Berlin. Schweinefleisch findet sich immer seltener auf den Speiseplänen von Kantinen. Ernährungsministerin Julia Klöckner hält das für falsch.

Das Schweineschnitzel verschwindet – zumindest von den Speiseplänen vieler Schulen und Kitas. Der Grund: Caterer und Kantinen bieten oft kaum noch Schweinefleisch an, manche haben es ganz aus dem Programm genommen.

„Das liegt daran, dass immer mehr Kunden vegetarische Gerichte essen wollen. Das liegt aber auch an der wachsenden Zahl von Kindern, die aus religiösen Gründen kein Schweinefleisch essen“, sagt Ulrike Arens-Azevedo, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). „Die Anbieter wollen nicht auf ihren Mahlzeiten sitzen bleiben – das ist also eine ganz pragmatische Entscheidung.“ Doch diese Entwicklung gefällt nicht allen.

„Schweinefleisch von der Speisekarte zu nehmen, hielte ich für falsch“,

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„Schulessen sollte eine gute Auswahl bieten, dazu gehört auch vegetarisches Essen oder welches ohne Schweinefleisch, aber nicht ausschließlich.“ Wichtig sei, dass die Ernährung vor allem gesund und ausgewogen sei. Es gebe natürlich umgekehrt auch „keine Pflicht, Schweinefleisch zu essen“.

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    Vor allem in Großstädten haben sich Kitas, Schulen und Caterer auf die veränderte Nachfrage eingestellt. Viele Kitas werben heute damit,

    – aber auch auf die Wünsche von Allergikern oder Vegetariern. Einzelne Einrichtungen verzichten deswegen bereits ganz auf Fleisch.

    Auch die Caterer haben ihr Angebot angepasst: Sie bieten Mahlzeiten nach „ethnisch-religiösen“ Wünschen oder haben ihr Programm gänzlich umgestellt: „Grundsätzlich verwenden wir in unserer Küche kein

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    und auch keine Gelatine“, erklärt ein Berliner Vollwert-Anbieter auf seiner Homepage.

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      Gesellschaft für Ernährung empfiehlt weniger Fleisch

      Doch es gibt noch einen anderen Grund, der zum schleichenden Verschwinden des Schweineschnitzels führt: Neben dem wachsenden Anteil muslimischer Kinder, neben dem Trend zu vegetarischer oder sogar veganer Ernährung kommen die Empfehlungen der Experten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die mittlerweile bundesweit gelten.

      Danach sollen Kinder und Jugendliche in Kitas und Schulen höchstens zweimal pro Woche Fleisch essen. Das darf Schweinefleisch sein, aber auch Rind, Lamm oder Geflügel.

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        Fleisch gehört für viele Eltern dazu

        Zwar halten sich noch längst nicht alle an diesen DGE-Standard – doch die Richtung ist klar: „Der Fleischanteil beim Essen in Schulen und Kitas ist insgesamt zu hoch und kann noch weiter reduziert werden“, sagt Kerstin Clausen, Ernährungsexpertin beim Nationalen Qualitätszentrum (NQZ) für Ernährung in Kita und Schule.

        Für Gesundheitsexperten ist der massenhafte Konsum von oft minderwertigem Fleisch in Schulen und Kitas ein unhaltbarer Zustand. Für viele Eltern dagegen, die der Auffassung sind, dass eine vollständige Mahlzeit ohne Fleisch keine ist, sind solche Regeln schwer vermittelbar.

        Zumal mancher argwöhnt, dass der Fleischverzicht nur aus Rücksichtnahme gegenüber muslimischen Schülern empfohlen wird. Doch das ist falsch: „Die DGE-Qualitätsstandards schließen Schweinefleisch nicht aus“, sagt Arens-Azevedo.

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          Großstadt-Trend noch lange nicht überall angekommen

          Während in Schulen und Kitas in vielen Großstädten der Trend weg vom Fleisch bereits sichtbar ist, ist die Entwicklung in anderen Regionen noch kaum zu spüren. In Thüringen etwa, so ergab eine aktuelle Umfrage, landet viermal pro Woche Fleisch auf dem Teller.

          Auch in Nordrhein-Westfalen gebe es viele Schulen mit täglichen Fleischmahlzeiten, berichtet Ursula Tenfelde-Weber von der Vernetzungsstelle Schulverpflegung in Düsseldorf. Dabei gilt auch hier: Zweimal in der Woche Würstchen oder Geschnetzeltes reicht für eine gesunde Ernährung vollkommen aus.

          Muss Schulessen noch mehr subventioniert werden?

          Das sieht Ministerin Klöckner genauso. „Mir ist wichtig, dass unsere Kinder von klein auf die Möglichkeit bekommen, gesund groß zu werden. Das Essen in Schulen und Kantinen trägt ganz wesentlich dazu bei“, so die CDU-Politikerin. Sie unterstütze die DGE-Standards. Diese Empfehlungen, zum Beispiel Fleisch und Wurst innerhalb von vier Schulwochen maximal achtmal anzubieten, würden auch „immer öfter umgesetzt“, so Klöckner.

          Doch reicht das, um die Qualität des Schulessens zu verbessern? Muss Schulessen zum Beispiel noch mehr als bisher subventioniert werden? Klöckners Vorgänger Christian Schmidt

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            Klöckner sieht Subventionen skeptisch

            Der CSU-Politiker wollte eine Absenkung oder Streichung der Mehrwertsteuer für Kantinen und Caterer, wie es zum Teil in anderen EU-Ländern üblich ist. Klöckner dagegen ist skeptisch: „Eine pauschale Absenkung der Mehrwertsteuer für Schulessen wäre ein Trugschluss und trägt nicht automatisch zu gesünderer Verpflegung bei.“

            Schulverpflegung wird in Deutschland mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belegt, wenn mit dem gelieferten Essen eine Dienstleistung verbunden ist, etwa die Essensausgabe, die Reinigung des benutzten Geschirrs oder des Mobiliars. Wird dagegen von einem Caterer lediglich das Essen geliefert, unterliegt es dem ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent.

            Ernährungsministerium untersucht Kostenentwicklung

            DGE-Präsidentin Arens-Azevedo hält Steuererleichterungen für sinnvoll: „Eine generelle Absenkung der Mehrwertsteuer für Essen in Schulen und Kitas auf sieben Prozent wäre ein erster Schritt. Das würde den Kostendruck für einen großen Teil der Anbieter zumindest ein wenig reduzieren.“ Der Kostendruck sei nicht zuletzt durch Tarifsteigerungen und den Mindestlohn deutlich stärker geworden.

            Gut möglich, dass Klöckner ihre Position noch ändert. Denn: Ihr Ministerium lässt gerade in einer bundesweiten Studie ermitteln, wie sich Preise und Kosten für das Essen in Schulkantinen und Kitas entwickelt haben. Aktuell kostet die Eltern eine Mahlzeit im Durchschnitt rund 3,50 Euro. Das ist knapp kalkuliert. „Steuerliche Erleichterungen würden die Handlungsspielräume der Caterer verbessern“, sagt Ernestine Tecklenburg, DGE-Expertin für Schulverpflegung.