Moskau. Eine Explosion hat St. Petersburg am Nachmittag erschüttert. Zeugen wollen dabei einen Verdächtigen in einem Bahn-Waggon gesehen haben.

Wladimir Putin wollte sich nicht festlegen. „Die Sicherheitsorgane und Geheimdienste tun alles, um die Gründe des Geschehenen zu klären“, erklärte der russische Präsident, der am Montag selbst in Sankt Petersburg weilte. Außer Terrorismus könnten es auch technische oder kriminelle Gründe für

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Gegen 14.45 Uhr Ortszeit (13.45 Uhr MEZ) war zuvor zwischen den Metro-Stationen „Sennaya Ploshchad“ und „Technologitscheski Institut“ eine Sprengladung in einem Zug explodiert. Das meldet die Nachrichtenagentur Ria Nowosti. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Tass von Montagabend kamen dabei mindestens elf Menschen ums Leben, 45 weitere würden in Krankenhäusern behandelt.

Tote und Verletzte bei Explosion in St. Petersburger Metro

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    Zeugen berichten von „Burschen“ mit Aktentasche

    Mehrere Medien berichteten unter Berufung auf die Petersburger Polizei, es habe nur eine Explosion in einem fahrenden U-Bahn-Wagon zwischen beiden Stationen gegeben. Am Tatort arbeiten Polizeiermittler, Geheimdienstler sowie die Besatzungen von 41 Krankenwagen. Die Petersburger Metro wurde komplett geschlossen.

    Offenbar scheint diesmal kein Selbstmordattentäter hinter der blutigen Explosion zu stehen – im Gegensatz zu den Metro-Explosionen 2011 in Moskau. Ein Einwohner in Petersburg erzählte der Wirtschaftsagentur RBK, sein Kollege, der offenbar zu den Passagieren des Unglückszuges gehörte, habe ihm eine SMS geschickt: „Zwischen den Stationen gab es eine Explosion, ein Bursche hatte eine Aktentasche stehen lassen, die Tür geöffnet und in den nächsten Wagon gewechselt. Nur in den nächsten Wagon.“

    „Es gab auch keine Panik“

    Eine andere Augenzeugin berichtete RBK, sie habe zum Zeitpunkt der Explosion auf einer Rolltreppe zum Bahnsteig der Station „Sennaya Ploshchad“ gestanden. „Plötzlich hörte ich einen dumpfen Knall, eine Druckwelle traf mich, blies mir die Haare zurück, alle um mich haben sich umgesehen. Ich fuhr hinunter auf den Bahnsteig, am hinteren Ende hing eine dichte Rauchwolke, die Zuge fuhren noch, es waren keine Leichen zu sehen. Es gab auch keine Panik.“

    Nach Ansicht von Experten wird das Fehlen eines Selbstmordattentäters die Ermittlungen erschweren. Aber wie ein Petersburger Sicherheitsbeamter der Agentur Interfax sagte, wurde der mutmaßlichen Bombenleger auf einem Video einer der zahlreichen Überwachungskamera in der Metro festgehalten.

    Am Montagabend teilten die Behörden mit, dass nach zwei Verdächtigen gefahndet werde. Einer von ihnen soll die Bombe in einer Aktentasche unter einem Sitz in der U-Bahn platziert haben, wie die Agentur Interfax am Montag unter Berufung auf Sicherheitskreise meldete. Der andere soll eine Bombe an der Metro-Station Ploschtschad Wosstanija (Platz des Aufstands) deponiert haben. Der zweite Sprengsatz wurde von Sicherheitskräfte entdeckt und unschädlich gemacht.

    Putin spricht von „allerhärtester Antwort“ auf den Vorfall

    Der russische Präsident Wladimir Putin sprach am Rande eines Treffens mit dem weißrussischen Präsidenten Lukaschenko über den Vorfall in der U-Bahn von St. Petersburg.
    Der russische Präsident Wladimir Putin sprach am Rande eines Treffens mit dem weißrussischen Präsidenten Lukaschenko über den Vorfall in der U-Bahn von St. Petersburg. © dpa | Dmitri Lovetsky

    Wie Wladimir Putin hielt sich ein Großteil der russischen Politiker mit Kommentaren zunächst zurück. Allerdings war auf den Nachrichtenportalen fast aller nichtstaatlicher Medien von Terrorismus die Rede. Und Franz Klinzewitsch, stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungs- und Sicherheitsausschusses im russischen Föderationsrat, erklärte, es handele sich ohne Zweifel um einen Terrorschlag. „Wir haben immer gesagt, die Terroristen betrachteten Russland als ihren Feind Nummer eins“, zitiert ihn Ria Nowosti. Es werde die „allerhärteste Antwort“ auf das Verbrechen geben.

    „Bisher sind die Ermittlungen erst in den Anfängen, deshalb kann man über die Täter nur Vermutungen anstellen“, sagte der Moskauer Politologe Aschdar Kurtow unserer Redaktion. Aber er halte es für wenig wahrscheinlich, dass es sich um eine Abrechnung zwischen Gangstern handele. Auch extreme Nationalisten oder der ukrainische Geheimdienst stünden wohl nicht hinter dem Verbrechen.

    Vieles spricht für Täterschaft islamistischer Terroristen

    Tote bei Anschlag in St. Petersburg

    Bei einem Bombenanschlag in der U-Bahn der russischen Metropole St. Petersburg sind am 2. April mindestens elf Menschen getötet und Dutzende verletzt worden.
    Bei einem Bombenanschlag in der U-Bahn der russischen Metropole St. Petersburg sind am 2. April mindestens elf Menschen getötet und Dutzende verletzt worden. © dpa | Uncredited
    Der Anschlag ereignete sich gegen 14.40 Uhr. In einem Waggon nahe der Station Sennaja Ploschad wurde laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax eine Splitterbombe gezündet.
    Der Anschlag ereignete sich gegen 14.40 Uhr. In einem Waggon nahe der Station Sennaja Ploschad wurde laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax eine Splitterbombe gezündet. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | dpa Picture-Alliance / Russian Archives
    Die U-Bahn im Zentrum der Stadt war zum Zeitpunkt der Explosion zwischen zwei Stationen unterwegs.
    Die U-Bahn im Zentrum der Stadt war zum Zeitpunkt der Explosion zwischen zwei Stationen unterwegs. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | dpa Picture-Alliance / Xinhua
    Der Sprengsatz habe sich ersten Erkenntnissen zufolge in einem Rucksack befunden. Zunächst hieß es, es habe zwei Detonationen in zwei Bahnhöfen gegeben.
    Der Sprengsatz habe sich ersten Erkenntnissen zufolge in einem Rucksack befunden. Zunächst hieß es, es habe zwei Detonationen in zwei Bahnhöfen gegeben. © dpa | Peter Kovalev
    Behördenquellen schätzten die Sprengkraft auf 200 bis 300 Gramm Dynamit. Der Sprengsatz sei mit Metallteilen versehen gewesen.
    Behördenquellen schätzten die Sprengkraft auf 200 bis 300 Gramm Dynamit. Der Sprengsatz sei mit Metallteilen versehen gewesen. © REUTERS | ANTON VAGANOV
    Ein weiterer Sprengsatz in einer anderen U-Bahnstation in St. Petersburg konnte nach Angaben der Sicherheitsbehörden entschärft werden.
    Ein weiterer Sprengsatz in einer anderen U-Bahnstation in St. Petersburg konnte nach Angaben der Sicherheitsbehörden entschärft werden. © REUTERS | ANTON VAGANOV
    Die Ermittler gehen mittlerweile von einem Selbstmordattentäter aus. Es soll sich nach Medienberichten um einen 23-Jährigen aus Zentralasien handeln. Er soll radikal-islamistische Verbindungen haben.
    Die Ermittler gehen mittlerweile von einem Selbstmordattentäter aus. Es soll sich nach Medienberichten um einen 23-Jährigen aus Zentralasien handeln. Er soll radikal-islamistische Verbindungen haben. © picture alliance / AA | dpa Picture-Alliance / Sergey Mihailicenko
    Genauere Rückschlüsse könnten erst nach einem DNA-Abgleich gezogen werden.
    Genauere Rückschlüsse könnten erst nach einem DNA-Abgleich gezogen werden. © REUTERS | GRIGORY DUKOR
    Die Suche nach den Tätern läuft aber weiter auf Hochtouren.
    Die Suche nach den Tätern läuft aber weiter auf Hochtouren. © REUTERS | ANTON VAGANOV
    Von den rund 50 Verletzten waren am Dienstag den Angaben zufolge noch mehrere in kritischem Zustand.
    Von den rund 50 Verletzten waren am Dienstag den Angaben zufolge noch mehrere in kritischem Zustand. © REUTERS | STRINGER
    Der örtliche Gouverneur Georgi Poltawtschenko mahnte zur Besonnenheit: „Ich appelliere an die Bürger von St. Petersburg und die Gäste der Stadt, im Lichte der Ereignisse wachsam und vorsichtig zu sein und sich verantwortlich zu verhalten.“
    Der örtliche Gouverneur Georgi Poltawtschenko mahnte zur Besonnenheit: „Ich appelliere an die Bürger von St. Petersburg und die Gäste der Stadt, im Lichte der Ereignisse wachsam und vorsichtig zu sein und sich verantwortlich zu verhalten.“ © REUTERS | STRINGER
    Die Sicherheitsvorkehrungen in St. Petersburg wurden nach dem Anschlag massiv verstärkt. Wenige Stunden nach dem Anschlag nahmen die U-Bahnen ihren Betrieb wieder auf. Die Metro Linie 2, in der sich der Anschlag ereilte, fährt jedoch nicht alle Stationen an.
    Die Sicherheitsvorkehrungen in St. Petersburg wurden nach dem Anschlag massiv verstärkt. Wenige Stunden nach dem Anschlag nahmen die U-Bahnen ihren Betrieb wieder auf. Die Metro Linie 2, in der sich der Anschlag ereilte, fährt jedoch nicht alle Stationen an. © picture alliance / AA | dpa Picture-Alliance / Sergey Mihailicenko
    Präsident Wladimir Putin zeigte sich bestürzt über die Ereignisse. Er legte am Montagabend rote Rosen am Eingang der Metrostation Technisches Institut ab.
    Präsident Wladimir Putin zeigte sich bestürzt über die Ereignisse. Er legte am Montagabend rote Rosen am Eingang der Metrostation Technisches Institut ab. © REUTERS | GRIGORY DUKOR
    Die Trauer ist nach dem Anschlag groß.
    Die Trauer ist nach dem Anschlag groß. © dpa | Dmitri Lovetsky
    Kanzlerin Angela Merkel hatte sich in einem Kondolenztelegramm an Putin über die Attacke entsetzt gezeigt.
    Kanzlerin Angela Merkel hatte sich in einem Kondolenztelegramm an Putin über die Attacke entsetzt gezeigt. © REUTERS | STRINGER
    Vor der Metro-Station Technisches Institut legten zahlreiche Menschen Blumen nieder und zündeten Kerzen an.
    Vor der Metro-Station Technisches Institut legten zahlreiche Menschen Blumen nieder und zündeten Kerzen an. © dpa | Jussi Nukari
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    „Die Handschrift, ein Bombenanschlag in der U-Bahn, spricht für radikale Islamisten, aber es ist sehr schwer zu sagen, zu welcher Gruppe sie gehören.“ Es sei nicht auszuschließen, dass es sich bei den Tätern um nordkaukasischen Anhänger des terroristischen Islamischen Staates (IS) handele. Diese hätten entweder direkt im Auftrag des IS zugeschlagen. Oder sie seien aufgrund der Frontlage in Syrien und dem Irak, die sich für die IS immer schwieriger gestalte, nach Russland zurückgekehrt.

    Mitte März hatten Unbekannte einen Posten der tschetschenischen Nationalgarde angegriffen, dabei kamen nach offiziellen Angaben sechs Nationalgardisten und sechs Angreifer ums Leben. Danach bekannte sich der IS zu dem Überfall.

    Aus Untergrundbewegung am Kaukasus wurde Terrorgruppe

    Seit Mitte der 1990er Jahre veranstalten nordkaukasische Extremisten Terroranschläge in Russland, anfangs versuchten tschetschenische Separatisten den Kreml mit spektakulären Geiselnahmen in Krankenhäusern, Theatern und Schulen unter Druck zu setzen. Die russischen Behörden machen sie auch für die verheerenden Explosionen von fünf Wohnhäusern in Moskau, Buinansk und Wolgodonsk 1999 verantwortlich.

    Später wandelte sich der Großteil des nordkaukasischen Widerstandes zu einer islamistischen Untergrundbewegung. Deren Kämpfer überfielen in ihren Heimatrepubliken immer wieder Polizeistationen, setzten aber in mehreren russischen Städten auch sogenannte Tschachiden ein, Selbstmordattentäter mit Sprengstoffgürteln.

    Nach der Explosion folgte Verkehrschaos

    Nach den Explosionen brach in Petersburg ein Verkehrschaos aus. Viele Einwohner berichteten, das Zentrum sei schon vorher wegen des Besuchs Wladimir Putins abgesperrt gewesen, die Behörden setzten Ersatzbusse für die ausgefallene U-Bahn ein, im Zentrum sank die Durchschnittsgeschwindigkeit auf unter 15 Stundenkilometer.

    „Ich muss zum Moskauer Bahnhof, aber die ganze Innenstadt ist dicht“, beklagte sich Wladimir, ein Petersburger Geschäftsmann. Natürlich sei das ein Terrorakt gewesen. „Aber vielleicht waren es diesmal nicht die Tschetschenen, sondern unser Geheimdienst. Um einen Vorwand zu haben, die Schrauben hinterher noch strammer zu ziehen.“ Terroranschläge gebären auch in Russland die wildesten Verschwörungstheorien.