Franzosen im Rausch: „Wir sind auf dem Dach der Welt“
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Von Pit Gottschalk
Moskau. Frankreich ist Fußball-Weltmeister 2018! Beim 4:2 im Finale gegen Kroatien fiel erstmals in einem WM-Endspiel ein Tor nach Videobeweis.
In der Sekunde, als Schiedsrichter Nestor Pitana mit einem Elfmeterpfiff seinen Lauf über 50 Meter vom Monitor am Spielfeldrand zurück zum Strafraum der Kroaten beendete, schickte der Himmel einen krachenden Seufzer ins Luschniki-Stadion. Ein Donnerhall entwich den dunklen Wolken über Moskau und begleitete den französischen Angreifer Antoine Griezmann zum Abschluss eines wirklich historischen Ereignisses. Frankreich ist zum zweiten Mal seit 1998 Weltmeister — und diese eine Szene drehte ein spektakuläres Finale zu seinen Gunsten.
4:2 (2:1) über Kroatien, das torreichste WM-Endspiel seit 1966: „Das ist zu schön, zu wunderbar“, schwärmte der neue Weltmeister-Trainer Didier Deschamps. Nichts wollte er davon hören, dass er jetzt nach Mario Zagallo und Franz Beckenbauer der Dritte ist, der als Trainer und Spieler Weltmeister wurde: „Ich bin überglücklich für das Team. Wir kommen von super weit her, es war nicht immer einfach. Jetzt sind wir auf dem Dach der Welt.“
Überglücklich im Regen von Moskau
Als die Franzosen mit dem Goldpokal noch immer freudetrunken über den Rasen tanzten, nass bis auf die Knochen und überglücklich als neue Weltmeister, hatte der Himmel alles gegeben, was die WM 2018 zum Abschluss brauchte. Donnerhall vor dem Führungstor. Goldenes Lametta aus Konfettimaschinen. Und Regenfälle bei der Siegerehrung, wie man sie wohl noch nie bei einem WM-Endspiel gesehen hatte. Da passte ins Bild: Die Tore fielen wie aus heiterem Himmel.
Die Gewinner und Verlierer der WM 2018
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Zum ersten Mal in 88 Jahren WM-Geschichte gab es in einem Finale ein Tor dank Videobeweis, weil der Unparteiische aus Argentinien lieber TV-Bildern als seinen Augen vertraute. Nachdem er sich die Szene im Video angeschaut hatte, war er sich sicher, dass der frühere Dortmunder Ivan Perisic, sieben Minuten vorher Torschütze des Ausgleichs, den Ball in Minute 35 mutwillig mit der Hand im Strafraum berührt hatte. Griezmann verwandelte den Strafstoß sicher.
Die Bilanz von drei Toren in den ersten 45 Minuten und die Aufregung um die Intervention beim Videobeweis waren Indizien dafür, dass es sich um ein spektakuläres WM-Endspiel handelte. Zumal es noch einen weiteren Grund für heftige Diskussionen gab. Die Franzosen hatten ihr erstes Tor nach 18 Minuten geschenkt bekommen.
Griezmann schlenzte einen Freistoß, der wahlweise aus einem Allerweltsfoul oder einer Schwalbe entstanden war, aus 25 Metern so geschickt in den Strafraum, dass Kroatiens Stürmerstar Mario Mandzukic den Ball mit dem Kopf unglücklich über seinen fangbereiten Torwart Danijel Subasic ins Tor lenkte. Das erste Eigentor in einem WM-Finale. Und typisch für diese WM: Gelingt Frankreich keine Torchance aus dem Spiel, muss eine Standardsituation zum Erfolg führen.
Die WM der Tore nach Standards
Beinahe jeder zweite Treffer fiel bei dieser WM nach einer Standardsituation. Und so ging es in diesem Finale weiter. Ein Freistoß des Ex-Schalkers Ivan Rakitic segelte zunächst halbrechts in den Strafraum des Gegners, als der Ball vom Frankfurter Ante Rebic überraschend quer zu Perisic weitergeleitet wurde. Der legte sich den Ball zum Schuss aus halblinker Position zurecht. Bisher lagen die Kroaten jedesmal in der K.o.-Runde zurück und kamen zum Ausgleich.
Dann jene 35. Minute, die in die Geschichte des Fußballs eingeht – weil es nie zuvor einen Videobeweis in einem WM-Finale gegeben hatte. Nach Griezmanns Elfmetertor mussten die Kroaten offensiver werden. Aber sie kamen nach der Pause nur sporadisch vors Tor und öffneten die eigene Verteidigung auf eine Weise, dass Frankreich jetzt die spielerische Überlegenheit in Toren ausdrücken konnte. Zuerst durch Paul Pogba (59.), dann durch Kylian Mbappé (65.).
WM Endspiel
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Das dritte Tor durch Pogba: Nach einer Verlagerung auf rechts zieht Mbappé Verteidiger auf sich; sein Pass gelangt zu Griezmann im Zentrum, der klug auf Pogba im Hintergrund ablegt. Der erste Schuss wird abgeblockt, der Nachschuss sitzt. Das vierte Tor durch Mbappé: Lucas Hernandez kann sich links durchsetzen und zu Mbappé passen, der aus 18 Metern flach ins linke Eck abzieht. Das Spiel schien damit nach einer Stunde entschieden.
Doch lernte man in diesem Finale noch, dass ein Torhüter, der die Reihenfolge der Buchstaben L, O, R, I und S irgendwie im Namen trägt, grundsätzlich zu folgenschweren Patzern in einem Endspiel neigt. Wie Loris Karius (FC Liverpool) im Endspiel der Champions League gegen Real Madrid beförderte Frankreichs Torwart Hugo Lloris einen harmlosen Befreiungsschlag so unglücklich auf den Fuß des gegnerischen Stürmers, dass der Ball postwendend ins Tor trudelte.
In dem Fall profitierte Mandzukic vom Lloris-Missgeschick. Mehr als Ergebniskosmetik war’s aber nicht. Die kroatischen Fans, unter 80 000 Zuschauern in der Überzahl, feierten ihre Spieler trotzdem für den größten Erfolg der Verbandsgeschichte. Und zwar so, als seien sie soeben Weltmeister geworden.