München . Seit Jahrzehnten bestimmt die CSU die Geschicke des Freistaats Bayern. Auch im Bund hat die Partei großen Einfluss. Warum eigentlich?

Streit um den Länderfinanzausgleich? Ärger um die Pkw-Maut? Frust über die Flüchtlingspolitik? Wann immer im politischen Berlin etwas geschieht, was der CSU missfällt, bleibt dies nicht lange verborgen. Die CSU bringt damit nicht nur ihre Schwesterpartei CDU bisweilen an den Rand der Verzweiflung.

Fehlende Durchsetzungskraft kann den Bayern im Bund meistens nicht unterstellt werden. Kein Wunder also, dass auch in Bayern die Bundestagswahl am 24. September mit besonderem Augenmerk verfolgt wird. Doch woher kommt eigentlich die bayerische Sonderrolle im Bund? Und was bedeutet das für die Zukunft von „Bavaria first“?

Das Selbstverständnis: Entscheidend für das bundespolitische Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein der CSU sind stattliche Wahlerfolge und ihre lange Regierungstradition – in München und in Berlin.

Wahlprogramm: Union auf Kuschelkurs – und alles von der SPD abgeschrieben?

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    Mit Werten um die 50 Prozent ist die CSU nach eigener Aussage die erfolgreichste Volkspartei innerhalb der westlichen Demokratien – und kann mit einer 100-Prozent-Ausbeute bei den Direktmandaten Druck auf die im Bund schlechter abschneidende CDU ausüben.

    Die Finanzkraft: Bayerns Wirtschaft brummt seit Jahren. Galt der Freistaat vor Jahrzehnten noch als Armenhaus Deutschlands, ist er inzwischen unumstrittener Primus. Die Folge: Kein anderes Land zahlt mehr in den Länderfinanzausgleich ein.

    Davon sind insbesondere die chronisch klammen Länder finanziell abhängig. Die Bayern nehmen daher für sich in Anspruch, ein gehöriges Wort mitzureden.

    Die Unionsfraktion: Die CSU nennt die Bildung einer gemeinsamen Fraktion im Bundestag mit der CDU eine strategische Doppellösung. Als eigenständige Landesgruppe können sie so seit 1949 als Teil der Unionsfraktion mitreden und zugleich den Kurs bei Bedarf aus München kritisieren.

    Merkel und Seehofer zeichnen Bild der Geschlossenheit

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      Nur einmal wurde die Gemeinschaft bislang aufgehoben, beim berühmten Kreuther Trennungsbeschluss von 1976. Knapp einen Monat probte die CSU damals den Aufstand gegen die CDU. Der „Geist von Kreuth“ machte auch in der Flüchtlingsdebatte die Runde in der CSU – die Drohkulisse wurde aber nie ernsthaft in Erwägung gezogen.

      Langjährige Regierungsverantwortung: Seit 1949 drückt mit der CSU eine echte regionale Partei der Bundespolitik ihren Stempel auf – fast fünf Jahrzehnte als Teil der Bundesregierung, nur 13 Jahre als Oppositionskraft. Und obwohl die CSU ausdrücklich betont, dass es ihr zu „keiner Zeit ausschließlich“ um die Durchsetzung bayerischer Interessen gehe, sondern immer um Politik für ganz Deutschland, hat der Freistaat dennoch in besonderer Weise profitiert.

      Die Spitzenkandidaten der Bundestagswahl

      Sie ist zum vierten Mal angetreten und siegte erneut: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit ihrer Partei CDU die Wahl gewonnen – wenn auch mit herben Verlusten: 26,8 Prozent holten die Christdemokraten. Das sind 7,3 Prozent weniger als bei der Wahl 2013.
      Sie ist zum vierten Mal angetreten und siegte erneut: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit ihrer Partei CDU die Wahl gewonnen – wenn auch mit herben Verlusten: 26,8 Prozent holten die Christdemokraten. Das sind 7,3 Prozent weniger als bei der Wahl 2013. © dpa | Michael Kappeler
      Auch für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der als Spitzenkandidat der CSU in den Wahlkampf zog, hatte das schlechte Abschneiden seiner Partei Folgen: Zwar haben alle Direktkandidaten der CSU den Sprung in den Bundestag geschafft – von der Landesliste gelang das aber keinem. Darunter auch Herrmann.
      Auch für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der als Spitzenkandidat der CSU in den Wahlkampf zog, hatte das schlechte Abschneiden seiner Partei Folgen: Zwar haben alle Direktkandidaten der CSU den Sprung in den Bundestag geschafft – von der Landesliste gelang das aber keinem. Darunter auch Herrmann. © dpa | Matthias Balk
      Als der ehemalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD ernannt wurde, waren die Hoffnungen auf einen Machtwechsel groß. Sie zerschlugen sich: Mit Schulz als Spitzenkandidat fuhr die SPD mit 20,5 Prozent des schlechteste Ergebnis überhaupt ein.
      Als der ehemalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD ernannt wurde, waren die Hoffnungen auf einen Machtwechsel groß. Sie zerschlugen sich: Mit Schulz als Spitzenkandidat fuhr die SPD mit 20,5 Prozent des schlechteste Ergebnis überhaupt ein. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
      Cem Özdemir und die Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt gingen als Spitzenduo in die Bundestagswahl. Nachdem die Grünen laut Umfragen zeitweise um den Einzug in den Bundestag bangen mussten, holten sie am Ende souverän 8,9 Prozent.
      Cem Özdemir und die Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt gingen als Spitzenduo in die Bundestagswahl. Nachdem die Grünen laut Umfragen zeitweise um den Einzug in den Bundestag bangen mussten, holten sie am Ende souverän 8,9 Prozent. © imago | Jens Jeske
      Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch wollten den Platz der Linken als drittstärkste Kraft im Bundestag unbedingt verteidigen. Zwar holten sie 9,2 Prozent und damit mehr als bei der letzten Wahl 2013. Stärkste Opposition ist die Linke aber nicht mehr. Diesen Platz nimmt nun ausgerechnet die AfD ein.
      Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch wollten den Platz der Linken als drittstärkste Kraft im Bundestag unbedingt verteidigen. Zwar holten sie 9,2 Prozent und damit mehr als bei der letzten Wahl 2013. Stärkste Opposition ist die Linke aber nicht mehr. Diesen Platz nimmt nun ausgerechnet die AfD ein. © dpa picture alliance | Emmanuele Contini
      Christian Lindner ist das Gesicht der FDP – und konnte die FDP wieder in den Bundestag bringen. Nur die AfD konnte den Liberalen, die 10,7 Prozent holten, den dritten Platz streitig machen.
      Christian Lindner ist das Gesicht der FDP – und konnte die FDP wieder in den Bundestag bringen. Nur die AfD konnte den Liberalen, die 10,7 Prozent holten, den dritten Platz streitig machen. © picture alliance / Maurizio Gamb | dpa Picture-Alliance / Maurizio Gambarini
      Alice Weidel und Alexander Gauland haben die AfD als Spitzenkandidaten auf Platz drei geführt. Insgesamt holten die Rechtspopulisten 12,6 Prozent.
      Alice Weidel und Alexander Gauland haben die AfD als Spitzenkandidaten auf Platz drei geführt. Insgesamt holten die Rechtspopulisten 12,6 Prozent. © picture alliance / Uli Deck/dpa | dpa Picture-Alliance / Uli Deck
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      So konnte die CSU Projekte wie die Pkw-Maut oder die Einführung der Mütterrente gegen alle Widerstände durchsetzen. Kritiker sehen Bayern zudem bisweilen – etwa beim Bundesverkehrswegeplan – vom Bund bevorteilt, weil ein CSU-Minister dort das Sagen hat.

      Die absolute Mehrheit im eigenen Bundesland: In gleicher Weise, wie das Gewicht der CSU in Berlin vom Erfolg in Bayern abhängt, zieht die Partei nach Ansicht der Politikwissenschaftlerin Ursula Münch „ihre Stärke in Bayern mit Blick auf die Landtagswahlen auch aus ihrer Stärke und ihren Mitsprache- und Mitbestimmungsmöglichkeiten auf der Bundesebene.

      „Es gehört zur Taktik der CSU, den Wählern in Bayern darzustellen, dass nur sie als Regionalpartei mitregieren kann“, so Münch. CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann macht daraus keinen Hehl: „Wer maximal die CSU unterstützt, bekommt in Berlin maximal Bayern.“

      Horst Seehofer (CSU)
      Horst Seehofer (CSU) © REUTERS | MICHAELA REHLE

      Parteichef Horst Seehofer: So umstritten Bayerns Ministerpräsident bei vielen seiner Kritiker auch sein mag – an seiner politischen Schlagkraft zweifelt niemand ernsthaft. Da derzeit kein Nachfolger mit einem ähnlichen Einfluss auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Sicht ist, hat sich die CSU vor einigen Monaten geräuschlos hinter Seehofers Entscheidung gestellt, auch über 2018 hinaus weitermachen zu wollen.

      Seehofer will CSU und Bayern weiter führen

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        Für die Zukunft wünscht Seehofer sich aber einen Nachfolger als Parteichef, der auch am Berliner Kabinettstisch sitzt. Nur so habe die CSU die bundespolitische Kraft, die sie braucht.

        Zukunftsperspektive: Wer viel hat, kann viel verlieren. Seehofer bezeichnet die Bundestagswahl gar als „Mutter aller Wahlen“. Er und die CSU brauchen ein gutes Ergebnis aus mehreren Gründen: Ohne den Erfolg in Berlin fehlt der CSU 2018 die Startrampe, um die absolute Mehrheit in Bayern zu verteidigen.

        Zugleich droht dann auch eines der Hauptversprechen der CSU, die Obergrenze für Flüchtlinge, noch vor den Koalitionsverhandlungen zu scheitern. (dpa)