Karlsruhe/Berlin. Horst Seehofer bekämpft die AfD so hart es geht. Als CSU-Politiker darf er das. Aber als Minister? Das Verfassungsgericht sagt: nein.

Innenminister Horst Seehofer trieb es zu weit. Der CSU-Politiker verletzte die AfD in ihrem Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb, als er seine Kritik an der Partei auf der Internetseite seines Ministeriums stellte. Das entschied das Bundesverfassungsgericht am Dienstag in Karlsruhe.

Seehofer hätte sich die Kritik nicht verkneifen müssen, sondern sich als Minister nur neutraler verhalten müssen. Durch die Veröffentlichung auf der Internetseite habe der Innenminister auf Ressourcen zurückgegriffen, die ihm allein aufgrund seines Regierungsamts zu Verfügung stünden, erläuterte der Zweite Senat. Darin liege ein Verstoß gegen das Gebot staatlicher Neutralität vor.

Der Erfolg der AfD ist ein Fingerzeig für das Wahljahr 2021

Das Urteil wird allen Kabinettsmitgliedern eine Lehre sein – und wegweisend, weil 2021 eine Bundestagswahl ansteht und bis dahin der Meinungskampf anzieht, auch und gerade mit den Rechtspopulisten. Der Richterspruch war erwartet worden. Schon die frühere Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hatte bei einem vergleichbaren Vorwurf der AfD in Karlsruhe den Kürzeren gezogen.

„Das ist für unseren Staat hochgefährlich“, hatte Seehofer im Sommer 2018 der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Auslöser war eine Kritik der AfD an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Den nahm Seehofer in Schutz. Die AfD könne ihn nicht „wie auf dem Jahrmarkt“ abkanzeln. Das sei staatszersetzend. Seehofer: „Die stellen sich gegen diesen Staat. Da können sie tausendmal sagen, sie sind Demokraten.“

Das Ministerium zog das Interview zurück – die AfD blieb bei ihrer Klage

Das Ministerium nahm das Interview am 1. Oktober 2018 zwar von Homepage, aber die AfD zog ihre Klage durch. Lesen Sie dazu: AfD zieht gegen Seehofer vors Bundesverfassungsgericht

Nun legte der Senat fest: Um die „verfassungsrechtlich gebotene Offenheit des Prozesses der politischen Willensbildung“ zu gewährleisten, sei es unerlässlich, dass die Parteien möglichst gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilnehmen. Art. 21 Abs. 1 GG garantiere ihnen nicht nur die Freiheit ihrer Gründung und die Möglichkeit der Mitwirkung an der politischen Willensbildung, sondern auch, dass diese Mitwirkung auf der Basis gleicher Rechte und gleicher Chancen erfolgte.

Staatsorgane habe zu „dienen“, befanden die Richter

Dieses Recht aber werde verletzt, wenn Staatsorgane zugunsten oder zulasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern auf den Wahlkampf einwirkten. Staatsorgane hätten als solche allen zu dienen und sich neutral zu verhalten. Einseitige Parteinahmen während des Wahlkampfs verstoßen gegen die Neutralität des Staates. Auch außerhalb von Wahlkampfzeiten erfordert der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien die Beachtung des Gebots staatlicher Neutralität.

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Seehofer hatte bereits vor dem Urteil gelernt. In den letzten Wochen hat er sich mit kritischen Äußerungen zur AfD merklich zurückgehalten. Insgeheim ist er der Meinung, dass ein Verfassungsminister das Recht haben muss, bestimmte politische Kräfte einzuschätzen.

Schon 2018 entschieden die Karlsruher Richter zugunsten der AfD

Die frühere Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hatte in einem vergleichbaren Fall ebenfalls eine Niederlage in Karlsruhe eingefahren. Im November 2015 – auf dem Höhepunkt der Debatte um die Flüchtlingskrise – gab Wankas Ministerium eine Mitteilung heraus. Überschrift: „Rote Karte für die AfD.“

2018 befanden die Richter: Eine „parteiergreifende“ Äußerung eines Bundesministers im politischen Meinungskampf verletze die Chancengleichheit der Parteien, „wenn sie entweder unter Einsatz der mit dem Ministeramt verbundenen Ressourcen oder unter erkennbarer Bezugnahme auf das Regierungsamt erfolgt, um ihr damit eine aus der Autorität des Amts fließende besondere Glaubwürdigkeit oder Gewichtung zu verleihen“.