Berlin. Die Zahl der Afghanen, die auf eine Familienzusammenführung warten, hat sich seit Mai fast verdoppelt. Die Linksfraktion übt Kritik.

Fast 6000 afghanische Angehörige warten derzeit auf einen Termin für den Familiennachzug nach Deutschland. Das geht aus der Antwort des Auswärtigen Amts auf eine Schriftliche Frage der Linksfraktion im Bundestag hervor, die unserer Redaktion vorliegt.

Demnach warteten Anfang Dezember 3889 Personen aus Afghanistan auf einen Termin zur Beantragung eines Visums in der deutschen Botschaft in Islamabad, Pakistan. In der Auslandsvertretung im indischen Neu-Delhi wurden zur gleichen Zeit 1818 afghanische Familienangehörige registriert, die auf einen Termin in der Botschaft hoffen. Die deutsche Botschaft in Kabul wurde bereits 2017 geschlossen.

Auswärtige Amt geht von niedrigeren Zahlen aus

Insgesamt 5707 Menschen aus Afghanistan stehen demnach auf der Warteliste für einen Termin zur Familienzusammenführung. Dem Außenministerium zufolge hat sich die Zahl seit vergangenem Mai fast verdoppelt. Im August kam es nach dem Abzug westlicher Einsatztruppen zur Machtübernahme durch die radikalislamistische Terrororganisation, die Taliban.

Wie das Auswärtige Amt mitteilte, könne es bei der Terminvergabe zu Doppel- und Fehlbuchungen kommen. Dort geht man davon aus, dass die tatsächliche Zahl der registrierten Personen nach aktueller Einschätzung niedriger ist als angegeben. Lesen Sie auch: So gefährlich ist der Taliban-Staat für Frauen

Linken-Politikerin zu Lage in Afghanistan: „Das ist inakzeptabel“

„Die Angehörigen in Afghanistan können nicht länger warten“, erklärt die Linken-Politikerin Gökay Akbulut unserer Redaktion. „Der Terror der Taliban und die drohende Hungersnot sind extrem bedrohlich.“ Die Bundestagsabgeordnete kritisierte zudem die lange Bearbeitungszeit der Visaverfahren.

Akbulut führt das auf den ihrer Ansicht nach zu knappen Personalstand in den Botschaften zurück. In der Visastelle in Islamabad arbeiten laut Auswärtigen Amt 27 Mitarbeiter, in Neu-Delhi sind es 20. Damit befindet sich der Personalstand auf dem Niveau vom Mai 2017. „Wenn die Visumsbearbeitung im derzeitigen Tempo weitergeht, dauert es Jahre, bis alle Anträge bearbeitet sind“, befürchtet Akbulut. „Das ist inakzeptabel.“

Die Politikerin sieht die neue Bundesregierung nun in der Pflicht, die Visavergabe für Familienangehörige in Afghanistan zu beschleunigen. „Hier bedarf es drastischer Maßnahmen und einen Mentalitätswechsel im Auswärtigen Amt.“

Mehrere Millionen Kinder leiden an Hunger

In Afghanistan spitzt sich die Lage dramatisch zu. Immer mehr Kinder hungern. Seit die Taliban Mitte August die Macht übernommen hat, ist die Zahl der Kinder, die nicht genug zu essen bekommen, um 3,3 Millionen gestiegen. Das berichtet die Nichtregierungsorganisation Save the Children. Es werde erwartet, dass in diesem Winter 14 Millionen Kinder Hunger leiden. Die Folgen sind lebensbedrohlich. Zudem kämpft das Land mit einer der schwersten Dürren der zwei vergangenen Jahrzehnte.

In Afghanistan steht die Gesundheitsversorgung kurz vor dem Kollaps. Viele stark unterernährte Kinder könnten nicht die notwendige spezialisierte Behandlung erhalten, um zu überleben. (mit dpa)