Berlin. Mehr als 1300 Angehörige der Bundeswehr sind bundesweit im Pandemie-Einsatz. In der Hauptstadt sorgt das jetzt für Streit.

Die Fallzahlen steigen, die Hauptstadt ist die neue Corona-Metropole Deutschlands. Doch trotz der Alarmstimmung in den Berliner Gesundheitsämtern wollen sich einige nicht helfen lassen: Der grün-rot-rot regierte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg lehnte es bislang ab, dass Bundeswehrsoldaten die Behörden bei Corona-Tests und der Nachverfolgung von Kontakten unterstützen. Anderswo ist das kein Problem.

Jens Spahn wundert sich über Ablehnung der Bundeswehr-Hilfe

Das traditionell links gestimmte Bremen gehörte sogar zu den ersten Bundesländern, die im Sommer die Soldaten zur Hilfe riefen, um den Ansturm der Reiserückkehrer stemmen zu können. Deutschlandweit sind aktuell rund 1350 Soldaten im Corona-Einsatz.

In der Bundesregierung herrscht Kopfschütteln über den linksalternativen Berliner Bezirk. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warnt seit Wochen davor, dass die Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern an ihre Belastungsgrenzen kommen. Es wundere ihn deswegen schon, „wenn hier in Berlin-Friedrichshain dann ein Gesundheitsamt aus ideologischen Gründen mitten in der Pandemie keine Hilfe von der Bundeswehr will“.

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Annegret Kramp-Karrenbauer fehlt für das Handeln der Berliner „jedes Verständnis“

Auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer kritisiert die ablehnende Haltung des Bezirks deutlich: Das Nein zur Bundeswehr-Hilfe berge die Gefahr, eine Verschärfung der Lage für ganz Berlin zu riskieren, sagte die CDU-Chefin dem „Tagesspiegel“. „Mir fehlt jedes Verständnis, dass Rot-Rot-Grün es eher riskiert, dass es rasant steigende Infektionen gibt, dass Infektionsketten nicht nachverfolgt oder nicht eingedämmt werden können, als sich von der Bundeswehr helfen zu lassen.“

Überall sonst werde die Hilfe der Soldaten dankbar angenommen. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) stellte am Donnerstag klar, dass die Hilfe der Bundeswehr in der Hauptstadt grundsätzlich willkommen sei. Das sei „kein Kampfeinsatz im Inneren oder sonstiger Einsatz im Inneren“.

Bundeswehrsoldaten helfen bei Corona-Tests im Kreis Gütersloh. Die Truppe hilft wegen der Pandemie in vielen Regionen Deutschlands. In Freidrichshain-Kreuzberg ist sie bislang von der Linkspartei unerwünscht.
Bundeswehrsoldaten helfen bei Corona-Tests im Kreis Gütersloh. Die Truppe hilft wegen der Pandemie in vielen Regionen Deutschlands. In Freidrichshain-Kreuzberg ist sie bislang von der Linkspartei unerwünscht. © imago images/Noah Wedel | noah wedel

Linke in Berlin wollen keine Corona-Hilfe von der Bundeswehr

Sein Koalitionspartner sieht das anders. Ende August beschloss die Linke in Berlin, sich gegen den Einsatz der Bundeswehr im Corona-Kampf zu stellen: Die in den Gesundheitsämtern eingesetzten Bundeswehrsoldaten sollten sofort abgezogen werden. Eine „schleichende Vermischung ziviler und militärischer Kompetenzen“ sei vor dem historischen Hintergrund der Erfahrungen mit dem deutschen Militarismus abzulehnen, heißt es zur Begründung.

Dass die Gesundheitsämter ihrer Arbeit auch ohne Militär nachkommen können, zeige der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, „der einen Einsatz der Bundeswehr zu Recht ablehnt“. Wie eine Sprecherin des Bezirksamts am Donnerstag erklärte, wolle der Bezirk lieber neue Mitarbeiter befristet für ein ganzes Jahr einstellen. Aktuell gebe es genügend Personal in der Kontaktnachverfolgung.

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    SPD wehrt sich gegen Nein zur Bundeswehr

    Das sehen nicht alle in Berlin so: Die SPD wollte am Donnerstagabend im Bezirksparlament das Nein zur Bundeswehr kippen. In einem Dringlichkeitsantrag heißt es: Die Verwaltungsmitarbeiter arbeiteten seit Monaten am Limit. „Das Angebot der Bundeswehr steht, schaffen wir die Voraussetzung, um es im Bedarfsfall annehmen zu können!“ Die CDU sieht das ähnlich.

    Nicht nur im linksalternativen Friedrichshain-Kreuzberg ist die Lage mittlerweile besorgniserregend: In der bundesweiten Liste der Corona-Hotspots des Robert-Koch-Instituts (RKI) lagen zuletzt vier Berliner Bezirke auf vorderen Plätzen:

    • Berlin-Mitte (Platz 3)
    • Kreuzberg-Friedrichshain (Platz 6)
    • Tempelhof-Schöneberg (Platz 10)
    • Neukölln (Platz 11)

    Das Corona-Ampelsystem der Hauptstadt sprang am Mittwochabend zudem stadtweit auf Rot: Pro 100.000 Einwohner steckten sich in den vergangenen sieben Tagen 30,2 Menschen nachweislich an, bei der Zahl der Neuinfektionen gilt deswegen die höchste Warnstufe.

    In elf von zwölf Berliner Bezirken kommen bereits Soldaten zum Einsatz, die bei der telefonischen Nachverfolgung der Kontakte von Infizierten helfen oder in Teams für Tests eingesetzt werden – wie etwa am Flughafen Tegel, wo Bundeswehrmitarbeiter Reiserückkehrer testen. Zu den bisher 60 Soldaten sollen noch einmal 180 dazukommen.

    Bundeswehr hilft bei Tests und Kontaktverfolgung

    Deutschlandweit hat die Bundeswehr bislang über 950 Unterstützungsanfragen aus allen Bundesländern und der Bundesregierung erhalten – insgesamt sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums derzeit rund 1350 Soldaten im Einsatz, davon rund 160 aus dem Sanitätsdienst. „Im Schwerpunkt unterstützt die Bundeswehr bei Testungen von Reiserückkehrern“, so ein Sprecher.

    Aktuell seien rund 320 Soldaten in zwölf Bundesländern unter anderem mit mobilen Teststationen im Einsatz. Um die Gesundheitsämter zu entlasten, helfen darüber hinaus aktuell 426 Soldaten in 33 örtlichen Ämtern bei der Nachverfolgung von Infektionsketten. Zudem stelle die Bundeswehr Lagerflächen für medizinisches Material bereit. Insgesamt steht ein Kontingent von bis zu 15.000 Soldaten kurzfristig für die Hilfe bereit.

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