Saint-Lary-Soulan. Nairo Quintana gewann die 17. Etappe der Tour de France. Im Kampf ums Gelbe Trikot setzte Geraint Thomas ein Ausrufezeichen.

Nairo Quintana, dieser drahtige Bilderbuch-Kletterer, musste doch noch lächeln. Als der Kolumbianer das 2215 Meter hohe Dach der diesjährigen Tour de France erreichte, schien er nach der nur 65 Kilometer langen Bergetappe dem Himmel ein Stück näher. Auf dem wolkenbehangenen Gipfel des Col du Portet, im leichten Regen, lachte der 28-jährige Movistar-Profi, das der Anblick eine Freude war.

Geraint Thomas führt mit 1:59 Minuten vor Tom Dumoulin

Sky-Kapitän Chris Froome folgte mit Abstand, aber er war dem Himmel dieser Frankreich-Rundfahrt ein gutes Stück entrückt. 1,6 Kilometer vor dem Ziel hatte der Niederländer Tom Dumoulin angegriffen, der Gesamtführende Geraint Thomas setzte hinterher, aber Froome konnte nicht mehr mitgehen. Der viermalige Tour-Champion war geschlagen, Dumoulin an ihm vorbeigezogen. Die Berge der Pyrenäen, die Quintanas Sieg so hübsch eingerahmt hatten, wirkten in Froomes Fall, als seien sie stumme Zeugen einer Vorentscheidung. Vier Tage vor dem Finale in Paris darf Sky-Teamkollege Thomas vom größten Erfolg seiner Karriere träumen. Der Waliser führt mit 1:59 Minute vor Dumoulin. „Ich bin jetzt in einer gute Position, aber ich denke immer noch von Tag zu Tag“, sagte der 32-Jährige bescheiden. "Alles kann noch passieren."

Chris Froome liegt nochmals 32 Sekunden hinter Sunweb-Kapitän Dumoulin. „Geraint hat ein absolut brillantes Rennen bestritten. Er verdient es völlig, hier in Gelb zu sein“, sagte Froome. „Ich drücke die Daumen, dass er den Job bis Paris erledigt bekommt.“

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Der Plan des Tour-Veranstalters ist damit aufgegangen. Auf der kürzesten Etappe seit 30 Jahren von Bagnères-de-Luchon nach Saint-Lory-Soulan sollte sich niemand mehr wegducken können. Dazu richtete die Aso sogar einen Formel-1-Start ein. „Die Idee ist, das Rennen vorne zu animieren“, sagte Tour-Direktor Chris Prudhomme. „Wir wollten die Etappen abwechslungsreicher gestalten und damit die Fans begeistern, insbesondere die jüngeren.“ Hunderttausende waren zu den drei Anstiegen gepilgert, beim 16-Kilometer langen Bergfinale schienen sogar mehr als in den 21 Kehren nach Alpe d’Huez am Streckenrand zu sein. Das lange Drama einer normalen Bergetappe war komprimiert zu einem fiebrigen Kurzfilm, dessen Trailer nicht nur das Blut in den Adern der Fahrer gefrieren ließ. „Jeder hat Angst, hier zu verlieren“, sagte Luke Roberts, sportlicher Leiter bei Sunweb. „Es ist ein neues Konzept, über das jeder redet. Das ist gut für den Radsport.“

Peter Sagan ist das Grüne Trikot nicht mehr zu nehmen

Und gut für Bewegung im Gesamtklasement. Vor der 17. Etappe hatten sich die ärgsten Konkurrenten Thomas, Froome und Dumoulin in einem sicheren Pattzustand gehalten. Doch die Turbo-Etappe mit Grid-Start sollte vor allem Zeitfahrweltmeister Tom Dumoulin liegen. „Wenn ich die Beine habe, werde ich da sein. Immer“, hatte der 27-Jährige angekündigt. Am Mittwoch hatte er die Beine, jede Tempoverschärfung ging der Niederländer mit. Erst, als Geraint Thomas kurz vor dem Ziel nochmals antrat, ließ der Giro-Sieger von 2017 den Waliser fahren.

Angesichts der Kletterpartie war die Sorge bei den Sprintern groß, das Zeitlimit und damit die relative Flache Etappe an diesem Donnerstag nach Pau zu verpassen. Etliche Sprinter, darunter die deutschen Marcel Kittel und André Greipel waren der Alpen-Tortur zum Opfer gefallen. Peter Sagan hatte sie müde überstanden. Seit Dienstag steht fest, dass der 28-jährige Slowake Erik Zabels Rekord in Paris einstellt. Mathematisch ist dem dreimaligen Etappensieger das sechste Grüne Trikot nicht mehr zu nehmen. „Außer wenn er stürzt oder krank wird. Das kommt immer in der dritten Tourwoche“, gab Bora-Teammanager Ralph Denk im Gespräch mit dieser Redaktion zu Bedenken. Seine Befürchtungen wurden wahr.

Auf der Abfahrt vom Col de Val Louron-Azet stürzte Sagan. Minutenlang gab es keine Informationen, im Fernsehen war der Vorfall nicht zu sehen. Dann meldete der Transponder Bewegung, Sagan fuhr weiter. Tatsächlich erreichte der dreimalige Weltmeister noch im Zeitlimit das Ziel. Allerdings stieg er mit zerrissenem Trikot und Schürfwunden vom Rad. Nach einer medizinischen Untersuchung gab Sagan Entwarnung. „Ich werde weiterfahren können.“ Er habe eine Kurve falsch eingeschätzt: „Ich habe nicht genug gebremst und landete im Wald.“