Tel Aviv/Berlin. Militärexperten in Jerusalem vermuten den Iran hinter dem Abschuss des israelischen F16-Kampfjets. Der Iran weist die Vorwürfe zurück.

Am Sonnabend um kurz vor halb fünf am Morgen wurden die Bewohner der nordisraelischen Stadt Bet She’an von einem lauten Knall geweckt. „Kurz darauf kam der Alarm, und wir hörten, dass eine Menge

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und Flugzeuge in der Luft waren“, berichtete ein israelischer Bürger.

Was sich in den frühen Stunden des jüdischen Sabbats im Himmel über Bet She’an ereignete, war der Beginn einer heftigen Auseinandersetzung zwischen israelischen sowie syrischen und – so Quellen in Jerusalem – iranischen Kräften.

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. Es war die bisher schwerste Eskalation an Israels Nordgrenze seit dem Beginn des syrischen Bürgerkriegs vor bald sieben Jahren.

F16-Kampfjet im israelischen Luftraum getroffen

Nach israelischen Angaben ist Folgendes passiert: Iranische Kräfte hatten von der syrischen Luftwaffenbasis T4 in der Region Palmyra, rund 340 Kilometer von Bet She’an entfernt, eine Drohne Richtung Israel geschickt. Einige Kilometer südlich der Golanhöhen überflog das unbemannte Flugobjekt die Grenze.

Ein israelischer Apache-Hubschrauber schoss die Drohne mit einer Rakete ab. Daraufhin zerstörten israelische Kampfjets die Kontrollstelle der Drohne, einen fahrenden Lkw auf der syrischen Luftwaffenbasis, bevor sie unter schweres syrisches Abwehrfeuer kamen. Ein F16-Flugzeug wurde im israelischen Luftraum getroffen und stürzte in der Nähe der Hafenstadt Haifa ab. Die beiden Piloten konnten sich mit dem Schleudersitz retten, wobei einer schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert wurde.

Israelischer Militäranalyst spricht von „massiver Provokation“

Als Vergeltung auf den F16-Abschuss flogen israelische Flieger eine zweite Angriffswelle, bei der insgesamt zwölf Ziele in Syrien getroffen wurden. „Darunter waren drei Luftabwehrstellungen und vier militärische iranische Ziele“, wie ein israelischer Armeesprecher auf Twitter mitteilte.

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    „Das war eine vollständig vom Iran kontrollierte Operation“, sagte Amos Harel, israelischer Militäranalyst und Journalist der Zeitung „Haaretz“. Er sieht darin eine „massive Provokation“. Der Iran versuche, Israels Reaktion zu testen.

    Iran bestreitet Vorwürfe

    Die mit Syrien verbündeten Milizen wiesen den Vorwurf zurück, eine iranische Drohne sei in Israels Luftraum eingedrungen. Dabei handele es sich um eine „Lüge und Verleumdung“, hieß es in einer Stellungnahme des Operationsraumes der Verbündeten Syriens, an dessen Spitze ein hoher iranischer General steht. Die Drohne sei im Einsatz gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) gewesen. Die israelischen Luftangriffe auf Ziele in Syrien seien ein „Terrorakt“.

    Der Iran erklärte, das Land habe keine Drohnen in Syrien. „Diese Vorwürfe der Zionisten (Israels) sind so lächerlich, dass wir gar nicht darauf eingehen werden“, erklärte Außenamtssprecher Bahram Ghassemi. Der Iran agiere in Syrien nur als militärischer Berater.

    Iran hat Präsenz in Syrien offenbar ausgebaut

    Westliche Geheimdienstquellen sehen die Lage anders. Demnach hat der Iran seine Präsenz in Syrien in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut. Beobachter gehen davon aus, dass dort zumindest Hunderte iranischer Revolutionsgardisten und Militärberater sowie Tausende Kämpfer von schiitischen Milizen stationiert sind.

    Der schiitische Iran ist mit Syrien verbündet, dessen Machthaber Baschar al-Assad der schiitischen Sekte der Alewiten angehört. Zudem finanziert Teheran die schiitischen Hisbollah-Milizen im Iran, die in Syrien an der Seite der Regierungstruppen kämpfen. Nach Informationen westlicher Geheimdienste hat der Iran das Ziel, eine schiitische Achse zwischen Teheran, Bagdad, Damaskus und Beirut zu bilden. Damit solle der eigene regionalpolitische Einflussbereich zementiert werden.

    Israel fürchtet Bedrohung durch Iran

    Die Regierung in Jerusalem hat die Sorge, dass ein machtpolitisch expandierender Iran früher oder später Israel bedrohen könnte. Yossi Kuperwasser, früherer Generaldirektor im israelischen Ministerium für strategische Angelegenheiten, betonte: „Wir sehen einen Versuch der Iraner, die Situation in Syrien nach ihren Gunsten zu formen, während wir uns dem Ende des Bürgerkriegs nähern.“

    Das Land solle zu einer Basis für Truppen des Regimes und für Terroristen werden, die von dort aus gegen Israel operieren könnten. Außerdem sollen über Syrien moderne Waffensysteme an die Hisbollah-Miliz im Libanon geliefert werden, um später Israel von dort aus zu attackieren.

    Netanjahu spricht mit Putin und Tillerson über jüngste Eskalation

    Am Samstagabend äußerte sich auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und warnte vor einer neuen Eskalation an seiner Nordgrenze. Israel strebe nach Frieden, werde sich aber vor „jedem Angriff verteidigen und vor jedem Versuch, seine Souveränität zu verletzen“, sagte Netanjahu nach Beratungen mit Verteidigungsminister Avigdor Lieberman und Generalstabschef Gadi Eisenkot.

    Netanjahu sagte, er habe angesichts der Eskalation mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und US-Außenminister Rex Tillerson telefoniert. Mit Putin habe er vereinbart, dass die militärische Koordinierung Israels mit Russland weitergehen werde. Russland unterstützt den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, spricht sich aber regelmäßig mit Israel ab.

    Alle Augen richten sich nun auf Russland

    Die israelische Luftwaffe hatte in der Vergangenheit immer wieder Stellungen der Hisbollah in Syrien bombardiert. Nach Einschätzung von israelischen Sicherheitskreisen hat Premierminister Benjamin Netanjahu für derlei Aktionen die Billigung von Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Die sunnitischen Golfstaaten betrachten dies zumindest insgeheim mit Wohlwollen. Auch sie befürchten eine Ausweitung des iranischen Einflusses in der Region. Aus Geheimdienstkreisen heißt es, dass es informelle Absprachen zwischen Israel und Saudi-Arabien gebe.

    Alle Augen richten sich nun auf

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    . Das Außenministerium in Moskau reagierte besorgt auf die neuesten Entwicklungen in Syrien. Alle Seiten sollten Handlungen vermeiden, die die Lage weiter erschweren würden. Offen ist, ob Russland eingreifen würde, wenn es in Syrien zu noch heftigeren militärischen Zusammenstößen wie am Sonnabend käme. (mit dpa)