München. Das Oberlandesgericht hat eine harte Strafe gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe verhängt. Doch zwei weitere Urteile überraschen.

Das Gericht hat geliefert. Nach fünf Jahren teils zäher Verhandlung schickt der Staatsschutzsenat Beate Zschäpe, die Hauptangeklagte im NSU-Verfahren, lebenslänglich ins Gefängnis. Das ist sicherlich gut so.

Doch zwei weitere Urteile in diesem Verfahren überraschen. Der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben wird zu zehn Jahren Haft verurteilt, wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen. Er soll die NSU-Tatwaffe mit beschafft haben, mit der neun rassistisch motivierte Morde begangen wurden. Die Bundesanwaltschaft forderte für den Mann aus Jena zwölf Jahre Haft.

Urteil gegen André E. ist herbe Niederlage für Ankläger

Wohlleben sitzt bereits seit sechs Jahre und sieben Monate in Untersuchungshaft. Sollte einer vorzeitigen Haftentlassung zugestimmt werden, liegen seine ersten Schritte wieder in Freiheit in nicht allzu weiter Ferne.

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Von den übrigen Anklagevorwürfen, unter anderem Beihilfe zum versuchten Mord, wird er freigesprochen. Der Spruch ist eine herbe Niederlage für die Ankläger. Diese hatten vor einem Jahr für den bekennenden Neonazi noch zwölf Jahre Haft gefordert. Er könnte das vierte NSU-Mitglied sein, sagte damals Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten.

NSU-Prozess: Schuldig – lebenslange Haft für Beate Zschäpe

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    Zeugen erinnerten sich nicht, Akten waren vernichtet

    Die Beihilfe sei dem Angeklagten nicht zu beweisen, urteilt dagegen der Senat, der in der Vergangenheit für harte Strafen bekannt geworden ist. Der „Nationalsozialistische Untergrund“ – NSU – das sind

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    Das sind aber auch deutsche Sicherheitsbehörden, die länger als ein Jahrzehnt daran scheiterten, die Täter zu stellen.

    Der Staatsschutzsenat in München hatte die schwere Aufgabe, diese Verbrechen Jahre später juristisch aufzuarbeiten. Zeugen konnten sich nicht mehr erinnern, Asservate waren längst vernichtet worden und Akten verschwunden oder zerkleinert. 437 Tage lang wurde nach der Wahrheit gesucht.

    Szenen vom NSU-Urteilstag

    Im NSU-Prozess ist am Mittwochmorgen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Wir zeigen Bilder vom Urteilstag.
    Im NSU-Prozess ist am Mittwochmorgen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Wir zeigen Bilder vom Urteilstag. © REUTERS | MICHAELA REHLE
    Das Oberlandesgericht München sprach die 43-Jährige des zehnfachen Mordes schuldig. Das Gericht stellte auch die besondere Schwere der Schuld fest.
    Das Oberlandesgericht München sprach die 43-Jährige des zehnfachen Mordes schuldig. Das Gericht stellte auch die besondere Schwere der Schuld fest. © REUTERS | MICHAELA REHLE
    Eine Schlange aus Zuschauern hat sich am Mittwochmorgen vor dem Eingang am Oberlandesgericht München gebildet.
    Eine Schlange aus Zuschauern hat sich am Mittwochmorgen vor dem Eingang am Oberlandesgericht München gebildet. © REUTERS | MICHAELA REHLE
    Gegen 7 Uhr warteten bereits rund 150 Menschen auf dem Vorplatz des Gerichts, einige waren bereits seit dem späten Dienstagabend dort.
    Gegen 7 Uhr warteten bereits rund 150 Menschen auf dem Vorplatz des Gerichts, einige waren bereits seit dem späten Dienstagabend dort. © dpa | Matthias Balk
    In den Saal dürfen nur 50 Zuschauer hinein.
    In den Saal dürfen nur 50 Zuschauer hinein. © REUTERS | MICHAELA REHLE
    Auch Elif Kubasik nimmt an der Urteilsverkündung teil. Sie ist die Witwe des ermordeten Mehmet Kubasik, der am 4. April 2006 in seinem Kiosk in Dortmund von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschossen wurde.
    Auch Elif Kubasik nimmt an der Urteilsverkündung teil. Sie ist die Witwe des ermordeten Mehmet Kubasik, der am 4. April 2006 in seinem Kiosk in Dortmund von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschossen wurde. © REUTERS | MICHAELA REHLE
    Die Tochter des Ermordeten im Gerichtssaal.
    Die Tochter des Ermordeten im Gerichtssaal. © REUTERS | MICHAELA REHLE
    Abdulkerim Simsek (M.), Sohn des NSU-Opfers Enver Simsek.
    Abdulkerim Simsek (M.), Sohn des NSU-Opfers Enver Simsek. © REUTERS | MICHAELA REHLE
    Neonazi-Sympathisant Karl-Heinz Statzberger kurz vor Einlass ins Gericht.
    Neonazi-Sympathisant Karl-Heinz Statzberger kurz vor Einlass ins Gericht. © dpa | Matthias Balk
    Vor dem Gericht hält eine Person ein Transparent mit der Aufschrift „NSU Staat & Nazis Hand in Hand“ in die Luft.
    Vor dem Gericht hält eine Person ein Transparent mit der Aufschrift „NSU Staat & Nazis Hand in Hand“ in die Luft. © REUTERS | MICHAELA REHLE
    „Wieviel Staat steckt im NSU?
    „Wieviel Staat steckt im NSU?" fragt dieser Demonstrant. © dpa | Tobias Hase
    Klare Forderung.
    Klare Forderung. © REUTERS | MICHAELA REHLE
    Semiya Simsek, Tochter des von dem NSU ermordeten Enver Simsek, Blumenhändler in Nürnberg, kommt mit ihrem Kind zum Oberlandesgericht.
    Semiya Simsek, Tochter des von dem NSU ermordeten Enver Simsek, Blumenhändler in Nürnberg, kommt mit ihrem Kind zum Oberlandesgericht. © dpa | Matthias Balk
    Ismail Yozgat und Ayse Yozgat, Eltern des in Kassel am 6. April 2007 von dem NSU ermordeten Halit Yozgat, kommen zum Oberlandesgericht.
    Ismail Yozgat und Ayse Yozgat, Eltern des in Kassel am 6. April 2007 von dem NSU ermordeten Halit Yozgat, kommen zum Oberlandesgericht. © dpa | Matthias Balk
    Anja Sturm (l.) und Wolfgang Heer (r.), Pflichtverteidiger von Zschäpe, erreichen das Oberlandesgericht.
    Anja Sturm (l.) und Wolfgang Heer (r.), Pflichtverteidiger von Zschäpe, erreichen das Oberlandesgericht. © dpa | Matthias Balk
    Auf einer Kundgebung vor dem Oberlandesgericht werden Bilder der Opfer des NSU gezeigt.
    Auf einer Kundgebung vor dem Oberlandesgericht werden Bilder der Opfer des NSU gezeigt. © dpa | Matthias Balk
    Ein Fahrzeugkonvoi mit Angeklagten kommt zum Gebäude des Oberlandesgerichts. Die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ hatte zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Menschen in Deutschland ermordet.
    Ein Fahrzeugkonvoi mit Angeklagten kommt zum Gebäude des Oberlandesgerichts. Die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ hatte zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Menschen in Deutschland ermordet. © dpa | Sven Hoppe
    Polizeikräfte sorgen für Sicherheit.
    Polizeikräfte sorgen für Sicherheit. © REUTERS | MICHAELA REHLE
    Sicherheitszäune sind rund um das Gericht aufgestellt worden.
    Sicherheitszäune sind rund um das Gericht aufgestellt worden. © dpa | Matthias Balk
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    Angehörige der NSU-Opfer erheben Vorwürfe

    Bei allem juristischen Erfolg, dass das Verfahren mit Urteilen endet – über dem Prozess liegt ein dunkler Schatten. Die nach Bekanntwerden der NSU-Verbrechen von Bundeskanzlerin Angela Merkel versprochene vorbehaltlose Aufklärung gibt es bis heute nicht. Diesen Vorwurf erheben

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    und ihre Anwälte.

    Wer gehörte noch alles zum NSU-Netzwerk? Wie wurden die Opfer der rechtsextremen Terrorzelle ausgesucht? Das sind nur zwei der bis heute offenen Fragen.

    Gravierender Vertrauensverlust in Behörden

    Abdulkarim Simsek, der Sohn des ersten NSU-Mordopfers Enver Simsek, spricht davon, dass Mittäter des NSU bis heute weiter unbehelligt und frei draußen herumlaufen können. Er sei tief enttäuscht darüber, dass die Straftaten nicht weiter aufgeklärt werden, kritisierte er einen Tag vor der Urteilsverkündung.

    Der Vertrauensverlust ist gravierend. Deutsche Sicherheitsbehörden haben noch viel Arbeit vor sich, wollen sie das im vergangenen Jahrzehnt verspielte Vertrauen zurückgewinnen.

    Schnelle Anklagen gegen weitere mutmaßliche NSU-Helfer wären dafür ein erster Schritt. Daran müssen sich Sicherheitsbehörden und die Justiz nun messen lassen.