Berlin/Düsseldorf. Die Abschiebung des Tunesiers Sami A. sorgt weiter für Diskussionen. Laut einem Medienbericht hat sich nun Sami A. selbst geäußert.

Der nach Tunesien abgeschobene Sami A. erhebt laut einem Medienbericht schwere Vorwürfe gegen die deutschen Behörden. Er soll sogar von einer Entführung durch die deutsche Polizei sprechen.

Die „Bild“ hat sich nach eigenen Angaben über den Anwalt des Tunesiers mit Sami A. austauschen können. Laut dem Bericht sagt A.: „Ich wurde entführt aus Deutschland. Um drei Uhr früh haben sie mich einfach mitgenommen.“

Die Polizei solle ihn nackt ausgezogen und dann in einen Privatjet Richtung Tunesien gesetzt haben. Der von den Behörden als Gefährder eingestufte Mann leugnet auch, für den ehemaligen Al-Kaida-Chef Osama bin Laden gearbeitet zu haben.

Gericht nennt Abschiebung „grob rechtswidrig“

Sami A. war mutmaßlich ein

Auch interessant

. Er ist als islamistischer Gefährder eingestuft, lebte jahrelang in dem Bundesland und wehrte sich mit rechtlichen Mitteln gegen seine Abschiebung. Am Freitag war er in sein Heimatland ausgeflogen worden.

Nach Abschiebe-"Witz": Seehofer weist Rücktrittsforderungen zurück

weitere Videos

    Die Abschiebung von Sami A. war tatsächlich rechtswidrig – allerdings nicht aus den Gründen, die der Mann gegenüber der „Bild“ vorgebracht hat. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte am vergangenen Donnerstagabend entschieden, dass Sami A. weiterhin nicht abgeschoben werden dürfe, weil nicht auszuschließen sei, dass ihm in Tunesien Folter drohe.

    Jedoch übermittelte es den Beschluss erst am Freitagmorgen, als das Flugzeug mit Sami A. schon in der Luft war – weil es nicht mit einer unmittelbar bevorstehenden Abschiebung rechnete.

    Das Gericht nannte anschließend die Abschiebung „grob rechtswidrig“, sie verletze grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien. Es will nun, dass Sami A. nach Deutschland zurückgeholt wird.

    Treffen zwischen Seehofer und Stamp zu Sami A. abgesagt

    Ein für Dienstag in Düsseldorf geplantes Treffen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mit dem nordrhein-westfälischen Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) ist überraschend abgesagt worden.

    In einer Mitteilung des Landesministeriums vom späten Montagabend hieß es: „In den Vorbereitungen des Termins sind auf Arbeitsebene zahlreiche Fragen offen geblieben.“

    Deshalb sei gemeinsam verabredet, die Sommerpause dafür zu nutzen, um auf Arbeitsebene weiter voranzukommen und im Spätsommer das Gespräch zwischen den Ministern nachzuholen. Der schon länger geplante Termin fiel zusammen mit der Ende vergangener Woche begonnenen Debatte um die umstrittene Abschiebung des

    von NRW nach Tunesien.

    Sondersitzung geplant

    An der Rechtmäßigkeit der Maßnahme gibt es Zweifel. Für Dienstagmittag waren gemeinsame Statements von Seehofer und Stamp geplant gewesen. Die Politiker wollten eigentlich über schnellere Asylverfahren und Rückführungen von

    Auch interessant

    und Kriminellen sprechen.

    Die umstrittene Abschiebung von Sami A. wird am Freitag in einer Sondersitzung des Landtags-Rechtsausschusses aufgearbeitet. Die Sitzung in der sitzungsfreien Zeit hatten die Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen beantragt. Der Ausschussvorsitzende Werner Pfeil (FDP) gab dem Antrag am Dienstag statt.

    SPD-Landtagsfraktionsvize Sarah Philipp und Grünen-Fraktionschefin Monika Düker begründeten die Sondersitzung mit dem Verdacht auf einen Rechtsbruch durch die CDU/FDP-Landesregierung bei der Abschiebung von Sami A. nach Tunesien. Im Raum stehe auch der Verdacht, dass die Rückführung nur durch die Täuschung eines Gerichts durch Bundes- und Landesbehörden habe gelingen können.

    Flüchtlingsministerium will Beschluss nicht akzeptieren

    Das NRW-Flüchtlingsministerium will derweil

    Auch interessant

    nicht akzeptieren. Stamp sagte zuletzt, zum Zeitpunkt des Fluges habe „keine gerichtliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts vorgelegen, die der Abschiebung entgegengestanden hätte“. Der Ministerpräsident des Bundeslandes, Armin Laschet, hatte gesagt: „Sie wissen, wann der Bescheid eingegangen ist, nämlich zu spät.“

    Der CDU-Politiker weiter: „Und ich denke, im Ergebnis können wir froh sein, dass der Gefährder nicht mehr in Deutschland ist.“ Das Oberverwaltungsgericht prüfe den Fall nun.

    Auch interessant

    hatte den Fall Sami A. im Frühjahr erwähnt, als er die Schwerpunkte seiner künftigen Arbeit als Bundesinnenminister skizzierte. Er sagte damals, er sei „entschlossen, da weiter dran zu bleiben an dem Fall“. Eine Ministeriumssprecherin sagte am Montag: „Ihm war es wichtig, politisch wichtig, dass eine Rückführung von Sami A. zeitnah erfolgt. Es gab keinerlei Einflussnahme auf einzelne Verfahrensschritte.“

    Sami A. soll zur Leibgarde von Osama bin Laden gehört haben

    Der Minister und die Führung des Ministeriums seien zwar schon am Mittwoch über die Planungen informiert gewesen. Man habe aber nicht sicher vorhersagen können, ob der Flug stattfinden würde, da „die Entscheidungszuständigkeit bei dem Land Nordrhein-Westfalen liegt“.

    Weitere Termine für den Flug hätten im Raum gestanden. Wäre der Beschluss des Gerichts bekannt gewesen, „hätte diese Abschiebung nicht erfolgen dürfen“. Der Bundespolizei zufolge wurde die Abschiebung schon zu Beginn vergangener Woche organisiert.

    Seehofers Masterplan: Darum gibt es jetzt noch mehr Drama

    weitere Videos

      Sami A. soll im Jahr 2000 eine militärische Ausbildung in einem Lager der Al-Kaida in Afghanistan erhalten und zeitweise zur

      Auch interessant

      gehört haben. Anschließend soll er sich in Deutschland als salafistischer Prediger betätigt haben. Der Tunesier bestritt diese Vorwürfe stets. Die Bundesanwaltschaft hatte laut Gericht gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, aber mangels hinreichenden Tatverdachts wieder eingestellt.

      Sami A. wirft Behörden Entführung vor

      Sami A. war Ende Juni festgenommen und in ein Abschiebegefängnis gebracht worden, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ein Abschiebeverbot aufgehoben hatte. Dagegen wehrte sich Sami A. zuletzt vor dem Gelsenkirchener Verwaltungsgericht. Er wird derzeit von tunesischen Behörden verhört.

      Es lägen seit Januar Erkenntnisse vor, dass Sami A. möglicherweise an „terroristischen Aktivitäten“ in Deutschland und Afghanistan beteiligt gewesen sein soll, hatte ein Sprecher der tunesischen Anti-Terror-Behörde gesagt.

      Über seinen Anwalt warf Sami A. den deutschen Behörden Entführung vor. „Um drei Uhr früh haben sie mich einfach mitgenommen“, sagte er laut „Bild“ (Bezahlinhalt) zu Fragen, die die Zeitung über dessen tunesischen Anwalt an ihn richtete und die dieser übermittelte. „Ich habe der Polizei gesagt: Das geht so nicht, ein Gericht hat meine Abschiebung untersagt! Aber sie haben gesagt, dass das von ganz oben kommt und ich nichts dagegen tun könne.“ (dpa/ac)