Berlin. Unter Joe Biden dreht sich die Stimmung: 71 Prozent der Deutschen sehen die USA wieder als Partner. Sorge bereitet aber China.

Das unter Donald Trump schwer belastete deutsch-amerikanische Verhältnis hat sich nach der Amtsübernahme von US-Präsident Joe Biden Meinungsumfragen zufolge deutlich verbessert. 71 Prozent der Menschen in Deutschland hielten die bilateralen Beziehungen inzwischen wieder für gut oder sehr gut, wie die Körber-Stiftung am Montag mitteilte.

Ein Jahr zuvor lag dieser Wert nur bei 18 Prozent. In einer parallelen Umfrage des Instituts Pew in den USA fiel der Kontrast zum Vorjahr weniger deutlich aus: Dort gaben 85 Prozent der Befragten an, das Verhältnis zu Deutschland sei gut oder sehr gut - nach 74 Prozent im Vorjahr.

Trump hatte mit dem Abzug der US-Truppen aus Deutschland gedroht

Trump hatte Deutschland immer wieder angegriffen. Der Republikaner warf der Bundesregierung zu niedrige Verteidigungsausgaben vor und drohte mit dem Abzug eines bedeutenden Teils der US-Soldaten aus Deutschland. Während seiner vierjährigen Amtszeit verschlechterte sich das deutsch-amerikanische Verhältnis dramatisch.

Trumps Nachfolger Biden hat europäischen Verbündeten wie Deutschland dagegen versprochen, dass die USA wieder ein verlässlicher Partner sind. Gänzlich konfliktfrei ist das Verhältnis allerdings auch seit der Amtsübernahme des Demokraten am 20. Januar nicht.

Für viele Bundesbürger ist Amerika ein wichtigerer Partner als Frankreich

Dennoch zeigt sich der Wandel deutlich: In Deutschland sehen 44 Prozent der Befragten die USA als wichtigsten Partner für die Außenpolitik, deutlich vor dem Nachbarn Frankreich (27 Prozent). Im vergangenen Jahr lag Frankreich mit 44 Prozent klar an erster Stelle, die USA kamen nur auf 10 Prozent.

Unterschiedliche Meinungen gibt es auf beiden Seiten des Atlantiks allerdings zur Bedeutung der Partnerschaft: Pew ermittelte, dass nur 7 Prozent der Amerikaner Deutschland für den wichtigsten außenpolitischen Partner halten - 31 Prozent nannten bei dieser Frage Großbritannien, 13 Prozent Kanada und jeweils 9 Prozent Israel oder China.

Wachsender Einfluss Chinas wird erstmals als negativ empfunden

Die Körber-Stiftung teilte mit, besonders in den Bereichen Verteidigung/Nato (73 Prozent), Freihandel (64 Prozent) und Demokratie/Menschenrechte (63 Prozent) würden die USA von Deutschen als Partner wahrgenommen. Weniger sei das der Fall beim Klimaschutz und im Umgang mit China (jeweils 41 Prozent).

Der wachsende Einfluss Chinas wird zum ersten Mal seit 2017 von einer Mehrheit der Deutschen (55 Prozent) als negativ empfunden, 9 Prozent bewerten ihn positiv und 34 Prozent neutral. Im Vergleich zu Russland wird China auch als größere Bedrohung für Werte in Deutschland wahrgenommen. Während 26 Prozent in Peking eine große Bedrohung sehen, geben das in Bezug auf Moskau nur 16 Prozent der Befragten an.

Kann Olaf Scholz Deutschlands Interessen besser vertreten als Angela Merkel? Viele sind skeptisch

Die Körber-Stiftung fragte auch danach, ob Olaf Scholz (SPD) als Bundeskanzler die Interessen Deutschlands in der Welt besser vertreten könne als Angela Merkel (CDU). 27 Prozent gingen nicht davon aus, 14 Prozent trauten ihm das zu. Rund die Hälfte (51 Prozent) rechnete nicht mit einem großen Unterschied.

Bei den drei wichtigsten Zielen, für die sich der nächste Bundeskanzler innerhalb der EU einsetzen sollte, wird die Stärkung der EU-Außen- und Sicherheitspolitik am häufigsten genannt (65 Prozent), gefolgt vom Erreichen der Pariser Klimaziele (58 Prozent) und der Verteilung von Schutzsuchenden in der EU (51 Prozent).

Afghanistan gilt als größte Herausforderung der deutschen Außenpolitik

Nach dem Abzug der Nato und Bundeswehr vom Hindukusch nennen 31 Prozent der Befragten Afghanistan als größte Herausforderung für die deutsche Außenpolitik. Dennoch bleiben die Deutschen bei der Frage, ob sich ihr Land bei internationalen Krisen stärker engagieren solle, gespalten.

Ein Mitglied der Taliban hält vor dem Versteck eines Ablegers der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in der Nähe von Kandahar Wache.
Ein Mitglied der Taliban hält vor dem Versteck eines Ablegers der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in der Nähe von Kandahar Wache. © AFP | JAVED TANVEER

45 Prozent der Befragten bejahen dies (2020: 44 Prozent). 50 Prozent sprechen sich für internationale Zurückhaltung aus (2020: 49 Prozent). Bei jüngeren Befragten ist dieser Wunsch allerdings weniger stark ausgeprägt: Unter den 18-34-Jährigen befürworten 65 Prozent ein stärkeres deutsches Engagement in der Welt.

Für die 18- bis 34-Jährigen steht der Klimaschutz an erster Stelle

Als zweitgrößte Herausforderung für die deutsche Außenpolitik wird der Klimawandel genannt (21 Prozent). Befragte zwischen 18 und 34 Jahren sehen darin sogar die größte Herausforderung (33 Prozent der Nennungen). Die deutschen Bemühungen um mehr Klimaschutz werden zugleich positiv bewertet: 53 Prozent der Befragten sehen ihr Land als Vorreiter in der EU in Sachen Klimaschutz.

Im Auftrag der Körber-Stiftung wurden vom 2. bis 9. September 1162 Erwachsene in Deutschland befragt. Getrennt davon wurde nach der Bundestagswahl Ende September die Frage nach der außenpolitischen Eignung von Olaf Scholz erhoben (1113 Erwachsene vom 12. bis 14. Oktober). In den USA befragte Pew zwischen dem 7. und dem 12. September insgesamt 1008 Erwachsene.