Berlin. Einige Mieter bekommen nachts kein warmes Wasser mehr. Warum sich Verbraucher gegen eine solche Entmündigung wehren sollten.

Obwohl in Deutschland trotz Ukraine-Krieg aktuell kein akuter Mangel in der Gasversorgung besteht, bekommen Mieter erstmals Konsequenzen zu spüren. Angesichts der stark gestiegenen Energiepreise hat eine Wohnungsgenossenschaft zahlreichen Bewohnern im kleinen Städtchen Dippoldiswalde in Sachsen die Warmwasserversorgung eingeschränkt. Die Heizung wird bis September komplett abgestellt.

Diese Maßnahmen sind zwar nicht existenzgefährdend für die Betroffenen, aber definitiv eine unzumutbare Einschränkung der persönlichen Freiheit, die in der jetzigen Situation unangebracht und übergriffig sind.

Warmwasser gibt es nur noch zwischen 4 und 8 Uhr, 11 und 13 Uhr sowie 17 und 21 Uhr. Dazwischen fließt eiskaltes Nass aus den Hähnen. Was macht der Schichtarbeiter, der spät von der Arbeit kommt und sich vorm Schlafen duschen möchte? Was macht die Mutter, die ihrem Säugling nachts nach dem Windeln wechseln noch mal den Popo waschen möchte? Reinigung mit eiskaltem Wasser? Nur weil der Vermieter das so verfügt?

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Ukraine-Krieg verteuert Gas: Kein Grund für Beschränkungen

Die Beschlüsse sind ein eklatanter Eingriff in die Privatsphäre, die sich niemand ohne Not gefallen lassen sollten. Die 24-stündige Versorgung mit Warmwasser gehört hierzulande zum rechtlich gesicherten Wohnstandard. Fließt das Wasser nicht rund um die Uhr warm, ist dies ein Mangel, der Grund für Mietsenkungen ist.

Die Genossenschaft begründet die Einschränkungen mit ihrem Wunsch, „dass Mieter gut durch diese Krise kommen“. Die Absicht mag vielleicht gut gemeint sein, ist aber der falsche Weg. Mit ihr sind keinerlei Einsparungen verbunden, die zu niedrigeren Rechnungen führen könnten. Kann man doch auch zwischen 4 und 8 Uhr eine halbe Stunde statt wenige Minuten unter der Dusche verbringen. Vielmehr ist es eine überholte Form autoritärer Erziehung und gleicht einer Entmündigung erwachsener Menschen.

Gas ist noch nicht knapp: Aber allen drohen Nachzahlungen

Beate Kranz ist Wirtschaftsredakteurin der Funke Medien Gruppe
Beate Kranz ist Wirtschaftsredakteurin der Funke Medien Gruppe © Reto Klar | Reto Klar

Auch wenn manche diese „Erziehungsmaßnahmen“ nicht so schlecht finden, sollte man in einer Demokratie auf die Selbstbestimmung der Menschen setzen. Dazu gehört auch die Freiheit, seinen Tagesablauf nach eigenen Bedürfnissen zu strukturieren und nicht nach dem Zeitkorsett einer Wohnungsgenossenschaft.

Fakt bleibt: Wohl jedem Mieter, Wohnungs- oder Hausbesitzer drohen dieses Jahr Nachzahlungen bei den Energienebenkosten – teils könnte der doppelte Betrag oder sogar mehr fällig werden. Um Mieter vor einem zu großen Schock der nächsten Nachzahlung zu bewahren, sollten deshalb besser die

Abschlagszahlungen schon jetzt zeitnah angepasst werden, damit sich jeder auf die höhere Summe einstellen kann. Das ist auch für Sozialwohnungen notwendig, wo Menschen mit eher niedrigen Einkommen und Hartz-IV-Empfänger leben, die hunderte Euro Mehrkosten nicht aus der Portokasse bezahlen können.

Ukraine-Krieg: Teure Energie belastet vor allem Geringverdiener

Die Energiepreisexplosion infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine ist für alle eine Zumutung, aber vor allem für Geringverdiener eine riesige vielleicht sogar ruinöse Belastung. Sie sollten deshalb durch den Staat gezielt finanziell unterstützt werden. Es darf nicht sein, dass die Ärmeren im nächsten Winter frieren müssen, weil sie sich die Heizung nicht leisten können.

Sollte das Gas tatsächlich knapp werden, die Versorgung staatlich verordnet verringert werden und Verbraucher in kühleren Räumen leben müssen und weniger warmes Wasser verbrauchen dürfen, so sollten diese Maßnahmen ausnahmslos für alle gelten. Das gebietet die Solidarität. Doch ab wann eine Not ausgerufen wird, die außergewöhnliche Maßnahmen erfordert, sollte nicht eine Genossenschaft bestimmen, sondern die demokratisch legitimierte Bundesregierung.

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