Auffällig viele Unternehmenspleiten in Schleswig-Holstein. Auch zahlreiche Verbraucher müssen den Weg zum Amtsgericht antreten.

Kreis Segeberg. Der Wirtschaftsaufschwung nimmt Fahrt auf, aber bei den Amtsgerichten in Schleswig-Holstein häufen sich die Insolvenzverfahren - und das in einem erheblichen Ausmaß. Zu diesem Ergebnis kommen unabhängig voneinander das Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein und das Fachmagazin rund um das Insolvenzgeschehen, "INDAT-Report". Auffällig hoch sind die Unternehmenspleiten im Kreis Segeberg. Auch die Zahl der Verbraucherinsolvenzen ist angestiegen.

Im ersten Halbjahr sind in Schleswig-Holstein 647 Anträge auf Unternehmensinsolvenz gestellt worden - 35 mehr als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres. Allerdings: 2010 sind weniger Arbeitnehmer (2915) betroffen als 2009 (3111 Personen). Am häufigsten betroffen ist der Wirtschaftsbereich "Handel": In 146 Fällen ist es zu einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gekommen - die meisten Firmen kommen aus dem Baugewerbe (110).

Der Kreis Segeberg nimmt bei den Unternehmens- und Verbraucherinsolvenzen eine herausragende Stellung in Schleswig-Holstein ein. Im ersten Halbjahr 2010 haben 64 Unternehmen Insolvenz angemeldet - nur der Kreis Plön ist mit 80 Unternehmensinsolvenzen auffälliger. Im Kreis Pinneberg sind 47 Betriebe Pleite gegangen, im Kreis Stormarn 37, im Kreis Herzogtum Lauenburg 27. Im direkten Hamburger Umland hat der Kreis Segeberg damit die Spitzenstellung.

Warum das so ist, erklärt Lars Schöning, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Lübeck: "Im Kreis Segeberg sind viele Industrieunternehmen und Unternehmen mit Exportschwerpunkt vertreten, die in besonderem Maße von der Finanzkrise betroffen waren." Denn diese Krise macht der Kammer-Vize als Hauptursache für die Zunahme der Unternehmenspleiten aus. "Die Zahl der Insolvenzen nimmt nach jeder Rezession zu und erreicht ihren Höhepunkt in der Regel ein halbes Jahr nach der Krise", sagt Lars Schöning. Der Kreis Segeberg liegt nach seinen Beobachtungen damit genau im Trend der anderen wirtschaftsstarken Gebiete in Deutschland.

HAMBURG IST SCHLUSSLICHT BEI FIRMENPLEITEN

Den Hauptteil der Firmenpleiten im Kreis Segeberg fällt in den Bereich "Einzelunternehmen, Freie Berufe, Kleingewerbe" (27). Das Baugewerbe ist mit zwölf Insolvenzen vertreten.

Sprunghaft angestiegen sind die Verbraucherinsolvenzen im Kreis Segeberg. Alleine beim Norderstedter Amtsgericht wurden in den ersten acht Monaten dieses Jahres 206 Verfahren eröffnet. Das entspricht einer Steigerung von 30 Prozent gegenüber 2010. Betroffen sind 109 Frauen und 97 Männer. Das hat der Kölner "INDAT-Report" ermittelt. Das Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein erfasst nur das erste Halbjahr und kommt im gesamten Kreis Segeberg bis zum 30. Juni 2010 auf 256 Verbraucherinsolvenzen. Der Kreis Pinneberg liegt mit 265 Insolvenzen etwas höher, ansonsten nimmt der Kreis Segeberg auch in diesem Bereich eine Spitzenstellung ein.

Thomas Hagen, Sprecher der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein, rechnet damit, dass die Zahl der Verbraucherinsolvenzen als Folge der Wirtschaftskrise noch ansteigen wird: "Viele Menschen sind arbeitslos geworden und spüren die Auswirkungen erst nach einiger Zeit, wenn das Finanzgefüge zusammenbricht." Auch Ehescheidungen seien häufige Gründe für private Überschuldungen.

Ein zunehmendes Problem sieht der Verbraucherschützer in der steigenden Zahl von überschuldeten Jugendlichen und jungen Erwachsenen. "Die Verbraucherwelt ist sehr viel komplexer und schnelllebiger geworden, sodass insbesondere Menschen mit geringem Bildungsgrad der Anbieterseite häufig hilflos ausgeliefert sind", sagt Thomas Hagen. "Viele junge Menschen sehen als einzigen Weg die Privatinsolvenz, um die Schulden loszuwerden."

Im vergangenen Jahr ist die Anzahl der langfristigen Beratungen in den Schulder- und Insolvenzberatungsstellen der Verbraucherzentrale nach seinen Angaben um 14,4 Prozent gestiegen. Im Kreis Segeberg gibt es spezielle Beratungsstellen in Bad Segeberg und Kaltenkirchen. Die durchschnittliche Verschuldung in Kaltenkirchen betrug 37 341 Euro in Bad Segeberg sogar 49 853 Euro pro Einzelfall.