Berlin. Sahra Wagenknechts Bewegung „Aufstehen“ soll eine sozial gerechtere Gesellschaft schaffen. Doch die Rechnung dürfte nicht aufgehen.
Die Straße nicht Pegida und den Rechten überlassen. Die Wähler-Wanderung zur Alternative für Deutschland (AfD) stoppen, vielleicht sogar umkehren. Eine sozial gerechtere Gesellschaft schaffen: Dies sind die hehren Anliegen der neuen linken Sammlungsbewegung
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– vor allem initiiert von Linken–Fraktionschefin Sahra Wagenknecht und ihrem Mann, dem Politprofi Oskar Lafontaine, früherer Vorsitzender der SPD und später der Linkspartei.
Doch das langfristige Ziel hinter „Aufstehen“ ist die künftige Bildung einer linken Regierung. Daran ließ Wagenknecht bei der Vorstellung der Bewegung im Haus der Bundespressekonferenz keinen Zweifel. Sie wolle nicht immer Oppositionsreden halten, erklärte die Linke-Politikerin. Klarer kann man den persönlichen Machtanspruch kaum formulieren. Ob die Rechnung aufgeht? Eher nicht. Vielmehr befürchten die Spitzen von Linkspartei und SPD zu Recht, dass das linke Lager weiter geschwächt wird.
Harsche Forderung nach Begrenzung der Zuwanderung
Bewegungen, ob rechts oder links, entwickeln sich von unten. Derzeit haben Bewegungen Konjunktur, die sich einem gemeinsamen inhaltlichen Ziel verschreiben. Sei es die pro-europäische Idee „Pulse of Europe“ oder aktuell die „Seebrücke“ mit Menschen, die sich für die Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer einsetzen.
Darin engagieren sich Menschen unabhängig von ihrer politischen Richtung oder Parteienpräferenz. Doch Wagenknecht geht es um die Macht, die sie mit ihrer eigenen Partei, der Linken, offenbar nicht schnell genug erreicht sieht.
Den Vorwurf, sie bediene sich mit ihrer harschen Forderung nach einer Begrenzung der Zuwanderung – der größte Unterschied zur Programmatik der Linken – am rechten Rand, hat die Linken-Fraktionschefin nicht ausgeräumt.
Dass ausgerechnet AfD-Parteichef Alexander Gauland lobende Worte für Wagenknecht findet, als Politikerin, die in der Lage sei, „die linken Scheuklappen abzulegen und jenseits von Pathos und Ideologie die tatsächlichen Sorgen und Nöte breiter Schichten des Volkes zu identifizieren“, entkräftet das Fischen am rechten Rand eher nicht.
Wagenknecht spricht von handfester Krise der Demokratie
Es ist auch bezeichnend, dass von der SPD ausgerechnet die Flensburger SPD-Oberbürgermeisterin Simone Lange die Gründung unterstützt und neben der charismatischen Wagenknecht auf dem Podium sitzt. Lange unterlag Andrea Nahles im Kampf um den SPD-Vorsitz.
Nicht vereinnahmen konnte Wagenknecht dagegen Juso-Chef Kevin Kühnert, der von der SPD dezidiert eine linkere Politik fordert. Diese beginne immer mit einer Haltung und niemals mit der Frage, welche Haltung gerade mehrheitsfähig sein könnte, sagt er zur Begründung seiner „Auflehnen“-Ablehnung. Ein starker Satz.
Der Jungpolitiker will vielmehr erreichen, dass linke Parteien und Bewegungen stärker an einem Strang ziehen, um einen Gegenentwurf zur Politik der Union anzubieten. Setzt euch hin und arbeitet, heißt seine Botschaft.
Wagenknecht nannte eine handfeste Krise der Demokratie in Deutschland als Grund für die Gründung ihrer Bewegung. Doch letztlich ist „Aufstehen“ zunächst mal ein egoistisches Projekt. Bleibt es dabei, wird die Bewegung eher zur Erosion des Parteiensystems beitragen. Die Volksparteien aber, auch die kleineren, verlieren im Ganzen betrachtet Wähler und Mitglieder.
Stabile Mehrheiten sind in einem aufgesplitterten Parteiensystem kaum noch zu bilden. Dieses System war bislang ein Garant für demokratische Verhältnisse in Deutschland. Die Vorfälle in Chemnitz machen es eher nötig, genau dieses System zu stärken. Und in Parteien einzutreten.
Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht