Berlin. Trotz eines fulminanten Wahlsiegs droht der CDU die Opposition. In Berlin wird schmerzhaft deutlich, welches Problem die Partei hat.

Ein Pyrrhussieg ist ein Erfolg, der mit großem Einsatz errungen wurde und der den Sieger ähnlich stark schwächt wie den Unterlegenen. Man kann nicht in die Köpfe der führenden Christdemokraten im Bund und im Land Berlin schauen.

Der eine oder andere von ihnen dürfte gleichwohl ahnen, dass sich der Triumph der Berliner CDU bei der Wiederholungswahl vom Sonntag am Ende wie ein Pyrrhussieg anfühlen könnte: Als einer, der nicht zum Ziel führt und die eigenen Defizite deutlich macht.

CDU: Trotz Wahlsieg droht die Oppositionsbank

Am Montag gaben sich CDU-Chef Friedrich Merz und der Berliner Spitzenkandidat Kai Wegner freilich forsch und selbstbewusst: Nach dem klaren Wahlsieg liege der Regierungsauftrag in der Hauptstadt eindeutig bei ihrer Partei, Rot-Grün-Rot sei abgewählt.

Das Problem ist nur, dass bisher weder die SPD noch die Grünen Interesse signalisieren, Juniorpartner in einer unionsgeführten Landesregierung zu werden. Sie liebäugeln damit, das bisherige Dreierbündnis mit der Linken fortzusetzen. Diese Konstellation mag gerupft aus den Wahlen hervorgegangen sein. Sie hätte aber immer noch eine stabile Mehrheit im Landesparlament.

Berlin ist wie ein Brennglas – für die CDU hat das einen unsanften Effekt

Berlin ist die größte Stadt Deutschlands, die einzige deutsche Metropole mit Weltrang. Als Bundesland spielt die Stadt eine untergeordnete Rolle. Nicht einmal fünf Prozent der Bevölkerung leben hier. Anders als eine Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg lässt ein Urnengang in Berlin keine Rückschlüsse auf die Stimmungslage in der gesamten Republik zu.

Gleichwohl treten hier viele politische Entwicklungen wie unter einem Brennglas hervor. Das gilt auch für Veränderungen der Parteienlandschaft. Und was die CDU betrifft, so wird die Bundespartei dieser Tage in Berlin unsanft daran erinnert, dass es eben nicht reicht, bei einer Wahl als Nummer Eins durchs Ziel zu gehen. Eine Partei braucht auch realistische Machtoptionen. Denn die Verfassung interessiert sich nicht für Wahlsieger. Sondern für Mehrheiten im Parlament.

Der Union fehlen die Stimmen der AfD

Thorsten Knuf, Politikkorrespondent
Thorsten Knuf, Politikkorrespondent © Reto Klar | Reto Klar

Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre, dann könnte es der CDU im Bund mit einem Spitzenkandidaten Merz genauso ergehen wie jetzt in Berlin. Sie würde vor allen anderen Parteien liegen. Ob es ihr gelänge, danach eine Koalition auf die Beine zu stellen, wäre aber ungewiss. Die bürgerliche FDP allein ist als Mehrheitsbeschafferin zu schwach. SPD und Grüne wären, wenn überhaupt, nur mit größten Zugeständnissen zu einem Bündnis zu bewegen. Ein Bündnis mit der Linken schließt die Union aus, ihm wäre ohnehin kein langes Leben beschieden.

Das größte strategische Problem der CDU ist und bleibt die AfD: Fast zehn Prozent der Stimmen holten die Rechtspopulisten jetzt in Berlin. Im Bund wären es eher 15 Prozent, im Osten eher 25 Prozent. Diese Stimmen fehlen der Union, um wie zu Zeiten Angela Merkels wieder die dominierende Kraft der deutschen Politik zu werden.

Je weiter die CDU nach rechts rückt, desto weniger anschlussfähig wird sie

Merz hatte einst versprochen, die AfD zu halbieren. Passiert ist das nicht. Und je weiter der CDU-Chef seine Partei nach rechts rückt, desto weniger anschlussfähig wird sie in der politischen Mitte. Die AfD ist heute für die CDU das, was vor 15 Jahren die Linkspartei für die Sozialdemokraten war: Der neue Konkurrent vom äußeren Rand des Spektrums, der der Traditionspartei im großen Stil Wähler abspenstig macht und sie strukturell schwächt.

Politik in einem Sechs-Parteien-System ist eine komplizierte Angelegenheit. Zwischen Jubel und Ernüchterung kann mitunter nur eine einzige Nacht liegen. Die Parteien werden sich daran gewöhnen müssen. Und die Wähler auch.