London. Der britische Premier Boris Johnson gewinnt nach dem nach “Partygate“ das Misstrauensvotum. Das Ergebnis ist für ihn dennoch verheerend.

Es ist ein Sieg für Boris Johnson, aber gleichzeitig eine deftige Ohrfeige. Der Premierminister hat eine Vertrauensabstimmung der Tory-Fraktion zwar formell gewonnen, aber 148 Abgeordnete haben ihm die Unterstützung versagt – weit mehr, als seine Anhänger erwartet hatten.

Das Votum fand statt, nachdem in den vergangenen Wochen immer mehr Tory-Abgeordnete Misstrauensbriefe gegen ihren Chef eingereicht hatten. Wenn 15 Prozent der Fraktion – 54 Abgeordnete – einen solchen Antrag einreichen, wird automatisch eine Vertrauensabstimmung ausgelöst. Diese Zahl wurde übers Wochenende erreicht, das Votum fand am Montagabend statt. Insgesamt gaben 359 Tory-Abgeordnete ihre Stimme ab, 211 sprachen Johnson das Vertrauen aus, 148 taten es nicht. Lesen Sie hier: Partygate: Skandal-Bericht enthüllt haarsträubende Details

Johnson gewinnt Misstrauensvotum – wegen fehlender Alternative?

Für viele Tory-Abgeordnete, die ihm am Montag den Rücken gestärkt haben, dürfte eine Tatsache entscheidend gewesen sein: das Fehlen einer besseren Alternative. Zwar gibt es einige prominente Politiker, die gern das höchste Amt übernehmen würden. Aber viele Tories zweifeln offenbar, dass ihre Partei mit diesen Spitzenkandidaten in den nächsten Wahlen besser abschneiden würden als unter Johnson.

Der Premierminister hat den ganzen Montag damit verbracht, solche Zweifel zu nähren. Parteikollegen sagten gegenüber der Presse, dass er fiebrig um die Gunst von Kollegen gebuhlt habe, indem er ihnen Regierungsjobs versprach. Johnson hat zudem jedem Fraktionsmitglied einen Brief geschickt und persönlich unterschrieben – es soll ihn eine Stunde gekostet haben. Am Nachmittag traf er sich zu einer Unterredung mit Tory-Hinterbänklern, um für sich selbst Werbung zu machen. Er versprach: „Das beste kommt erst noch.“ Auch interessant: Johnson muss wegen "Partygate" Strafe zahlen

Boris Johnson verliert an Popularität bei Konservativen

Diese Versuche, seine eigene Haut zu retten, waren am Ende erfolgreich. Dass so viele seiner Abgeordneten jedoch gegen ihn gestimmt haben, ist ein deutliches Zeichen, wie sehr seine Autorität innerhalb der Partei geschrumpft ist. Die Party-Affäre hat seinen Ruf dauerhaft ramponiert – sie ist der Grund, weshalb es überhaupt zu einem Misstrauensvotum gekommen ist. Vor allem der interne Bericht der Staatsbeamtin Sue Gray hat etliche Abgeordnete dazu bewegt, die Demission ihres Chefs zu fordern. Gray legte ihren Report vor knapp zwei Wochen vor, sie zeichnet darin das Bild einer Regierung, der jeder Anstand fehlt und die sich selbstherrlich über die Regeln, die sie dem Rest des Landes vorgeschrieben hat, hinwegsetzt. Lesen Sie auch: Porno-Skandal: Britisches Parlament hat Sexismus-Problem

Wie tief der Premierminister gefallen ist, zeigte sich am Wochenende während der Jubiläums-Feierlichkeiten für die Queen. Als Johnson vor der Londoner St-Pauls-Kathedrale zum Gottesdienst vorfuhr und neben seiner Gattin Carrie die Treppe hinaufstieg, ging ein lauter Chor von Buh-Rufen durch die Menschenmenge. Das waren, wohlgemerkt, keine Labour-Parteigänger, sondern eher konservativ eingestellte Anhänger der Monarchie – ein Hinweis darauf, wie tief der Frust der Bevölkerung ist. Ähnlich entmutigend für die Tories nehmen sich auch die Meinungsumfragen aus. Sagten vor einem Jahr weniger als 50 Prozent, dass Johnson einen schlechten Job mache, waren es vor einem Monat 68 Prozent. So ist zu erwarten, dass die Probleme für Johnson in den kommenden Monaten noch zunehmen werden.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.