Berlin. Höheres Kurzarbeitergeld, Restaurant-Hilfen, Zuschüsse für Schüler: Der Koalitionsausschuss hat sich auf neue Krisen-Hilfen geeinigt.
Es war ein stundenlanges Ringen im Kanzleramt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich mit den Parteichefs von CDU, CSU und SPD sowie in der Krise wichtigen Ministern getroffen, um über weitere Hilfen in der Corona-Krise zu beraten.
Erst um 1 Uhr in der Nacht gaben schließlich CSU-Chef Markus Söder, CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und die SPD-Doppelspitze um Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken die Beschlüsse bekannt. Auf diese Hilfen verständigte sich der Koalitionsausschuss:
Höheres Kurzarbeitergeld
Laut einer Erhebung des Münchener ifo-Instituts fährt jede zweite Firma in Deutschland Kurzarbeit. Für viele Arbeitnehmer bedeutet das herbe Verluste im Lohn. Denn die Bundesagentur für Arbeit zahlt nur 60 Prozent des Lohnausfalls, bei Eltern 67 Prozent.
Doch in vielen Betrieben, etwa in der Gastronomie oder in der Tourismusbranche, ist die Arbeit gänzlich eingestellt, die sogenannte „Kurzarbeit null“ beantragt. Der Arbeitgeber zahlt dann keinen Lohn mehr, die Arbeitnehmer müssen mit den 60 Prozent ihres bisherigen Nettolohns auskommen. Insbesondere für Gering-Verdiener wie etwa Reinigungskräften ist das eine harte Belastung.
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Daher will der Koalitionsausschuss nun nachbessern. Wer seine Arbeit um mindestens 50 Prozent reduzieren musste, soll künftig ein höheres Kurzarbeitergeld erhalten. Ab dem 4. Bezugsmonat sollen die Auszahlungen der Bundesagentur für Arbeit auf 70 Prozent des Verdienstausfalls des Nettolohns aufgestockt werden, für Eltern auf 77 Prozent. Ab dem 7. Monat wird der Satz weiter erhöht, dann erhalten Arbeitnehmer 80 Prozent des Netto-Entgelts, Eltern 87 Prozent.
Wer sich neben der Kurzarbeit sein Gehalt aufstocken möchte, kann dies künftig bis zur vollen Höhe des bisherigen Monatseinkommens tun, ohne das Geld zusätzlich besteuern zu müssen.
Kritik kam ausgerechnet von der Bundesagentur für Arbeit (BA), die die neuen Regeln umsetzen muss. BA-Vorstandschef Detlef Scheele sagte in Nürnberg: „Die politische Entscheidung will ich nicht bewerten, ich hätte mir aber eine einfachere Regelung gewünscht.“
Scheele fürchtet, dass der Arbeitsaufwand für die ohnehin am Anschlag arbeitende Behörde weiter ausufert. Derzeit hat rund jeder dritte Betrieb in Deutschland, der antragsberechtigt ist, Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. In der Koalition gibt es Befürchtungen, dass das 26-Milliarden-Finanzpolster der BA bis Jahresende aufgezehrt sein könnte.
Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer warnte, die Anhebungen des Kurzarbeitergeldes befeuerten „Erwartungshaltungen an den Sozialstaat, die ihn langfristig finanziell völlig überfordern werden“. Die Koalition gebe in der Krise zu viel Geld mit der Gießkanne aus.
Zuletzt hatte unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) auf eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes gepocht. Die Union war zurückhaltend – auch im Hinblick darauf, wer die gesamten Hilfen des Bundes bezahlen soll.
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Längerer Anspruch auf Arbeitslosengeld
Die Kurzarbeit ist ein Instrument, das Arbeitsplätze schützen soll. Dennoch wird es in der Corona-Krise zu Entlassungen kommen. Um Arbeitslosen schnellen Hilfen zu gewähren, hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) daher bereits die Prüfung von Vermögen und Wohnung bei Hartz IV ausgesetzt. Doch was ist mit denen, die schon vor der Krise arbeitssuchend waren und nun keinen Job finden, weil in der Krise nur wenige Unternehmen einstellen?
Ihnen will der Koalitionsausschuss mehr Sicherheit verschaffen. Daher wird das Arbeitslosengeld I für diejenigen um drei Monate verlängert, deren Anspruch zwischen dem 1. Mai und dem 31. Dezember 2020 enden würde. Begründet ist dieser Schritt neben den geringen Aussichten auf eine neue Beschäftigung auch damit, dass derzeit viele Vermittlungs- und Weiterbildungsagenturen der Arbeitsagenturen geschlossen sind oder nur eingeschränkt arbeiten.
Kritik an den Beschlüssen kommt von Anton Hofreiter, Fraktionschef der Grünen im Bundestag. Es sei „absolut unverständlich, dass die große Koalition sich nicht einmal mit einer temporären Anhebung der Regelsätze beim Arbeitslosengeld II beschäftigt hat“, sagte Hofreiter unserer Redaktion. „Erwachsene und Kinder in Armut sind doch in der aktuellen Krise stark belastet. Dass die Koalition hier nicht nachsteuert, ist eine eklatante soziale Schieflage.“ Die Grünen-Fraktion hatte am Mittwoch einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der einen monatlichen Zuschuss von 100 Euro für Hartz-IV-Bezieher vorsah.
Steuersenkung für die Gastronomie
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hatte am Wochenende alarmierende Zahlen präsentiert: 70.000 Betriebe stehen demnach vor dem Aus. CSU-Chef Markus Söder hatte angekündigt, die Dehoga-Forderung nach einer Mehrwertsteuersenkung durchzusetzen – und hat das im Koalitionsausschuss auch geschafft. Vom 1. Juli 2020 bis zum 30. Juni 2021 müssen Gastronomiebetriebe für angebotene Speisen nur noch sieben statt bisher 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen.
Das ist eine Entlastung der Gastro-Branche von etwa vier Milliarden Euro. Der Branchenverband Dehoga kritisierte dennoch, dass Kneipen, Bars oder Clubs, die nur Getränke anbieten, leer ausgingen.
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Die SPD hatte den Vorschlag skeptisch gesehen. Wenn Restaurants geschlossen sind, machen sie auch keinen Umsatz und zahlen folglich keine Mehrwertsteuer, war die Argumentation der Sozialdemokraten. Sie wollten stattdessen neue Soforthilfen für die Gastronomie.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) betonte, Steuersenkungen statt Erhöhungen seien das richtige Konzept in der Krise. „Die Gastronomie könnte der Vorreiter für andere Bereiche sein. Als Nächstes sollte der Soli noch vor dem Sommer abgeschafft werden.“
Bei einer kompletten Soli-Abschaffung würden im Bundeshaushalt mehr als 20 Milliarden Euro fehlen. Bislang ist in der Koalition vereinbart, den Solidaritätszuschlag bundesweit 2021 für mehr als 90 Prozent der Steuerzahler abzuschaffen.
Weitere Hilfen für die Wirtschaft
Kleine und mittlere Betriebe, die von der Krise ebenfalls hart getroffen sind, sollen steuerlich entlastet werden. Daher hat sich der Koalitionsausschuss auf eine Verlustverrechnung verständigt: Kleine und mittlere Unternehmen können somit ihre erwarteten Verluste des aktuellen Jahres mit den bereits für 2019 geleisteten Steuer-Vorauszahlungen verrechnen. Das soll ihre Liquidität verbessern.
Auch kündigte der Koalitionsausschuss an, dass Belastungen für Beschäftigte und Unternehmen durch Gesetze und andere Regelungen möglichst vermieden werden sollen.
Computer für Schüler
Die Schulen sind dicht, wie es weitergeht, unterscheidet sich regional stark. Für viele Schüler wird der gewohnte Gang zur Schule aber noch dauern. Der Unterricht verlagert sich daher an den eigenen Schreibtisch. Doch nicht alle Schüler haben auch die technische Ausrüstung, um von zu Hause aus unterrichtet werden zu können.
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Daher will der Bund 500 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um den Unterricht zu ermöglichen. Bedürftige Schüler sollen einen Zuschuss von 150 Euro für die Anschaffung von entsprechenden Geräten erhalten. Zudem soll das Geld dafür genutzt werden, um die online-Lehrangebote der Schulen zu professionalisieren. So könnte auch das E-Learning für die Zeit nach der Krise vorangetrieben werden.
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