Neumünster/Berlin. Carles Puigdemont hat das Gefängnis in Neumünster gegen Kaution verlassen. Die Auslieferung nach Spanien droht ihm trotzdem weiter.

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um 13.51 Uhr am Freitagmittag die Justizvollzugsanstalt in Neumünster verlässt. „Es lebe Katalonien, es lebe der Präsident“, ruft auf Katalanisch einer seiner Anhänger, die hier auf ihn warten. Puigdemont, gefolgt von seinem deutschen Anwalt Wolfgang Schomburg, stellt sich vor die Kameras und beginnt auf Deutsch: „Ich möchte mich bei allen bedanken für Ihre Hilfe und Solidarität. Vielen Dank.“

Dann wechselt der 55-Jährige ins Englische: „Wir kämpfen nicht nur für die Unabhängigkeit, sondern für die Demokratie“, erklärt der Separatistenführer. Er fordert die Entlassung seiner inhaftierten Mitstreiter in Spanien. Puigdemont muss zwar nicht mehr in der Gefängniszelle sitzen – doch seine Auslieferung an die spanischen Behörden ist damit nicht vom Tisch.

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setzte ihn aber unter Auflagen aus. Nach knapp zwei Wochen in einem deutschen Gefängnis ist der katalanische Separatistenführer damit vorerst auf freiem Fuß. Das Tauziehen um die Auslieferung kann sich allerdings noch mehrere Wochen hinziehen.

Die Entscheidung über eine Auslieferung soll laut Gesetz innerhalb von 60 Tagen nach der Festnahme fallen. Puigdemont war am 25. März aufgrund eines von Spanien initiierten europäischen Haftbefehls auf der A7 in Schleswig-Holstein bei der Rückreise aus Skandinavien von der Polizei gestoppt worden.

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    Muss er in Deutschland bleiben?

    Puigdemont darf Deutschland nicht verlassen, muss jeden Wechsel des Aufenthaltsortes mitteilen, sich einmal wöchentlich bei der Polizei in Neumünster melden und hat Vorladungen der Justiz Folge zu leisten. Zu den Auflagen gehört zudem die Hinterlegung einer Kaution von 75.000 Euro.

    Die separatistische Organisation ANC (Katalanische Nationalversammlung) teilte auf Twitter mit, dass die Kaution aus der sogenannten Solidaritätskasse der ANC und des Kulturvereins Omnium Cultural bezahlt worden sei. Das Geld ging am Freitagmorgen ein, kurz darauf verließ Puigdemont das Gefängnis, später teilte er via Twitter mit, er gehe nach Berlin.

    Es hieß, er wolle dort am Samstagabend eine Pressekonferenz geben. Nicht ganz abwegig ist auch die Gefahr, dass der Separatistenführer nun abtaucht. Puigdemont könnte versuchen, in ein Land zu gelangen, indem ihm keine Auslieferung droht.

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    – den von der spanischen Justiz vorgebrachten Hauptvorwurf der Rebellion verwarfen die Schleswiger Richter. Damit könnte ­Puigdemont in Spanien allenfalls noch wegen Untreue angeklagt werden, sollte er von Deutschland auf der Grundlage des europäischen Haftbefehls tatsächlich ausgeliefert werden. Dies sehen die Vereinbarungen zwischen den EU-Mitgliedsländern über das vereinfachte europäische Auslieferungsverfahren vor.

    Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg: Zunächst müsste die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig beim (OLG) beantragen zu prüfen, ob eine Auslieferung Puigdemonts wegen Untreue rechtlich zulässig ist. Denn: Das OLG hat bislang nur über den Auslieferungshaftbefehl, noch nicht aber über eine Auslieferung selbst entschieden.

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      Welche Strafe droht dem Separatisten in Spanien?

      Der katalanische Separatistenchef sollte sich ursprünglich wegen seines illegalen Unabhängigkeitsprozesses verantworten: Rebellion kann in Spanien mit bis zu 30 Jahren Haft geahndet werden. Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts ergibt sich für Spaniens Justiz nun eine paradoxe Situation: Jenen katalanischen Separatistenführern, die bereits in Spanien in Untersuchungshaft sitzen, kann wegen Rebellion der Prozess gemacht werden. Doch der Mann, der als Kopf der illegalen Unabhängigkeitsbeschlüsse gilt, darf nur wegen des minder schweren Vorwurfs der Untreue angeklagt werden.

      Damit hätte sich die Flucht Puigdemonts ins europäische Ausland für ihn durchaus ausgezahlt. Aber: Auch Veruntreuung kann in Spanien in besonders schweren Fällen mit bis zu zwölf Jahren Gefängnis bestraft werden. Die spanischen Behörden werfen Puigdemont als damaligem Regionalpräsidenten Kataloniens vor, das verbotene Unabhängigkeitsreferendum habe 1,6 Millionen Euro öffentliche Gelder gekostet.

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        Kann ihn die spanische Justiz doch noch wegen Rebellion belangen?

        Wird Puigdemont von Deutschland ausgeliefert, darf Spanien ihn nur noch wegen Untreue verurteilen – andernfalls wäre es ein Verstoß gegen europäisches Recht. Puigdemonts spanischer Anwalt Jaume Alonso-Cuevillas wertete die deutsche Gerichtsentscheidung daher auch als „großen Erfolg“. Sein deutscher Anwalt Wolfgang Schomburg sagte: „Der Vorwurf der Rebellion ist endgültig vom Tisch.“ Es gibt aber noch eine juristische Hintertür: Spanien könnte den europäischen Haftbefehl zurücknehmen und versuchen, Puigdemont auf andere Weise festzunehmen. In einem solchen Fall wäre dann eine Haftstrafe wegen Rebellion wieder zulässig.

        Wie reagiert Madrid?

        Noch am Donnerstagabend erklärte ein Regierungssprecher in Madrid, dass richterliche Entscheidungen immer respektiert würden. Das Oberste Gericht Spaniens erwägt jedoch nach der Zurückweisung des Hauptvorwurfs der Rebellion, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg einzuschalten, um den Fall Puigdemont dort überprüfen zu lassen.