Paris. Streit mit dem Teamchef, Etappen-Ende im Besenwagen: Viele gute Nachrichten gab es bei der Tour de France von deutschen Fahrer nicht.

Zwischen dem Schrei der Verzweiflung und den Tränen der Freude lagen gerade mal 24 Stunden. Marcel Kittel wachte in Amiens aus einem einwöchigen Albtraum auf, in dem er nach einer erfolglosen Woche Zoff mit seinem eigenen sportlichen Leiter hatte. Für John Degenkolb endete mit seinem ersten Etappensieg eine Leidenszeit. Die beiden gebürtigen Thüringer sind die deutschen Gesichter dieser Tour de France.

Für Marcel Kittel war die Tour ein "absoluter Misserfolg"

Es war nicht mehr richtig überraschend, dass Marcel Kittel das Zeitlimit in La Rosière verpasste. Wie hinter Topsprinter André Greipe lag hinter dem Arnstädter eine Woche zum Vergessen. Platz drei zum Start, danach fünf, und dann gar 118. Dem sportlichen Leiter Dimitri Konischew platzte danach der Kragen. Er kritisierte Kittel öffentlich und warf dem vierzehnfachen Etappensieger Egoismus vor. Am gleichen Tag ließ der 30-Jährige seine Wut im Mannschaftsbus raus.

Die Tour war für Marcel Kittel „ein absoluten Misserfolg“, wie es Teamkollege Rick Zabel ausdrückt. Nach seinem Wechsel von Quick-Step zu Katusha konnte das Kraftpaket nicht an seine fünf Etappensiege von 2017 anknüpfen. Kittel schien die Kritik weitaus näher gegangen zu sein, als er öffentlich zugab. „Die Alpen waren sehr, sehr extrem“, haderte er im Sport1-Interview mit der Strecke, sagte aber auch, dass er „zu 100 Prozent“ in der nächsten Saison für Katusha fahren werde. Bei der am 23. August beginnenden Duetschland-Tour kann es für Kittel eigentlich nur besser werden.

Degenkolb wird immerhin Kopfsteinpflaster-König

Für John Degenkolb hingegen geht es nicht mehr besser. „Da ist jetzt ein Deckel drauf“, sagte der 29-jährige Geraer am Tag nach seinem Etappensieg in Roubaix. Vor drei Jahren gewann der Trek-Segafredo-Fahrer an jenem Ort den Frühjahrsklassiker Paris-Roubaix. Danach folgten Verletzungen und private Rückschläge. Gegen die Kritiker, gegen seine Selbstzweifel krönte sich Degenkolb auf der neunten Etappe zum Kopfsteinpflaster-König und brach in Tränen aus. Ein Bild, das in die deutsche Tour-Geschichte eingehen wird.

Als nächstes führt Degenkolb mit Greipel das deutsche Aufgebot bei der Straßen-EM in Glasgow an. Der 36-jährige Rostocker Greipel war „einfach froh, von der Tour wegzusein“. In Amiens war er bis auf Platz zwei vorgefahren und wurde dann wegen eines Gerangels um 90 Plätze zurückgestuft. Zu Hause angekommen, gab er die Trennung von seinem Team Lotto Soudal bekannt und lieferte sich auf Twitter eine Auseinandersetzung mit dem späteren Etappensieger Arnaud Démare. Diese Tour wird nicht in seine Geschichtsbücher eingehen.

Der Berliner Simon Geschke, ein Lichtblick aus deutscher Sicht

Simon Geschke gelang zwar auch kein Sieg. Der Berliner zählt aber neben Degenkolb zu den Gewinnern der Tour. Wenn andere in den Alpen ächzten oder gar ausschieden – wie Kittel, Griepel, Zabel und Marcel Sieberg – war Geschke in seinem Element. Auf der bergigen 14. Etappe nach Mende fuhr der 32-jährige Sunweb-Profi ein überragendes Rennen und wurde Sechster. Wird es nicht Zeit für die Kapitänsrolle? „Man kann sein Talent schon so einschätzen, das man weiß, wo man steht. Gerade, wenn man mit Tom in einem Team fährt“. Und der Zweitplatzierte Dumoulin weiß, wem er zu verdanken hat, dass er in Paris auf dem Podium steht.