Berlin. In der CDU sollen die Mitglieder über die Nachfolge von Armin Laschet entscheiden. Besonders einer in der Partei könnte profitieren.

Nach der historischen Schlappe bei der Bundestagswahl will die CDU ihre schwere Krise als Chance zur Erneuerung nutzen: Zum ersten Mal sollen die Mitglieder die Entscheidung über den künftigen Parteivorsitz treffen. An diesem Dienstag wollen Präsidium und Bundesvorstand über ein entsprechendes Votum der CDU-Kreisvorsitzenden vom Sonnabend beraten.

Die mehr als 300 Basis-Vertreter hatten sich bei einer Konferenz in Berlin mit übergroßer Mehrheit für ein solches Verfahren zur Bestimmung ihrer künftigen Parteiführung ausgesprochen. Es ist ein Novum in der Union. Der derzeitige CDU-Chef Armin Laschet hatte nach der Niederlage seinen Rückzug angekündigt und will nun den Übergang regeln.

Ein Parteitag voraussichtlich im Januar soll die komplette Führungsriege neu bestimmen. Die Union hatte mit Laschet als Kanzlerkandidat 24,1 Prozent eingefahren. Es war das schlechteste Ergebnis für CDU/CSU bei einer Bundestagswahl seit 1949.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sieht „ein neues Kapitel der Mitgliederbeteiligung“

Das Abstimmungsergebnis der Kreisdelegierten ist nicht bindend für die CDU-Führung. Es darf aber durchaus als dringliche Empfehlung der Basis angesehen werden, ihr die Entscheidung über die personelle Neubesetzung der Parteispitze zu überlassen. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kündigte an, den Willen der Basis-Vertreterinnen und -Vertreter umzusetzen.

Die CDU schlage „ein neues Kapitel der Mitgliederbeteiligung“ auf. Es habe bei dem Treffen eine überwältigende Mehrheit für ein solches Verfahren gegebenen. Die in der Partei auch diskutierte Doppelspitze sei hingegen „kein großes Thema“ gewesen.

Spahn, Röttgen und Merz begrüßen Mitgliederentscheid über neuen Parteivorsitz

Einige potenzielle Kandidaten, denen Interesse am Posten des CDU-Chefs nachgesagt wird, befürworteten einen Mitgliederentscheid. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen schrieb auf Twitter, er „begrüße, dass unsere Mitglieder auf diese Weise Teil des Neuanfangs der CDU werden“. Präsidium und Vorstand sollten dies respektieren.

Auch Vize-CDU-Chef Jens Spahn lobte die Entscheidung. Sie sei der „Startpunkt der Neuaufstellung“ der Partei. Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz betonte ebenfalls auf Twitter: „Präsidium und Bundesvorstand sollten dem eindeutigen Votum am Dienstag folgen und eine Mitgliederbefragung auf den Weg bringen, wenn es mehr als einen Kandidaten gibt.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

CDU: Noch hat kein Bewerber den Hut in den Ring geworfen

Wie viele Bewerbungen es geben wird, ist derzeit noch unklar. Weder Spahn, noch Röttgen oder Merz haben bisher offiziell den Hut in den Ring geworfen. Auch weitere mögliche Aspiranten wie Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus oder der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, haben sich bislang nicht öffentlich dazu erklärt.

Alle fünf stammen aus Nordrhein-Westfalen. Sollten die CDU-Gremien den Weg frei machen für ein Mitgliedervotum, dürften sich mögliche Bewerber zeitnah aus der Deckung wagen. Sowohl Röttgen als auch Spahn und Merz hatten in der Vergangenheit bereits vergeblich versucht, CDU-Vorsitzende zu werden. Merz trat sogar zwei Mal als Kandidat an.

Lesen Sie auch: Klimawandel - G20-Nationen scheitern vor schöner Kulisse

Auf dem Parteitag 2018 verlor er in der Stichwahl knapp gegen Annegret Kramp-Karrenbauer, vergangenen Januar dann gegen Laschet. Merz hatte Anfang Oktober erklärt, keine erneuten Ambitionen für das höchste Parteiamt zu hegen.

Merz gilt derzeit laut Umfrage als Favorit für den Parteivorsitz

Er richte sich darauf ein, „ein normaler und hoffentlich guter Abgeordneter zu sein“, hatte Merz unserer Redaktion gesagt, sein „Bedarf an streitigen Abstimmungen gegen das Establishment“ sei gedeckt. Dennoch rechnen nicht wenige in der Union damit, dass Merz seine Meinung noch ändert und für eine dritte Bewerbung bereit steht.

Im Fall einer direkten Befragung der Mitgliedschaft hätte er womöglich sogar die besten Erfolgsaussichten. Wie Infratest dimap im „Deutschlandtrend“ für das ARD-„Morgenmagazin“ Ende vergangener Woche ermittelte, liegt Merz bei den Unionsanhängern als neuer CDU-Chef deutlich vorne.

Laut der Umfrage trauten ihm 36 Prozent den Parteivorsitz zu. 25 Prozent hielten Röttgen für geeignet, 14 Prozent Spahn, 9 Prozent Linnemann und 6 Prozent Brinkhaus. 10 Prozent der CDU-Anhängerinnen und Anhänger konnten oder wollten sich nicht zwischen den genannten Politikern entscheiden.

Neben neuem Personal benötigt die CDU auch mehr Profil

Der Erneuerungsprozess der CDU dürfte jedoch mit dem Rückzug Laschets und dem geplanten Personalwechsel an der Spitze keineswegs beendet sein. Im Gegenteil. Wahrscheinlich ist es erst der Anfang auf dem langen Weg zur inhaltlichen Neupositionierung nach sechzehn Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel.

Die Kreisdelegierten monierten am Samstag fehlende Profilschärfe der Partei bei zentralen Themen wie Migration und Rente. Die CDU wird in der Opposition klären müssen, wie sich sich künftig als moderne und zugleich konservative Kraft positionieren will.