christoph ausgeschieden.

Am Vormittag der gescheiterten Favoriten bewies Robert Harting einmal mehr verblüffende Wettkampfstärke. Bei der Leichtathletik-EM im Berliner Olympiastadion hat sich der 33-Jährige als siebtbester Diskuswerfer des Vorkampfes souverän für das Finale am Mittwoch (20.20 Uhr/ARD) qualifiziert. Nach drei ungültigen Versuchen gescheitert ist dagegen überraschend sein Bruder Christoph, Olympiasieger von Rio 2016. Auch der Olympiazweite Piotr Malachowski (Polen) und Bronzemedaillengewinner Daniel Jasinski (Wattenscheid) scheiterten vorzeitig. Ein verrückter Wettkampf.

Robert Harting wurde 2009 in Berlin Weltmeister

Robert Harting bekommt also den großen Abschied an der Stätte seines ersten Triumphs, dem Gewinn der WM 2009. „Es war für mich aufbauend, ins Olympiastadion zu kommen“, sagte er. Den Wecker habe er sich auf 6.01 Uhr gestellt, „ich wollte nicht schon um 6 Uhr aufstehen, das war mir zu früh“, fügte er unter dem Gelächter der Zuhörer hinzu. Locker wirkte der Mann, der die Saison trotz einer angerissenen Quadrizepssehne im rechten Knie durchgehalten hat.

Die Verletzung bedeutet extreme Einschränkung der Bewegungsfähigkeit in einer Disziplin, die sich aus ein paar tausend kleinsten Einzelteilen zusammensetzt. Aus und vorbei, für normale Menschen. Auch Harting war verzweifelt, er hat aber nie aufgegeben – und wird nun mit dem Kampf um die EM-Medaillen belohnt.

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Seit Wochen ist dieser finale Wettkampf sein großes Thema. Die ARD zeigte den Film „Sechsviertel“ auf dem Weg dorthin, ein Team verfolgte ihn fast ein Jahr lang auf Schritt und Tritt. In der Berliner City ist im Rahmen des „Festival of Lights“ eine überdimensionale Projektion des London-Olympiasiegers auf der Fassade eines Hochhauses zu sehen. Harting, der dreimalige Sportler des Jahres, will mitnehmen, was geht: „Ich bin voller Vorfreude und gehe am Finaltag angstfrei ins Stadion.“ Technisch sei er nicht zufrieden gewesen, auch nicht mit den erzielten 63,29 Metern. „Ich hoffe, ich kann noch was drauflegen. Ich bin in der Verfassung, morgen einen guten Wettkampf zu machen.“

Christoph Harting warf dreimal ins Netz

Andere hätten seine Weite an diesem Tag gern erreicht. Daniel Jasinski etwa, der nicht über 60,10 Meter hinauskam. Der 29-Jährige war tief enttäuscht: „Es lief nicht rund, einfach scheiße.“ Die Würfe seien zu „oberkörperbetont“ gewesen, „dann fehlen eben die Prozente, um ins Finale zu kommen“.

Mehr als Prozente fehlten dem 28-Jährigen, der in seiner Heimatstadt den EM-Titel gewinnen wollte. Als Viertbester der europäischen Jahresrangliste (67,98) angetreten, war Christoph Harting die größte deutsche Medaillenhoffnung – und zuletzt in blendender Verfassung. Vor gut zwei Wochen bei der Deutschen Meisterschaft in Nürnberg gewann er mit 66,98 Metern im ersten Versuch gleich den Titel. In Berlin gelang ihm nichts Zählbares, als es drauf ankam. Als auch der dritte Wurf des Olympiasiegers im Netz des Diskusrings gelandet war, hatte sich das Thema EM-Titel erledigt. „Ich kann mir nicht erklären, woran es gelegen hat. Das nervt mich. Alles war auf morgen vorbereitet, vielleicht war das das Problem.“ 63 Meter werfe er sonst aus dem Stand. Die hätten für den Endkampf gereicht.

So werden am Mittwoch alle Augen auf den älteren Harting gerichtet sein. Auch wenn dessen Körper sich längst nicht mehr in die gute alte Form bringen lässt. Stattdessen hofft er, im Olympiastadion, seiner Heimat, „von dieser Energie wieder etwas mitnehmen zu können“. Wozu? Er ist doch Olympiasieger geworden, dreimal Weltmeister, zweimal Europameister, zehnmal deutscher Meister. Warum die Quälerei? So denkt Robert Har­ting nicht. Weil sein Ehrgeiz unkaputtbar ist. Und weil „es eine schöne Sache ist, etwas mit Stil zu beenden“, erklärt er, „es ist mir wichtig, das im Nationaltrikot zu tun.“