Berlin. Seit 100 Tagen versucht die SPD-Vorsitzende die Partei zu entstauben – ­bisher ohne Folgen in den Umfragen. Nun läuft ihr die Zeit weg.

Andrea Nahles hat kürzlich eine Wand einreißen lassen. In ihrem Chefbüro in der Parteizentrale, wo sie seit 100 Tagen als erste Frau in der

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-Geschichte sitzt, schauten ihre männlichen Vorgänger wie Sigmar Gabriel und Martin Schulz auf staubige Bücherregale, die teils mit falschen Buchrücken ausstaffiert waren.

Söder und Nahles zeigen sich offen für Dürrehilfen

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    war das zu muffig. Die Tochter eines Maurers ließ mit großer Freude die Handwerker anrücken. Die installierten eine Multimediawand, die Nahles für Präsentationen nutzt.

    Es tut sich also doch was in der SPD. In den

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    aber ist es – anders als von

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    erhofft – noch nicht nach oben gegangen. Das frus­triert viele Parteimitglieder. Unter 20 Prozent fällt es der neuen Chefin schwer, ihre Botschaft von Erneuerung auf der Regierungsbank an die Genossen zu bringen. Nahles braucht noch etwas Zeit.

    In die Fresse: Wie aggressiv darf politische Rhetorik sein, Andrea Nahles?

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      Das gute Drittel jener GroKo-Hasser, die Nahles ihre Vorsitzenden-Kür mit nur 66 Prozent vermiesten, fühlen sich von der bisherigen Performance bestätigt. Zu wenig Profil, keine zündenden Ideen, keine echte Klärung der Position in der

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      (was AfD und Grünen in die Hände spielt), ein müdes Weiter-so zum puren Machterhalt, lautet die Kritik.

      Die SPD wird mit harter Hand aufgeräumt

      Wer genauer hinschaut, sieht, dass Nahles seit dem 22. April einiges in der Partei bewegt hat. Mit harter Hand räumt sie auf. Wo Vorsitzende wie Gabriel und Gerhard Schröder brüllten, versucht die Frau aus der Vulkaneifel, ihr robustes Temperament zu zügeln, zuzuhören, alle in Entscheidungen einzubinden.

      Im Gegenzug hält der geschwätzige Laden dicht. So konnte Nahles mit Vizekanzler Olaf Scholz den Fünf-Punkte-Plan, den sie vor dem Finale der

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        in der Union ausheckte und in weiten Teilen auch durchsetzte, vertraulich diskutieren – ohne Indiskretionen. Träge Abgeordnete zwingt sie mit

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        zu höherer Bundestagspräsenz.

        Die Historikerkommission in der SPD-Zentrale, die seit Jahren nichts mehr publizierte? Aufgelöst. Von sage und schreibe 54 Kommissionen, Arbeits- und Gesprächskreisen hat Nahles ein Dutzend dichtgemacht. Gastbeiträge von Ex-Außenminister

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        , den sie aufs Altenteil schob, landen bei ihr genauso in der Ablage wie der Rat von Soziologen, die SPD solle ihren

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        aufgeben, um mit harten, linken Positionen ihr Profil zu schärfen.

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          Nahles läuft die Zeit davon

          Ein Riesenproblem hat Nahles nicht in der Hand. Ihr läuft die Zeit davon. Gehen die Landtagswahlen im Oktober in Bayern und Hessen schlecht aus, wird der Druck wachsen. Der Blick in den Wahlkalender des kommenden Jahres macht es nicht besser. Im Herbst 2019 kämpft die SPD bei den Ostwahlen in Sachsen und Thüringen ums nackte Überleben, in Brandenburg ist der Ministerpräsidentenstuhl in Gefahr.

          Bereits am 26. Mai bei der Europawahl und der zeitgleichen Abstimmung in Bremen drohen empfindliche Rückschläge. Nach der Sommerpause will die Vorsitzende entscheiden, welche Leute die SPD für Europa ins Rennen schickt. Der populäre Juso-Chef Kevin Kühnert – was ein echter Coup wäre – soll bereits abgewinkt haben.

          Ende 2019 muss Nahles auf einem Parteitag einen möglichen

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          der SPD abwenden, der als Revisionsklausel im Koalitionsvertrag verankert ist. Nahles will sich davon nicht kirre machen, die SPD in der Mitte halten, um in der Nach-Merkel-Ära vielleicht mit Grünen und FDP wieder eine Machtperspektive zu bekommen. Eine SPD, die wirklich weiß, was sie will, wird in der fragiler gewordenen Demokratie mit aufmuckenden Rechten dringender denn je gebraucht.

          Andrea Nahles: Ihre Karriere in Bildern

          Andrea Nahles war lange die starke Frau der SPD: Seit April 2018 war sie Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands – als erste Frau. Seit September 2017 war sie bereits Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag. Von beiden Ämtern wird sie zurücktreten, wie sie am Sonntag ankündigte. Wir zeigen Bilder aus ihrem politischen und privaten Leben.
          Andrea Nahles war lange die starke Frau der SPD: Seit April 2018 war sie Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands – als erste Frau. Seit September 2017 war sie bereits Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag. Von beiden Ämtern wird sie zurücktreten, wie sie am Sonntag ankündigte. Wir zeigen Bilder aus ihrem politischen und privaten Leben. © dpa | Martin Gerten
          Andrea Nahles wurde am 20. Juni 1970 in Mendig (Rheinland-Pfalz) geboren. Sie studierte Literatur- und Politikwissenschaften und ist seit 1988 Mitglied der SPD. Von 1993 bis 1995 war sie Landesvorsitzende der Jungsozialisten in Rheinland Pfalz. Von 1995 bis 1999 dann Bundesvorsitzende der Jusos.
          Andrea Nahles wurde am 20. Juni 1970 in Mendig (Rheinland-Pfalz) geboren. Sie studierte Literatur- und Politikwissenschaften und ist seit 1988 Mitglied der SPD. Von 1993 bis 1995 war sie Landesvorsitzende der Jungsozialisten in Rheinland Pfalz. Von 1995 bis 1999 dann Bundesvorsitzende der Jusos. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Andreas Altwein
          Andrea Nahles und der damalige SPD-Bundesvorsitzende Oskar Lafontaine im November 1996.
          Andrea Nahles und der damalige SPD-Bundesvorsitzende Oskar Lafontaine im November 1996. © REUTERS /
          Nahles war erstmals von 1998 bis 2002 und ist erneut seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 1997 bis 2013 war sie Mitglied im SPD-Parteivorstand.
          Nahles war erstmals von 1998 bis 2002 und ist erneut seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 1997 bis 2013 war sie Mitglied im SPD-Parteivorstand. © REUTERS /
          Im Mai 2007 wurde Nahles gemeinsam mit Frank-Walter Steinmeier (M.) und Peer Steinbrück vom SPD-Parteivorstand für das Amt der stellvertretenden Parteivorsitzenden nominiert. Am 26. Oktober 2007 wurde sie von 74,8 Prozent der Parteitagsdelegierten in dieses Amt gewählt. Dafür gab es rote Rosen. Das Amt hatte sie von 2007 bis 2009 inne.
          Im Mai 2007 wurde Nahles gemeinsam mit Frank-Walter Steinmeier (M.) und Peer Steinbrück vom SPD-Parteivorstand für das Amt der stellvertretenden Parteivorsitzenden nominiert. Am 26. Oktober 2007 wurde sie von 74,8 Prozent der Parteitagsdelegierten in dieses Amt gewählt. Dafür gab es rote Rosen. Das Amt hatte sie von 2007 bis 2009 inne. © Getty Images | Sean Gallup
          Die praktizierende Katholikin ist Mutter einer Tochter.
          Die praktizierende Katholikin ist Mutter einer Tochter. © Meike Boeschemeyer
          Von ihrem Ehemann – dem Kunsthistoriker Marcus Frings – lebt sie seit Anfang 2016 getrennt.
          Von ihrem Ehemann – dem Kunsthistoriker Marcus Frings – lebt sie seit Anfang 2016 getrennt. © Getty Images | Sean Gallup
          Am 17. Dezember 2013 wurde Nahles von dem ehemaligen Parlamentspräsidenten Norbert Lammert zur Bundesministerin für Arbeit und Soziales vereidigt.
          Am 17. Dezember 2013 wurde Nahles von dem ehemaligen Parlamentspräsidenten Norbert Lammert zur Bundesministerin für Arbeit und Soziales vereidigt. © REUTERS | REUTERS / THOMAS PETER
          Im Bundestagswahlkampf 2017 machte Nahles sich für den damaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz stark.
          Im Bundestagswahlkampf 2017 machte Nahles sich für den damaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz stark. © Getty Images | Carsten Koall
          Seit dem 27. September 2017, drei Tage nach der Bundestagswahl, ist Andrea Nahles Vorsitzende der SPD-Bundesfraktion.
          Seit dem 27. September 2017, drei Tage nach der Bundestagswahl, ist Andrea Nahles Vorsitzende der SPD-Bundesfraktion. © dpa | Bernd von Jutrczenka
          Nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen am 7. Februar gab Schulz seinen Rücktritt vom Parteivorsitz bekannt – und machte den Weg für Andrea Nahles als seine Nachfolgerin frei.
          Nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen am 7. Februar gab Schulz seinen Rücktritt vom Parteivorsitz bekannt – und machte den Weg für Andrea Nahles als seine Nachfolgerin frei. © dpa | Kay Nietfeld
          Es war kein starkes Ergebnis – nur gut 66 Prozent stimmten beim Parteitag am 22. April 2018 für Andrea Nahles als Parteivorsitzende.
          Es war kein starkes Ergebnis – nur gut 66 Prozent stimmten beim Parteitag am 22. April 2018 für Andrea Nahles als Parteivorsitzende. © dpa | Bernd von Jutrczenka
          Damit war Andrea Nahles die erste Frau an der Spitze der SPD. Am Sonntag kündigte sie ihren Rücktritt als SPD-Vorsitzende für den 3. Juni 2019 und als SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende am 4. Juni 2019 an. Außerdem wurde bekannt, dass Nahles in naher Zukunft auch ihr Bundestagsmandat niederlegen und sich komplett aus der Politik zurückziehen will.
          Damit war Andrea Nahles die erste Frau an der Spitze der SPD. Am Sonntag kündigte sie ihren Rücktritt als SPD-Vorsitzende für den 3. Juni 2019 und als SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende am 4. Juni 2019 an. Außerdem wurde bekannt, dass Nahles in naher Zukunft auch ihr Bundestagsmandat niederlegen und sich komplett aus der Politik zurückziehen will. © Reto Klar | Reto Klar
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