Berlin. Die Terrororganisation Al-Qaida zielt im Wettstreit mit dem IS nun auf das Schienennetz. Sicherheitsbehörden nehmen die Drohung ernst.
Das Bundeskriminalamt (BKA) befürchtet, dass sich der islamistische Terrorismus ein Ziel neu gesteckt hat, das extrem schwer zu schützen ist:
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Im Juli wurden auf einem Internetforum, das dem „Islamischen Staat“ (IS) nahesteht, Szenarien durchgespielt, um in Europa Züge entgleisen zu lassen.
Als „erstrebenswertes Ziel“ muss das schwere Unglück im bayerischen
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herhalten, bei dem im Februar 2016 zwölf Menschen ums Leben kamen. Und im August folgten dann in der Online-Ausgabe des Magazins von Al-Qaida detaillierte Anleitungen für Anschläge auf Bahnstationen, Lokomotiven, Waggons und Gleissystem.
Letztes Selbstmordattentat in St. Petersburg
Die ehemals gefährlichste Terrororganisation ist
eher ins Hintertreffen geraten. Will die Organisation ihre verbliebenen Anhängern zu spektakulären Anschlägen anstacheln? Das letzte (Selbstmord)Attentat in Europa, das Al-Qaida zugeschrieben wird, war
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Dazu bekannte sich das Imam-Schamil-Bataillon, das mit Al-Qaida verbunden ist.
In den USA sorgte das Al-Qaida-Magazin kurz nach seinem Erscheinen Mitte August für Schlagzeilen. In Deutschland blieb es in der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt. Umso genauer wurde die Anleitung zu Terrorattacken allerdings vom Gemeinsamen Internetzentrum (GIZ) entdeckt und ausgewertet.
Das GIZ ist eine Plattform von BKA, Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienstes Militärischer Abschirmdienst und Generalbundesanwaltschaft. Mehr als alle anderen ist in des die Bundespolizei gefordert: Sie ist für die Sicherheit der Bahn zuständig.
Attentäter von Nizza und Paris folgten Al-Qaida-Anleitung
Die Bundespolizei stützt sich dabei auf die Gefährdungsbewertung des BKA. „Anschläge auf den Zugverkehr durch Sabotage der Eisenbahnschienen scheinen in den Gedankenspielen dschihadistischer Gruppierungen einen immer größeren Platz einzunehmen“, erklärte eine BKA-Sprecherin unserer Redaktion. Zwar fehlen Deutschlandbezüge – Al-Qaida hat das Streckennetz in den USA im Visier. Gleichwohl sind Anschläge dieser Art nach Ansicht aller Sicherheitsbehörden hierzulande zu befürchten.
Auch für den Vorsitzenden des Bundestags-Innenausschuss, Ansgar Heveling (CDU), ist die Gefahr, dass sich Dschihadisten „neue und erschreckend simple Begehungsmöglichkeiten für Attentate suchen können, nicht von der Hand zu weisen“. Fachleute wie der CDU-Politier Heveling nehmen den Aufruf von Al-Qaida schon deswegen ernst, weil die Attentäter von Nizza, Paris, Stockholm oder Barcelona einer
folgten, damals unter der menschenverachtenden Überschrift „die ultimative Mähmaschine“.
Züge entgleisen lassen ohne Sprengstoff
Eigentlich seien Angriffe auf Bahnen „nicht wirklich neu“, heißt es in Sicherheitskreisen. Es gab beispielsweise 2005 den Selbstmordattentat auf die Londoner U-Bahn und 2004 den Bombenanschlag auf den Madrider Bahnhof, wobei sich die Täter in die Luft sprengten, als die spanischen Ermittler sie festnehmen wollten. Neu ist, „dass kein Märtyrertum mehr erwartet wird“, wie Heveling analysiert.
In der aktuellen Ausgabe des englischsprachigen Magazins wenden sich die Autoren speziell an Gefolgsleute, die als „einsame Wölfe“ in Erscheinung treten, also nicht in terroristische Strukturen eingebunden sind. Sie sollen Bahnstrecken so manipulieren, dass Züge entgleisen. Das ist unauffälliger, erfordert weniger Kenntnisse, als Sprengstoff zu beschaffen. Vor allem hinterlässt es weniger Spuren und macht es Terroristen leichter, unerkannt zu entkommen. Denn: Sie wollen nicht mehr Märtyrer sein. Sie haben einen Fluchtplan und streben den „perfekten Abgang“ an.
Rekrutierung leichter, wenn kein Zwang zum Selbstmord
Den Verdacht hatte man schon beim Attentäter auf den Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri. Bei seiner Flucht
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Die Welt sollte wissen, wer er war, aber ihn nicht zu fassen kriegen. Heveling vermutet, dass es für die Terrororganisationen leichter sei, Täter zu rekrutieren, wenn man von ihnen nicht länger den Selbstmord verlange.
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Das BKA wie die Geheimdienste stehen nach eigenen Angaben im regen Gespräch mit der Bahn. Die Bundespolizei versicherte auf Anfrage unserer Redaktion, dass sich ihre Schutzmaßnahmen „bereits auf einem hohen Niveau“ befänden. Aus „einsatztaktischen Gründen“ gebe man aber „keine weitergehenden Informationen“. In Deutschland gibt es insgesamt 35.000 Kilometer Bahngleise, die kaum vollständig überwachbar sind.
Al-Qaida gibt Anleitung, um Züge entgleisen zu lassen
Sie gehören wie alle modernen Transportmittel zum „Lebensnerv unseres zivilen Lebens“, wie es im Al-Qaida-Magazin heißt. Die Autoren ziehen daraus eine grauenhafte Schlussfolgerung: Dieser Lebensnerv muss attackiert werden. Eindringlich bewerben sie die Vorteile solcher Operationen: „Wir können ihre Wirtschaft bluten lassen und einen psychologischen Krieg führen, indem wir die Verwundbarkeit ihrer Sicherheit aufzeigen.“
Auf rund 18 Seiten zeichnen die Autoren eine Art Blaupause für Angriffe auf Züge. Dazu gehören eine Grafik des amerikanischen Streckennetzes und die Auflistung der wichtigsten Verbindungen von Personenzügen. Die Autoren zeigen mit Bildern, in welchen Kombinationen der potenziell größte Schaden angerichtet werden kann, etwa bei Entgleisungen auf Bergstrecken oder in der Nähe von Brücken. Anhand von Fotos und Grafiken – mit konkreten Maßangaben und Informationen über Werkzeuge – werden die Leser in sechs Schritten angeleitet, mit relativ einfachen Mitteln eine Einrichtung zu basteln, um Züge entgleisen zu lassen.
BKA hält Anschläge in Deutschland für denkbar
Hinweise auf konkrete Anschlagpläne liegen dem BKA nicht vor. Aber auch ohne konkrete Bezüge seien sie in Deutschland durchaus denkbar, erklärte der Verfassungsschutz unserer Redaktion. Bundesweit zählt die Kölner Behörde etwa 1800 islamistische „Gefährder“. Nicht alle sind bereit zum Selbstmord, aber jedem von ihnen trauen die Behörden gefährliche Attentate zu.