Washington. Donald Trump brachte Pleiten, Pech und Pannen: Herrscht weiter dicke Luft im Weißen Haus, wird es für den Präsidenten wohl bald eng.

Wie oft kann ein Mensch in sieben Monaten seine „schlechteste Woche“ haben? Bei Donald Trump, der seit 20. Januar mit Pleiten, Pech und Pannen regiert, kommen die Analysten in Washington mit dem Zählen nicht mehr hinterher.

Nach seinem von vielen Amerikanern als skandalös empfundenen

Auch interessant

vor einer Woche sind für den Präsidenten die Hundstage angebrochen.

Sicherheitsabstand zum Präsidenten

Berater und Wirtschaftsbosse suchen reihenweise das Weite und kündigen ihm die Unterstützung auf. Die Spitzen des Militärs in allen Waffengattungen gehen auf Distanz. Promis aus Sport und Showbusiness schütteln den Kopf.

Das republikanische Establishment, stellvertretend Senator Bob Corker, zweifelt öffentlich an Trumps Verstand und Regierungsfähigkeit. Viele Kommentatoren halten den Commander-in-Chief nach seinem missratenen Gleichstellungsversuch von rechter und linker Gewalt für unheilbar toxisch. Für eine „lahme Ente“ (lame duck) schon zu Beginn.

Viele fordern Abdankung oder Amtsenthebung

In Umfragen fordern 40 Prozent der Amerikaner seine Abdankung. Oder die Amtsenthebung. Nur ein kleiner Teil der Basis (cirka 25 Prozent der Wähler) hält zu ihm. Der Autor seines Bestsellers „Die Kunst des Erfolges“, Tony Schwartz, geht davon aus, dass Trump spätestens bis Jahresende zurücktreten wird, um im Zuge der Russland-Affäre einer Gefängnisstrafe zu entgehen.

Zu allem Überfluss erklärt der frisch geschasste Chef-Berater Stephen Bannon Trumps Präsidentschaft, so wie sie im Sinne seiner Kernwählerschaft aus Wutbürgern errungen worden sei, für erledigt. Er drohte indirekt mit Hilfe seines Propaganda-Portals „Breitbart News“ eine Volksbewegung gegen den New Yorker Milliardär ins Leben zu rufen.

Wie weit die Isolation Trumps fortgeschritten ist, zeigt eine Randnotiz. Aus Angst vor weiteren Boykotten und öffentlichen Eklats bleiben Präsident und First Lady Melanie Trump im Dezember der renommiertesten Preisverleihung für Amerikas Kultur-Prominenz im Washingtoner Kennedy-Center fern. Heißt es bald im Präsidenten-Amtssitz an der Pennsylvania Avenue: Donald ganz allein zu Haus?

Enttäuschung im Kabinett

Schaut man in die Gesichter eines am Freitag entstandenen Mannschafts-Fotos in Camp David nach einer Dringlichkeitssitzung zum Thema Nationale Sicherheit, dann liegt die Stimmung im Kabinett am Boden. Die Enttäuschung in weiten Teilen der Führungsmannschaft über Trumps Gebaren nach Charlottesville ist mit Händen zu greifen.

„Angewidert“ von den relativierenden Äußerungen des Chefs („es gab Gewalt auf beiden Seiten“) zeigt sich laut Medienberichten Top-Wirtschaftsberater Gary Cohn. Der frühere Goldman Sachs-Banker ist wie Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und Tochter Ivanka jüdischen Glaubens. Dass ultrarechte Demonstranten in der Unistadt in Virginia rufen konnten „Ihr Juden werdet uns nicht ersetzen“, dass sie mit Hakenkreuz-Fahnen und Parolen sogar Gläubige in einer Synagoge einschüchterten und Trump dies alles unerwähnt ließ, habe zu einer inner-familiären Abkühlung geführt, berichten Regierungskreise.

Trump lässt sich nicht kontrollieren

Trumps neuer Stabschef John Kelly stand wie ein begossener Pudel daneben, als Trump vor laufender Kamera sagte, dass unter den Demonstranten in Charlottesville auch „feine Menschen“ gewesen seien. Der Ex-General, geholt, um Stabilität ins Weiße Haus zu bringen, hat von Trump in der vergangenen Woche seine Grenzen aufgezeigt bekommen. „Dieser Präsident lässt sich von nichts und niemanden kontrollieren oder einhegen“, sagte ein Analyst im Sender MSNBC.

Entsetzen und Trauer in Charlottesville

Nach Gewaltausbrüchen in Charlottesville herrschen Fassungslosigkeit und Wut. Die Neonazi-Aufmärsche befeuern erneut die Rassismus-Debatte. Diese Demonstrantin fordert nach der tödlichen Auto-Attacke ein Ende des Mordens.
Nach Gewaltausbrüchen in Charlottesville herrschen Fassungslosigkeit und Wut. Die Neonazi-Aufmärsche befeuern erneut die Rassismus-Debatte. Diese Demonstrantin fordert nach der tödlichen Auto-Attacke ein Ende des Mordens. © REUTERS | STEPHEN LAM
„Ich kann nicht glauben, dass ich immer noch gegen Nazis demonstriere“, hat ein Demonstrant auf ein Schild geschrieben. Rassistische Gruppen waren am Samstag in Charlottesville mit Helmen, Knüppeln und Schutzschilden aufmarschiert.
„Ich kann nicht glauben, dass ich immer noch gegen Nazis demonstriere“, hat ein Demonstrant auf ein Schild geschrieben. Rassistische Gruppen waren am Samstag in Charlottesville mit Helmen, Knüppeln und Schutzschilden aufmarschiert. © REUTERS | STEPHEN LAM
Menschen gedenken der 20 Opfer der brutalen Unruhen in Charlottesville. Bei den Zusammenstößen von Ultranationalisten und Gegendemonstranten wurden 19 Menschen verletzt, die 32-jährige Heather Heyer starb durch eine Autoattacke.
Menschen gedenken der 20 Opfer der brutalen Unruhen in Charlottesville. Bei den Zusammenstößen von Ultranationalisten und Gegendemonstranten wurden 19 Menschen verletzt, die 32-jährige Heather Heyer starb durch eine Autoattacke. © REUTERS | JIM BOURG
Ein Mann tröstet einen anderen, der für einen verletzten Freund betet.
Ein Mann tröstet einen anderen, der für einen verletzten Freund betet. © REUTERS | JIM BOURG
Der Gouverneur von Virginia, Terry McAuliffe (2. v. l.) gedenkt während eines Gottesdienstes in einer Baptistenkirche der Opfer der Auseinandersetzungen.
Der Gouverneur von Virginia, Terry McAuliffe (2. v. l.) gedenkt während eines Gottesdienstes in einer Baptistenkirche der Opfer der Auseinandersetzungen. © REUTERS | JIM BOURG
Der Gouverneur wendet sich sichtlich emotional an die Gemeinde, ...
Der Gouverneur wendet sich sichtlich emotional an die Gemeinde, ... © REUTERS | JIM BOURG
... während sich die Gemeindemitglieder im Gebet an die Hand nehmen.
... während sich die Gemeindemitglieder im Gebet an die Hand nehmen. © REUTERS | JIM BOURG
Nachdem US-Präsident Donald Trump auffällig spät und verhalten auf die Tragödie reagiert hat, zeigen sich demokratische und republikanische Politiker ebenso empört wie viele Bürger. Hier fordert ein Demonstrant die Amtsenthebung von Trump.
Nachdem US-Präsident Donald Trump auffällig spät und verhalten auf die Tragödie reagiert hat, zeigen sich demokratische und republikanische Politiker ebenso empört wie viele Bürger. Hier fordert ein Demonstrant die Amtsenthebung von Trump. © REUTERS | STEPHEN LAM
Trauer auch an anderer Stelle: Mitarbeiter der zuständigen Behörden sind in der Nähe der Absturzstelle eines Polizeihubschraubers in Charlottesville im Einsatz. Bei dem Absturz unweit der Kundgebung von Rechtsextremisten kamen beide Besatzungsmitglieder ums Leben.
Trauer auch an anderer Stelle: Mitarbeiter der zuständigen Behörden sind in der Nähe der Absturzstelle eines Polizeihubschraubers in Charlottesville im Einsatz. Bei dem Absturz unweit der Kundgebung von Rechtsextremisten kamen beide Besatzungsmitglieder ums Leben. © dpa | Shelby Lum
1/9

Auch die internationale Empörung über

packt Trump nicht an. Um die nötige Wehrhaftigkeit des Westens gegen den islamistischen Terror zu demonstrieren, riet Trump zur Nachahmung einer Methode, die fälschlicherweise US-General John Pershing angedichtet wird.

Auch interessant

nach vor 100 Jahren auf den Philippinen 50 muslimische Gefangene mit Gewehrkugeln füsiliert haben, die zuvor in das Blut unreiner Tiere (Schweine) getaucht worden sein sollen. „Danach gab es 35 Jahre keinen islamistischen Terror mehr!“, twitterte Trump. Wissend, dass die Story eine Räuberpistole ist.

Medien: Wo soll das enden?

„In Barcelona sterben Menschen und der Präsident der Vereinigten Staaten ruft unter Zuhilfenahme einer Lüge zu Kriegsverbrechen auf. Unfassbar“, kommentierten US-Medien, „wo soll das enden?“. Vielleicht bei Stephen Bannon?

Um die Selbstverliebtheit des Rechts-Nationalisten zu illustrieren, dichtete der Interims-Kommunikationschef des Weißen Hauses dem korpulenten Mittsechziger vor einigen Wochen artistische auto-erotische Fähigkeiten an, die man hier nicht besser nicht ins Deutsche übersetzt. Auch darum musste Anthony Scaramucci gehen.

Diese Mitarbeiter hat Donald Trump bereits verschlissen

weitere Videos

    Seit Freitagabend muss man dem heißspornigen Italo-Amerikaner wohl Recht geben. Erstens: Keine vier Stunden lang war Bannon seinen Posten als allzuständiger Chef-Stratege Trumps los, da sorgte der selbst ernannte Systembekämpfer für Schlagzeilen, die noch lange nachwirken werden.

    „Breitbart News“, das populistische Propaganda-Portal, steht ab sofort wieder unter der Fuchtel Bannons. Er hatte das Sprachrohr für Hillary Clinton-Hasser, Anti-Globalisierungsbewegte und die ultrarechte „Alt-Right“-Bewegung geöffnet und bis Sommer 2016 scharf auf Trump-Kurs gezwungen. Zweitens, und da kommt Scaramucci ins Spiel: Bannon ist tatsächlich der Überzeugung, dass allein durch seinen Abgang Trumps Präsidentschaft „vorüber ist“. Das Weiße Haus werde nun zur Beute der Demokraten und all derer, die Amerika auf bekannten Pfaden halten wollten, diktierte der chronisch ungesund aussehende Workaholic dem „Weekly Standard“ in den Block.

    Unbequeme Gegner

    Was Bannon mit seiner neuen Freiheit anfangen will, dürfte Trump, der lange mit dem Rauswurf seines wichtigsten Einflüsterers gehadert hat, in Schweißausbrüche treiben. Oberflächlich will der 63-Jährige „Breitbart News“ zu einer „verdammten Maschine“ ausbauen, um „für Trump und gegen dessen Widersacher in Opposition und Medien in den Krieg zu ziehen“.

    Allerdings hat Bannons Vize-Chefredakteur Joel Pollak bereits den Rahmen abgesteckt. Bleibt Trump auf Kurs und setzt Wahlversprechen im Sinne seiner Basis um, wird alles gut. Mutiert er dagegen zu einem zweiten Arnold Schwarzenegger, werde es „Krieg“ geben. Der frühere Bodybuilding-Champion hatte sich nach der Wahl zum republikanischen Gouverneur Kaliforniens letztlich liberal-demokratische Politik gemacht.

    Sollte Trump sich ebenfalls so entwickeln, dürfte „Breitbart News“ (oder ein neuer Medien-Gigant, den Bannon mit dem Geld der Milliardärsfamilie Mercer plant) zur wichtigsten außerparlamentarischen Opposition gegen den Präsidenten werden.