Themar. Tausende Neonazis fahren am Wochenende nach Themar. Die Stadt wehrt sich gegen das Festival, das auch der Verfassungsschutz beobachtet.

Etliche Einwohner der thüringischen Stadt Themar wollen mit Nationalsozialismus nichts zu tun haben. Trotzdem kommen jedes Jahr Tausende Neonazis in die Stadt – für ein Musik-Festival. Das sollten in diesem Jahr Braunkehlchen, Schlagschwirle und Bekassine verhindern. Geklappt hat es nicht.

Braunkehlchen, Schlagschwirle und Bekassine sind Vogelarten, die auf einer Feuchtwiese in der Nähe des Festival-Geländes nisten. Für Themars Bürgermeister Hubert Böse (parteilos) waren die seltenen Vögel die letzte Hoffnung, die rechte Szene von seiner Stadt fernzuhalten. Weil das für Freitag und Samstag geplante Konzert die Tiere bei der Aufzucht ihrer Jungen stören könnte, hatte es der Landkreis Hildburghausen verboten.

Festival-Veranstalter gewannen Rechtsstreit

Doch der Veranstalter zog dagegen vor Gericht – mit Erfolg. Am Mittwochabend die endgültige Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Weimar: Der

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sei rechtskräftig abgeschlossen und der Bescheid unanfechtbar, teilte das Gericht mit. Damit darf das Konzert wie geplant am Freitag und Samstag stattfinden.

Das Konzert sollte zum Schutz der Tiere abgesagt werden. Hier fliegt ein Braunkehlchen davon.
Das Konzert sollte zum Schutz der Tiere abgesagt werden. Hier fliegt ein Braunkehlchen davon. © imago/blickwinkel | H. Duty

Der zuständige Senat habe über die Beschwerde auch vor dem Hintergrund entscheiden müssen, dass der Landkreis „entgegengesetzt zu seinem in diesem streitgegenständlichen Versammlungsverbot mittlerweile einen wirksamen Auflagenbescheid“ für die Veranstaltung erlassen habe, begründete das OVG seinen Beschluss.

„Ich muss es wohl über mich ergehen lassen und etwas dafür tun, dass nicht zu viel von dieser Schande an Themar hängen bleibt“, sagte Bürgermeister Böse, der schon vor der Entscheidung aus Weimar nicht viel Hoffnung hatte, dass man das Festival noch verhindern kann. Denn selbst wenn das Verbot vor Gericht Bestand hätte, könnten die Rechten womöglich Ausweichflächen für ihr Konzert finden.

Einwohner starten die Aktion „Kein Bett für Nazis“

Im vergangenen Jahr waren rund 6000 Menschen angereist.
Im vergangenen Jahr waren rund 6000 Menschen angereist. © REUTERS | Michaela Rehle

Nicht nur Böse will sich gegen die „Schande“ stellen, wie er das rechte Konzert nennt. In einem offenen Brief rief das Bündnis für Demokratie und Weltoffenheit Kloster Veßra alle Hoteliers, Gastronomen und Campingplatzbetreiber dazu auf, Rechten keine Unterkunft anzubieten. Gleichzeitig forderte das Bündnis Thüringer Bürger auf, die Aktion „Kein Bett für Nazis“ zu unterstützen und zum Beispiel am Wochenende ein Zimmer in Südthüringen zu buchen, damit für die Teilnehmer des Festivals weniger Platz sei.

Man hoffe auf mindestens 800 Unterstützer vor Ort, sagte Thomas Jakob, Mitorganisator der „Tage der Weltoffenheit“ mit Gegenprotesten und Gedenkmärschen. „Wir wollen zeigen, dass Widerstand in Themar möglich ist.“

Friedensgottesdienst und Fahrgemeinschaften

Viele Einwohner sind gegen die Ideologie der Festival-Besucher – doch nicht alle.
Viele Einwohner sind gegen die Ideologie der Festival-Besucher – doch nicht alle. © REUTERS | Michaela Rehle

Bereits am Freitag soll es abends einen Friedensgottesdienst in der Kleinstadt geben, mit einer Demonstration im Anschluss. Für Samstag sind bis in die Nacht Andachten, Musik und Redebeiträge geplant. Mit einem Pilgermarsch soll der Todesopfer rechter Gewalt gedacht werden. „Wir wollen zeigen, dass diese Ideologie zu Tötungsdelikten führen kann“, sagte Jakob.

Mehrere Landespolitiker riefen die Bürger dazu auf, die „Tage der Weltoffenheit“ zu unterstützen. Die Linke-Abgeordnete Katharina König-Preuss kündigte an, mit einer parlamentarischen Beobachtungsgruppe in Themar zu sein. Sie forderte die Thüringer auf, Busse und Fahrgemeinschaften zu organisieren, um möglichst viele Menschen zu den Gegenprotesten nach Südthüringen zu bringen. Politiker von Linke, SPD und Grünen kündigten ihr Kommen an.

Schon letztes Jahr verstießen Teilnehmer gegen das Gesetz

Im vergangenen Jahr sollen auf dem Festival verbotene Lieder gespielt worden sein.
Im vergangenen Jahr sollen auf dem Festival verbotene Lieder gespielt worden sein. © REUTERS | Michaela Rehle

Während der Rechtsrock-Konzerte im vergangenen Jahr hatten sich viele Menschen in Themar mit ihrem Protest allein gelassen gefühlt. Die Politik habe sich nicht ausreichend beteilgt und einige Einwohner unterstützen die Ideologie der Nazis sogar. Einer davon ist Restaurantbesitzer und Ex-NPD-PolitikerTommy Frenck, wie „Spiegel Online“ berichtet.

In diesem Jahr scheint das Engagement gegen das Festival größer: Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) sagte, er habe bei seiner Partei dafür geworben, einen Bus zu mieten, um Genossen von Erfurt aus zu den Protesten nach Themar zu bringen. Immerhin hofft er auch, dass möglichst viele Einwohner mitmachen.

Im vergangenen Jahr kamen 6000 Besucher

Nach Einschätzung des Thüringer Verfassungsschutzes werden weit mehr Rechte zu dem Festival „Tage der nationalen Bewegung“ kommen, als vom Veranstalter angemeldet wurden. „Wir gehen derzeit von bis zu 1500 Teilnehmern aus“, sagte ein Sprecher der Behörde. Die genaue Zahl der Besucher hänge nicht zuletzt vom Wetter ab. Angemeldet zu dem Konzert seien 800 Menschen. Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan J. Kramer sagte, er beobachte mit Sorge, dass in extremistischen Kreisen bundesweit mobilisiert und auch zu Gewalt aufgerufen werde.

Bodo Ramelow über Finanzen des Rechtsrock-Konzertes in Themar

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    Im vergangenen Jahr wurde das Festival unter dem Namen „Rock gegen Überfremdung“ überregional bekannt. Rund 6000 Rechte aus ganz Europa waren zu dem Neonazitreffen in Themar angereist. Während der Veranstaltung haben Besucher und Bandmitglieder unter Anderem „Sieg Heil“ gerufen. Auch in Deutschland verbotene Lieder wurden laut Berichten gespielt. Insgesamt sei das Rechtsrockkonzert teuer für die Steuerzahler gewesen.

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    (sth/dpa)