Berlin. Die Verteidigungsministerin sagt ihre USA-Reise ab, weil sie den Skandal um den Bundeswehroffizier Franco A. vor Ort aufklären will.

Ursula von der Leyen hat eine gute Nase dafür, wann es politisch brenzlig wird. Die Bundesverteidigungsministerin hat schon einige Krisen überstanden, weil sie schnell auf Angriff umgeschaltet hat. Am Dienstag sagte von der Leyen eine für heute geplante Reise in die USA ab und will stattdessen nach Illkirch in die Nähe von Straßburg fliegen, um die Kaserne der deutsch-französischen Brigade zu besuchen. Dort war der Bundeswehroffizier stationiert, der nicht nur als Rechtsextremist aufgefallen war, sondern auch, getarnt als Asylbewerber, einen Anschlag geplant haben soll.

Die Ministerin will mit dem Besuch vor Ort den politischen Brand bekämpfen, den der Skandal ausgelöst hat. Diesen Brand hatte sie selbst befeuert, indem sie der Bundeswehr in einem Interview ein „Haltungspro­blem“ und „Führungsschwäche“ attestierte. Die Kritik der Oberbefehlshaberin kam in der Truppe schlecht an.

Die Opposition und der Koalitionspartner empören sich

Aber auch politisch brennt es. Nicht nur die Opposition empört sich darüber, dass die CDU-Politikerin den Eindruck vermittelte, sie habe mit den Vorfällen nichts zu tun. Der Koalitionspartner SPD nutzt den Skandal, um die Union vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen unter Druck zu setzen.

So wirft SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz von der Leyen vor, die Soldaten „im Stich zu lassen“ und fordert von ihr rückhaltlose Aufklärung. Sie müsse sich „vor die Truppe stellen, die unter schwierigen Umständen einen harten Job macht“. Seit zwölf Jahren werde die Bundeswehr als „Testfeld für die Karriereambitionen von CDU- und CSU-Politikern missbraucht“.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann ging Innenminister Thomas de Maizière (CDU) bei einem Wahlkampfauftritt in Kiel frontal an: „Der Innenminister redet permanent von den Flüchtlingen als Sicherheitsrisiko, ist aber nicht in der Lage, ganz einfache Vorgänge so zu organisieren, dass damit Gefahren ausgeschlossen sind“, sagte er mit Blick darauf, dass sich der Bundeswehrsoldat beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) als syrischer Asylbewerber registrieren lassen konnte. Die Registrierung eines blonden deutschen Oberleutnants, der kein Wort Arabisch spreche, sei „ein unglaublicher Vorgang“, so Oppermann.

Generalbundesanwalt zieht Ermittlungen gegen Bundeswehr-Offizier an sich

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    Hakenkreuz-Kritzeleien in der Kaserne

    Dass die Lage für die Union und für von der Leyen ernst ist, wird auch dadurch deutlich, dass die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen in dem Fall übernommen hat. Es bestehe der Anfangsverdacht, dass der Soldat Franco A. eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet habe, teilte die Behörde mit.

    Offenbar gibt es auch Hinweise auf ein kleines rechtsextremes Netzwerk in der Bundeswehr, zu dem der Soldat gehört haben soll. Nach Angaben von General Volker Wieker, dem Generalinspekteur der Bundeswehr, hat Franco A. womöglich auch Munition aus Bundeswehrbeständen gestohlen. Sie soll bei einer Schießübung verwendet worden sein, die der Oberleutnant geleitet hatte.

    Das Bundesverteidigungsministerium ließ am Dienstag wissen, dass in der Kaserne im französischen Illkirch, in der Franco A. stationiert war und die von der Leyen heute besuchen will, Hinweise auf die rechtsextreme Gesinnung des Soldaten gefunden wurden. So hätten Inspekteure des Heeres Hakenkreuz-Kritzeleien an den Wänden und auf einem Sturmgewehr gefunden. Auch Landser-Bilder und andere „Wehrmachts-Souvenirs“ seien entdeckt worden.

    Von der Leyen untermauert ihre Vorwürfe

    Offenbar sollen diese Informationen die Vorwürfe untermauern, die von der Leyen in dem Fernseh-Interview am Sonntagabend im ZDF gegen die eigene Truppe erhoben hatte. Gleich in ihrer ersten Antwort hatte sie den Satz gesagt, der nun für große Empörung sorgt: „Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem, und sie hat offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen.“

    Die Ministerin untermauerte diesen Vorwurf, indem sie die jüngsten Skandale in der Bundeswehr miteinander in Verbindung setzte: „Das sind alles unterschiedliche Fälle, aber sie gehören für mich inzwischen zusammen zu einem Muster.“ Zu oft würden Vorgesetzte von Vorfällen erfahren, aber aus „falsch verstandenem Korpsgeist“ wegschauen.

    Wehrbeauftragter greift Ministerin an

    In einer Kaserne in Pfullendorf in Baden-Württemberg hatten Soldaten Kameradinnen sexuell erniedrigend behandelt. In Sondershausen in Thüringen waren Soldaten von Ausbildern schikaniert worden. Von der Leyen hatte deshalb den Chef des Ausbildungskommandos des Heeres, Generalmajor Walter Spindler, vor wenigen Tagen von seiner Aufgabe entbunden. An diesem Donnerstag trifft sie sich mit 100 hohen militärischen Führungskräften in Berlin, „um Aufklärung und Konsequenzen der angehäuften Fälle in der Bundeswehr zu besprechen“, wie ein Ministeriumssprecher sagte.

    Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, warf von der Leyen am Dienstag vor, für die Führungsprobleme in der Bundeswehr selbst verantwortlich zu sein. Die Bundeswehr habe viele Probleme. „Aber wenn Frau von der Leyen nun sagt, es gäbe ein Führungsproblem, dann muss man sagen: Führung fängt oben an“, sagte der SPD-Politiker.