Berlin. Die Solidarität mit den  Betroffenen der Flutkatastrophe ist weiter ungebrochen. Doch der Staat muss nun liefern - und zwar viel Geld.

Es ist nicht der Auftritt von Armin ­Laschet, von Olaf Scholz oder Annalena Baerbock, der den Menschen im Ahrtal Mut macht. Es ist der Auftritt von Menschen wie Michael Swiers, Baggerfahrer aus Niederkassel. In den Tagen nach der Flut in Rheinland-Pfalz sitzt er in seinem kleinen Bagger und schaufelt Schlamm von den Gräbern des Friedhofs in ­Dernau, einem kleinen Ort an der Ahr.

Seit sechs Stunden macht er nichts anderes an diesem Tag. Swiers schaufelt und baggert, damit die Menschen im Ort wieder an die Grabsteine ihrer Verwandten kommen. Damit sie bald auch die Toten begraben können, die das Wasser mit sich gerissen hat. Lesen Sie dazu: Ahrtal: Wie Anwohner nach der Flut um ihre Existenz bangen

Politik-Korrespondent Christian Unger.
Politik-Korrespondent Christian Unger. © Reto Klar | Reto Klar

Fast 150 Menschen sind allein in der Region in Rheinland-Pfalz gestorben. Der Verlust ist nicht zu ersetzen. Mit keinem Geld. Mit keiner Hilfe. Doch was die Tausenden freiwilligen Helfer wie der junge Michael Swiers geschafft haben: Sie haben den verzweifelten Anwohnern, deren Häuser und Höfe von der Flut weggespült wurden, Hoffnung gegeben. Darauf, dass der Schlamm und der Schutt irgendwann weggeschafft sind. Darauf, dass es weitergeht im Leben. Mehr zum Thema: Fahrlässige Tötung? Ermittlungen gegen Landrat von Ahrweiler

Flut-Opfer: Zusagen alleine reichen nicht

Armin Laschet oder Olaf Scholz können das nicht leisten. Müssen sie auch gar nicht. Was die Regierungen in Bund und Ländern jetzt liefern müssen, ist vor allem eines: Geld. Viel Geld. Und schnell.

Die bisherigen Zusagen von mehreren Hundert Millionen Euro sind gut. Doch von Zusagen allein können die Menschen ihre Häuser nicht wiederaufbauen. Das Geld muss ausgezahlt werden. Bisher haben die betroffenen Menschen gerade einmal jeweils ein paar Tausend Euro bekommen. Lesen Sie ebenfalls: "Versager": Armin Laschet wegen Flutmanagement beschimpft

Bei den Corona-Hilfen für Restaurants oder Konzertveranstalter, die im Lockdown dichtmachen mussten, kam das versprochene Geld vom Staat teilweise Monate verspätet. Das darf sich nicht wiederholen. Prüfverfahren sind richtig, aber lieber Missbrauch in Einzelfällen riskieren als ganze Regionen über Wochen und Monate in Angst um ihre Existenz bangen lassen.

In der Pandemie erweckte die Bundesregierung zudem den Eindruck, dass die Höhe der Hilfen keine Grenzen kennt. Firmen wie Lufthansa oder Tui bekamen Milliardenzusagen. Was für Konzerne gilt, muss für den Winzer im Ahrtal allemal gelten: Die Regierungen dürfen bei den Hilfen nicht geizen.

Das Recht auf Wohnen ist ein Menschenrecht

Im Gegenteil: Wenn Tausende in einer Flutnacht ihr Haus verlieren, sprichwörtlich ihr Dach über dem Kopf, dann ist das eine existenzielle Krise: Das Recht auf Wohnen ist ein Menschenrecht.

Was für den Staat gilt, muss auch für Versicherungen gelten. Die Hilfen für Betroffene müssen unkompliziert und fair ausgezahlt werden. Wenn Menschen in den Katastrophengebieten für etwas keine Zeit und Kraft haben, dann sind es lange Streitereien mit den Versicherungsunternehmen.

Firmen, die mit blumigen Werbesprüchen ihre Kunden "zum Teil ihrer Familie" erheben und nun aber zeitaufwendige Prüfungen der Schäden vorhersagen, haben den Ernst der Lage nicht verstanden.

Ohnehin gilt: Gemeinden, deren Straßen, Häuser und Kirchen zertrümmert sind, tragen dafür nicht allein die Verantwortung. Das Hochwasser in dieser Heftigkeit ist auch eine Folge des Klimawandels. Zur Erderwärmung tragen wir alle bei – nicht nur die Winzerin im Ahrtal. Wir alle sind verantwortlich für Dürre und Flut in Deutschland. Und in der Welt.

Der Helfer Michael Swiers macht vor, wie wir gemeinsam Verantwortung füreinander übernehmen können. Er baggert, umsonst und tagelang. Mit jedem Grab, das er freischaufelt, sagt Swiers, bekomme der Ort auch ein Stück Würde zurück. Menschen wie Swiers sind unbezahlbar.