Berlin. Der CDU-Mann Jesse Jeng aus Hannover will Frauen fördern. Dafür verzichtet er auf eine Bundestagskandidatur. Er bekommt viel Zuspruch.

Nach 20 Jahren wollen es die Männer in der CDU wissen. Wenn im Dezember der CDU-Parteitag stattfindet, soll ein neuer Parteivorsitzender und damit ein Kanzlerkandidat der Union gewählt werden. Es treten drei Männer an, um nach zwei Jahrzehnten weiblicher Führung Annegret Kramp-Karrenbauer und Angela Merkel zu beerben.

„Ich glaube, man hat sich lange darauf ausgeruht, dass die Spitzenposition weiblich besetzt ist. Und gedacht, das reicht, um die CDU für Frauen attraktiver zu machen“, sagt Jesse Jeng. Er ist Vorsitzender des großen CDU-Verbands Hannover-Südstadt-Bult, Ratsherr der Landeshauptstadt. Jeng ist eigentlich ein Nachwuchspolitiker, wie sich die CDU ihn wünscht: 32 Jahre alt, engagiert, mit Migrationshintergrund. Jemand, der die CDU als moderne und diverse Volkspartei vertreten könnte.

CDU-Politiker will verhindern, dass es nur männliche Kandidaten gibt

Jeng sagt, er wolle, dass in seiner Heimatstadt Hannover, nicht nur Männer antreten – anders als beim Wettbewerb um den Parteivorsitz. Der junge Politiker hätte selbst beste Chancen auf die Nominierung als Bundestagskandidat für seine Partei. Doch er will nicht. Denn das hätte bedeutet, dass in den vier Wahlkreisen der Region und Stadt Hannover 2021 vier Männer für die Christdemokraten angetreten wären.

Am Sonntagnachmittag erklärte Jeng via Facebook und Twitter, dass er für die Kandidatur nicht zur Verfügung stehe. „Man(n) kann nicht verkünden mehr Frauen im Parlament zu unterstützen, um dann beizutragen, dass in 4 Kreisen der Region Hannover 4 Männer für CDU kandidieren“, schrieb der CDU-Politiker. Der Tweet ging viral. Peter Tauber, ehemaliger Generalsekretär der CDU, kommentierte, dass Jeng ein „Ehrenmann“ sei.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Frauenquote ist in der Union weiter ein rotes Tuch

Jeng geht damit einen Schritt, zu dem viele Männer in der Union wohl nicht bereit wären: eigene Ambitionen zugunsten der Frauenförderung hintenan zu stellen. Das zeigt sich besonders darin, wie sehr man sich in der Partei gegen eine Frauenquote sperrt: Friedrich Merz, der für den Vorsitz kandidiert, wird beispielsweise nicht müde von der Quote als „zweitbeste Lösung“ zu sprechen. Tatsächlich beträgt der Frauenanteil in der Unionsfraktion im Bundestag derzeit nur 20,7 Prozent.

Lesen Sie dazu: CDU-Spitze will mit Frauenquote in Bundestagswahl gehen

Doch wie sieht die erstbeste Lösung aus? Jesse Jeng befürwortet eine Frauenquote, fordert Parität auf den Parteilisten der Union. Bei einem Telefonat sagt er aber auch: „Seien wir ehrlich – es geht doch nicht um Quoten. Am Ende geht es wirklich um Verzicht.“ Und dafür sei es jetzt an der Zeit: „Wir müssen begreifen, dass Männer auf Kandidaturen und Mandate verzichten müssen, damit Frauen in der Politik repräsentiert werden. Daran führt kein Weg vorbei“, sagt Jeng mit fester Stimme.

Jesse Jeng verzichtet auf Kandidatur - damit eine Frau es in den Bundestag schafft

Der CDU-Politiker möchte mit gutem Beispiel vorangehen, in der Hoffnung, dass in Zukunft Parteikollegen auch darüber nachdenken, ob ihr Platz nicht genauso gut von einer Frau besetzt werden könnte. Er gibt aber auch zu: „Ich möchte hier nicht behaupten, dass ich als Heiliger auf die Welt gekommen bin.“ Bis er verstanden habe, wie sehr strukturelle Hindernisse Frauen eine Karriere in der Politik verbauen, hätte es auch gedauert.

Auch interessant: Kommentar: Der Männerverein CDU kann die Frauenquote gut gebrauchen

Die Chance, in den Bundestag einzuziehen, habe er nicht leichtfertig aufgegeben. „Eigentlich habe ich dafür jahrelang auf Marktplätzen gestanden und auch einige Kampfkandidaturen durchgezogen“, erzählt Jeng. Ob für den Wahlkreis Hannover II tatsächlich eine CDU-Kandidatin ins Parlament einziehen wird, ist aber keineswegs sicher: Aktuell hält Yasmin Fahimi (SPD) das Mandat inne.

Die Sozialdemokratin setzte sich bei der Bundestagswahl 2017 gegen die damalige Verteidigungsministerin und heutige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) durch. Fahimi gewann das Direktmandat knapp mit 4,8 Prozent Vorsprung. Aktuelle Umfragen weisen eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit aus, dass der Wahlkreis 2021 an die CDU gehen könnte.

Auch deshalb glaubt Jeng, mit seinem Verzicht auf die Kandidatur etwas bewirken zu können. Ohne seinen Rückzieher hätte er, Vorsitzender des größten CDU-Ortsverbands im Wahlkreis, vermutlich das Rennen gemacht. Die Chance auf den Einzug ins Parlament soll jetzt aber ein weibliches Parteimitglied haben.

Die Chance, in den Bundestag einzuziehen, habe Jesse Jeng nicht leichtfertig aufgegeben. „Eigentlich habe ich dafür jahrelang auf Marktplätzen gestanden und auch einige Kampfkandidaturen durchgezogen.“
Die Chance, in den Bundestag einzuziehen, habe Jesse Jeng nicht leichtfertig aufgegeben. „Eigentlich habe ich dafür jahrelang auf Marktplätzen gestanden und auch einige Kampfkandidaturen durchgezogen.“ © privat / Jesse Jeng

Mehr Frauen ins Parlament: CDU-Kandidatin könnte Honey Deihimi werden

Diese Frau könnte zum Beispiel Honey Deihimi sein, die das Referat „Gesellschaftliche Integration“ bei der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration leitet. Sie wollte auch schon vor Jengs Ankündigung antreten: „Ich wusste aber, dass das anstrengend geworden wäre“, sagt die niedersächsische CDU-Politikerin.

„Aber CDU-Frauen scheuen weder den Wahlkampf, noch eine Kampfkandidatur“, fügt Deihimi mit Nachdruck hinzu. Trotzdem sei Jengs Entscheidung vorbildlich und stehe für sich: „Nicht jeder Mann würde das machen.“ Jeng, der sich weiter in Hannover engagieren wird, möchte ein Zeichen in seiner Partei setzen – es sei eine „historische Chance“ für die CDU, den Wahlkreis mit einer Frau zu gewinnen.

Lesen Sie auch: