Stuttgart. Im Fall Anis Amri haben sich Behörden die Schuld gegenseitig zugeschoben. Die Staatsanwaltschaften kämpfen gegen eine Wiederholung.

Der Terrorist

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konnte vor allem deshalb einen Anschlag in Berlin verüben, weil Polizei und Justiz ihr Wissen über den Täter nicht abstimmten. Die Staatsanwaltschaften in Deutschland arbeiten jetzt daran, dass solche Kommunikationspannen nicht noch einmal passieren.

Wie nötig Reform der Staatsanwaltschaften waren und sind, zeigt aber nicht nur der extreme Einzelfall um Anis Amri. Auch blanke Zahlen verdeutlichen die Probleme. Vor dem Berliner Anschlag waren für Ermittlungen im Staatsschutzbereich etwa in Baden-Württemberg 21 Staatsanwaltschaften zuständig, nun seien es 3. Auch andere Bundesländer wollen die Kompetenzen bei Straftaten von Extremisten nun bündeln.

Behörden sollen in Zukunft mehr Sammelverfahren einleiten

„In den Bundesländern wurden Staatsschutzzentren geschaffen und die Zuständigkeiten konzentriert“, sagte der Stuttgarter Generalstaatsanwalt Achim Brauneisen der Deutschen Presse-Agentur. Außerdem wurde ein Gefährdermanagement eingeführt, damit es schnell und rechtzeitig zu Sammelverfahren kommt.

„Wir wollen damit Fehlerquellen, die sich aus der föderalen Struktur der Strafverfolgung ergeben können, eindämmen“, erklärte Brauneisen. Der Jurist ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe Extremismus der deutschen Generalstaatsanwälte. Die Neuaufstellung der Strafverfolgungsbehörden ging auf eine Initiative Brauneisens zurück.

Der Fall Anis Amri -- Chronik eines Terroranschlags

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    Untersuchungsausschüsse befassen sich mit dem Fall Amri

    Der tunesische Attentäter Anis Amri war am Abend des 19. Dezember 2016 mit einem gekaperten Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gerast. Bei dem bislang schwersten islamistischen Anschlag auf deutschem Boden starben zwölf Menschen. Um die Hintergründe der Tat aufzuklären, hatten die Landesparlamente von Berlin und Nordrhein-Westfalen bereits im vergangenen Jahr Untersuchungsausschüsse eingerichtet.

    Der Bundestag steht vor der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Auch dieses Gremium soll Versäumnisse der Behörden aufdecken und daraus Konsequenzen für deren Arbeit ziehen.

    Attentäter war Behörden schon lange als Gefährder bekannt

    Amri, der sich unter verschiedenen Identitäten als Asylbewerber in mehreren Bundesländern aufhielt, war den Behörden als sogenannter Gefährder schon länger bekannt. Dennoch war er vom Radar der Behörden verschwunden. Zig Stellen waren mit ihm befasst, ohne es voneinander zu wissen. „Dies wird jetzt anders“, sagte Brauneisen.

    Im Fall Amri wurden Verfahren von verschiedenen Stellen nicht ausreichend koordiniert betrieben. „In den neuen Staatsschutzzentren laufen die Verfahren mit Staatsschutzbezug jetzt zusammen.“ Es sei nun besser gewährleistet, dass in unterschiedlichen Bezirken oder mehreren Ländern anhängige Verfahren gegen Terrorismusverdächtige in Sammelverfahren zusammengeführt werden. Außerdem wurde die Zuständigkeit für Terrorismusermittlungen in den Ländern radikal auf eine oder wenige Staatsanwaltschaften konzentriert, sagte Brauneisen.

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      Ein Beispiel ist dabei Baden-Württemberg. Die Verfahren bei der Generalstaatsanwaltschaft in Stuttgart mit Extremismusbezug steigen stetig. „Im letzten Jahr hat der Generalbundesanwalt 74 Verfahren an uns abgegeben, im Jahr davor waren es 18“, sagte die oberste Terrorfahnderin in Baden-Württemberg, Sandra Bischoff, der dpa. Diese Ermittlungsverfahren betreffen vor allem Organisationen, die dem islamistischen Terrorismus zuzuordnen sind. (dpa)