Berlin. Bei den Jamaika-Unterhändlern kehrt Ernüchterung ein. Wie erwartet knirschte es deutlich hörbar bei den Themen Klima und Flüchtlinge.

Es ging es nicht mehr weiter. Die Verhandlungen waren festgefahren. CDU, CSU, FDP und Grüne kamen am späten Donnerstagabend überein, dass es jetzt wohl erst mal am klügsten ist, sich zu vertagen.

Es ist kein Abbruch. Aber ein Dämpfer. Es sieht so aus, als könnten die Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition noch komplizierter werden als befürchtet. Knackpunkte waren am Donnerstag Flucht und Migration sowie Klima und Energie. Davor hatte es beim Thema Europa kaum Reibereien gegeben.

Keine Einigung in Sicht beim Thema Zuwanderung

Nach den Verhandlungen stellten sich wie gewohnt die Generalsekretäre vor die Kameras. Sie wirkten weniger positiv als an den noch recht harmonischen Abenden der vergangenen Woche. Am entspanntesten wirkte noch Peter Tauber. „Wenn’s leicht wär’, könnte es jeder“, sagte der CDU-Generalsekretär. Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner sah hingegen schon ein bisschen genervt aus, als er sagte, die Unterschiede in der Flüchtlingspolitik seien „gravierend“.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer pochte auf „klare Botschaften der Begrenzung der Zuwanderung“. Zwei Meinungen, keine Einigung in Sicht. Aus dem Verhandlungsumfeld hieß es am späten Donnerstagabend, dass sich in den nächsten Tagen eine Spitzenrunde zu den strittigen Themen treffen wird, also nur die Verhandlungsführer der Parteien. Es werde auch in den nächsten Tagen „ordentlich knirschen“, sagte Scheuer voraus.

Berichte über rauen Ton bei Jamaika-Sondierungen

Es war von Anfang an ein unruhiger, konfliktreicher Tag im politischen Berlin. Vor Beginn der Gespräche am Donnerstagmorgen fragte FDP-Vize Wolfgang Kubicki im Spaß, ob man nicht auf Englisch verhandeln könne. Die deutsche Sprache sei offenbar nicht so eindeutig, wie er immer gedacht habe. Die Grünen hatten aus Sicht der FDP am Vortag das Ziel eines

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wieder leicht zurückgenommen. Das sorgte für Verstimmung bei den Liberalen.

Auch Grünen-Chef Cem Özdemir wollte erst einmal über die Umgangsformen sprechen. Man könne sich nicht auf Arbeitsgrundlagen verständigen, die Einzelne dann „sehr mutwillig“ interpretierten, sagte er sichtlich verstimmt vor den Verhandlungen. Die Grünen haben sich vor allem daran gestört, dass FDP-Chef Christian Linder aus dem Finanzpapier bereits eine „finanzpolitische Trendwende“ ableitete.

In der Parlamentarischen Gesellschaft soll Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) anschließend ein Machtwort gesprochen haben: Noch nichts sei vereinbart, das Uminterpretieren von abgestimmten Papieren solle in Zukunft unterlassen werden. Rau sei der Ton bei dieser „Therapiesitzung“ gewesen, hieß es. Gewitter über Jamaika.

Vor den Gesprächen hatte die CSU Härte demonstriert

Migration/Flucht: Die Verhandlungen über das wohl strittigste Thema der Sondierungen waren hart in der Sache und meist sachlich im Ton. Es gab keine Annäherung. Uneinigkeit herrschte etwa bei Familiennachzug, Begrenzung der Migration und den sicheren Herkunftsländern.

Kurz vor den Gesprächen hatte die

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht am 24.10.2017 in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin zu Beginn der Sondierungsverhandlungen zwischen CDU, CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen mit Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Themenblöcke sind bei den nächtlichen Verhandlungen Finanzen, Haushalt, Steuern und Europa. Foto: Kay Nietfeld/dpa [ Rechtehinweis: (c) dpa ]
Von Julia Emmrich, Jochen Gaugele und Christian Unger

demons­triert. „Ohne eine Begrenzung auf maximal 200.000 Menschen pro Jahr bleibt Jamaika eine Insel in der Karibik – und wird keine Koalition in Berlin“, sagte Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Die CSU steht unter Druck. Nach den hohen Verlusten bei der Bundestagswahl muss ein sichtbarer Erfolg in der Flüchtlingsfrage her, sonst droht der Verlust der absoluten Mehrheit bei der Landtagswahl im kommenden Jahr.

Klima und Migration - "thematische Schwergewichte" auf dem Weg nach Jamaika

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