Schleswig/Neumünster. Carles Puigdemont hat die JVA Neumünster verlassen. Der Generalstaatsanwalt hatte zuvor die Freilassung des Separatistenchefs verfügt.

Die Frühlingssonne bringt seinen grauen Anzug zum Glühen, als Carles Puigdemont am Freitag um 13.57 am Freitagmittag die Justizvollzugsanstalt (JVA) Neumünster verlässt. „Es lebe Katalonien, es lebe der Präsident“, ruft auf Katalanisch einer der 150 Menschen, die ihn erwarten.

Die meisten von ihnen sind Journalisten, die schon seit den frühen Morgenstunden ihre Kameras und Mikrofone auf dem Parkplatz der JVA positioniert haben. Puigdemont, gefolgt von seinem deutschen Anwalt Wolfgang Schomburg, stellt sich vor die Kameras und bedankt sich zuerst auf Deutsch für die Gastfreundschaft. Dann auf Englisch: „Wir kämpfen nicht nur für die Unabhängigkeit, sondern für die Demokratie. Die spanischen Behörden haben keine Ausrede dafür, nicht den Dialog mit uns zu suchen. Zeit, Politik zu machen!“

Zuvor hatte der schleswig-holsteinische Generalstaatsanwalt die sofortige Freilassung angeordnet, nachdem Puigdemont alle Auflagen der Haftverschonung erfüllt hatte – unter anderem eine Kaution von 75.000 Euro. Das Oberlandesgericht Schleswig hatte am Donnerstag zwar einen

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erlassen, ihn aber unter Auflagen ausgesetzt.

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Gericht fordert weitere Klärungen zum Untreue-Vorwurf

Das Oberlandesgericht hatte den Auslieferungshaftbefehl nur wegen des Vorwurfs der Untreue erlassen – den von der spanischen Justiz vorgebrachten Hauptvorwurf der Rebellion verwarfen die Schleswiger Richter. Zudem hält das Gericht zum Untreue-Vorwurf weitere Klärungen und mehr Informationen für nötig.

Puigdemont kommt gegen Auflagen frei - Statement des Oberlandesgerichts

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    Die spanische Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy reagierte mit Bedauern. „Einige Justizentscheidungen gefallen uns besser, andere weniger“, sagte Justizminister Rafael Catalá in einer ersten Reaktion in Madrid. Justizentscheidungen seien aber zu akzeptieren. Über die Möglichkeit eines Einspruchs müsse die deutsche Staatsanwaltschaft entscheiden.

    Von vielen Katalanen wurde die Nachricht aus Deutschland mit Begeisterung aufgenommen, von größeren Kundgebungen wurde am Abend jedoch nichts bekannt.

    Mehrere Auflagen für Puigdemont

    Für die Haftverschonung musste Puigdemont neben der Kautionszahlung vier weitere Auflagen erfüllen: Er darf Deutschland nicht verlassen, muss jeden Wechsel des Aufenthaltsorts mitteilen, sich einmal wöchentlich bei der Polizei in Neumünster melden und hat Ladungen des Generalstaatsanwalts und des Oberlandesgerichts zu folgen.

    Das Gericht in Schleswig hatte in einer schriftlichen Mitteilung erklärt, der 1. Senat des OLG sei der Auffassung, „dass sich hinsichtlich des Vorwurfs der „Rebellion“ die Auslieferung als von vornherein unzulässig erweist“. Der nach deutschem Recht in Betracht kommende Straftatbestand des Hochverrats sei nicht erfüllt, weil Puigdemont zuzurechnende Gewalttaten in Katalonien kein Ausmaß erreicht hätten, das den Willen der spanischen Verfassungsorgane hätte beugen können.

    Etwas anderes gelte für den Vorwurf der „Korruption“ in Form der Untreue. Insoweit erweise sich die Auslieferung „nicht als von vornherein unzulässig“, erklärte das OLG. Für diesen Punkt seien aber weitere Klärungen und mehr Informationen nötig. Die spanischen Behörden werfen Puigdemont als damaligem Regionalpräsidenten Kataloniens vor, das verbotene Unabhängigkeitsreferendum habe 1,6 Millionen Euro öffentliche Gelder gekostet.

    Keine Anhaltspunkte für politische Verfolgung in Spanien

    Anhaltspunkte dafür, dass Puigdemont in Spanien politischer Verfolgung ausgesetzt sein könnte, waren für den Senat nicht ersichtlich.

    Puigdemonts Anwälte erklärten mit Bezug auf den Untreue-Vorwurf: „Wir respektieren, dass das Gericht in dieser für das europäische Demokratieverständnis richtungsweisenden Sache nicht über die Auslieferung entscheiden möchte, ohne der spanischen Justiz noch ein weiteres Mal Gelegenheit zu geben, den einzig noch in Betracht kommenden Vorwurf zu belegen.“

    Der ehemalige Regionalpräsident von Katalonien war am 25. März im Gefängnis von Neumünster in Gewahrsam gekommen, nachdem er auf der Rückfahrt von einer Skandinavienreise in Schleswig-Holstein festgenommen worden war. Grundlage war ein Europäischer Haftbefehl. Die Generalstaatsanwaltschaft von Schleswig-Holstein hatte das spanische Auslieferungsersuchen für zulässig erachtet und beim Oberlandesgericht einen Auslieferungshaftbefehl beantragt.

    Puigdemont in Deutschland im Gefängnis

    Der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont ist in Deutschland festgenommen worden. Hintergrund ist ein europäischer Haftbefehl. In Spanien wird gegen Puigdemont wegen des verbotenen Unabhängigkeitsreferendums vom Oktober unter anderem wegen Rebellion ermittelt.
    Der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont ist in Deutschland festgenommen worden. Hintergrund ist ein europäischer Haftbefehl. In Spanien wird gegen Puigdemont wegen des verbotenen Unabhängigkeitsreferendums vom Oktober unter anderem wegen Rebellion ermittelt. © dpa | Manu Fernandez
    In diesem Fahrzeug soll der Politiker nach seiner Festnahme ins Gefängnis gebracht worden sein.
    In diesem Fahrzeug soll der Politiker nach seiner Festnahme ins Gefängnis gebracht worden sein. © REUTERS | FABIAN BIMMER
    Die Justiz in Schleswig-Holstein prüft derzeit, ob Puigdemont in Auslieferungshaft genommen wird. Eine Entscheidung wird für Montag erwartet.
    Die Justiz in Schleswig-Holstein prüft derzeit, ob Puigdemont in Auslieferungshaft genommen wird. Eine Entscheidung wird für Montag erwartet. © dpa | Carsten Rehder
    Der ehemalige Regionalpräsident Kataloniens wurde nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa in die Justizvollzugsanstalt Neumünster gebracht.
    Der ehemalige Regionalpräsident Kataloniens wurde nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa in die Justizvollzugsanstalt Neumünster gebracht. © REUTERS | FABIAN BIMMER
    Puigdemont war am Sonntagmittag nach Polizeiangaben bei der Einreise aus Dänemark auf einer Autobahnraststätte an der A7 bei Schleswig gestoppt worden.
    Puigdemont war am Sonntagmittag nach Polizeiangaben bei der Einreise aus Dänemark auf einer Autobahnraststätte an der A7 bei Schleswig gestoppt worden. © dpa | Benjamin Nolte
    In Barcelona versammelten sich Tausende Menschen aus Protest gegen die Festnahme des ehemaligen katalonischen Regionalpräsidenten.
    In Barcelona versammelten sich Tausende Menschen aus Protest gegen die Festnahme des ehemaligen katalonischen Regionalpräsidenten. © REUTERS | ALBERT GEA
    Sie fordern Deutschland auf, Puigdemont nicht auszuliefern.
    Sie fordern Deutschland auf, Puigdemont nicht auszuliefern. © dpa | Emilio Morenatti
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    Puigdmonts Anwalt: OLG-Entscheidung ist großer Erfolg

    Hintergrund ist das von der Zentralregierung in Madrid untersagte und vom spanischen Verfassungsgericht für verfassungswidrig eingestufte Referendum vom 1. Oktober 2017 über die Unabhängigkeit Kataloniens sowie ein anschließender Abspaltungsbeschluss der Separatisten. Der Politiker war angesichts des anschließenden massiven Vorgehens der spanischen Behörden nach Belgien geflüchtet.

    Die OLG-Entscheidung bedeutet für den Katalanen nach den Worten seines spanischen Anwalts Jaume Alonso-Cuevillas einen „großen Erfolg“. Denn mit dem Vorwurf der Rebellion drohten ihm in Spanien bis zu 30 Jahre Haft. Sollte er am Ende des juristischen Verfahrens von Deutschland tatsächlich nach Spanien ausgeliefert werden, dürfte er dort allenfalls noch wegen Untreue angeklagt werden – weil Rebellion als Auslieferungsgrund abgelehnt wurde. (ram/dpa)