Mehrere Krisen bedrohen die Welt. Die unsichere Lage ist auch ein Belastungstest für die neue Bundesregierung, meint Michael Backfisch.

Man kann es ohne Übertreibung sagen: Es gibt in diesem Jahr so viele Krisen auf der Welt wie lange nicht. Alles wird überlagert durch die Corona-Pandemie, die den Globus fest im Griff hat. Für zusätzliche Spannungen sorgt die zunehmende Aggressivität autoritärer Regime wie Russland und China.

Kremlchef Wladimir Putin droht dem Westen erstmals mit „roten Linien“ – keine Osterweiterung der Nato, keine Waffenlieferungen in die Ukraine. Peking zeigt mit seiner Politik der eisernen Faust in Hongkong oder der autonomen Region Xinjiang, was es von Menschenrechten nach westlicher Lesart hält: nichts.

Michael Backfisch, Politik-Korrespondent
Michael Backfisch, Politik-Korrespondent © Reto Klar | Reto Klar

Trotz dieser Ballung an Krisen besteht kein Grund zur Verzweiflung. In der Pandemie gilt: Gelassenheit, langer Atem und der Blick über die Grenze. Die ärmeren Länder – vor allem in Afrika – sollten noch mehr unterstützt werden. Das internationale Impfprogramm Covax hat zwar von den reichen Industriestaaten Geld und Spenden für Impfstoffe erhalten. Doch es ist zu wenig. In einer globalisierten Welt gibt es erst Sicherheit, wenn alle sicher sind.

Mit Blick auf Russland und China steht der Westen keineswegs auf verlorenem Posten. Der ausgebuffte Machtpolitiker Putin versucht, die geopolitische Großwetterlage für sich zu nutzen. Er hat erkannt, dass US-Präsident Joe Biden vor allem den Hauptrivalen China im Visier hat. Der Kremlchef sieht seine Chancen zusätzlich wachsen, weil sich Europa im Übergang befindet.

Doppeltstrategie des Westens

Die neue Bundesregierung muss sich erst noch sortieren, die französische Präsidentschaftswahl im April kann durchaus Überraschungen bringen.

Die richtige Methode gegen Putins Vabanquespiel ist eine Doppelstrategie des Westens. Der Dialog zwischen Amerikanern und Russen am 9. und 10. Januar in Genf ist ebenso richtig wie die Reaktivierung des seit mehr als zwei Jahren stillgelegten Nato-Russland-Rats am 12. Januar.

Sollte Moskau sich jedoch zu militärischen Aggressionen in der Ukraine hinreißen lassen, müssen härteste Sanktionen die Antwort sein. Der Ausschluss Russlands vom internationalen Zahlungssystem Swift bis hin zum Importstopp von russischem Öl und Gas gehören in den Instrumentenkasten. Essenziell ist jedoch: Amerikaner und Europäer müssen absolut geschlossen handeln.

Das Gleiche trifft auf China zu. Bei Menschenrechtsverstößen müssen Europäer und Amerikaner eine klare Sprache sprechen und im Schulterschluss auftreten. Im Extremfall dürfen auch Sanktionen kein Tabu sein. Megafon-Diplomatie ist allerdings kon­traproduktiv. Der Dialog – und sei er auch informell – sollte nie abreißen.

Scholz und Baerbock müssen einen gemeinsamen Nenner kommen

Die schwierige Weltlage wird auch zum Belastungstest für die neue Bundesregierung. Kanzler Olaf Scholz (SPD) ist für seinen Pragmatismus vis-à-vis Russland und China bekannt, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat sich immer wieder für eine klare Kante gegen Moskau und Peking starkgemacht. Beide müssen auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Eine dissonante deutsche Position würde nicht nur die Ampel-Koalition, sondern auch Europa schwächen.

Dazu gehört auch die enge Abstimmung mit Amerika. Präsident Biden steht innenpolitisch unter Beschuss. Sein Vorgänger Donald Trump lauert. Sollten dessen Republikaner bei den Kongresswahlen in knapp einem Jahr eine der beiden Kammern zurückgewinnen, würde eine Eigendynamik gegen Biden entstehen.

Für die Europäer heißt dies: Sie sollten das ihre tun, damit der Präsident Erfolg hat. In einer unsicheren Weltlage wie dieser kommt es noch mehr als sonst auf die Solidarität der Demokraten an. Wenn 2024 erneut Trump oder ein Trumpist im Weißen Haus säße, dann hätte Europa ein echtes Problem.