Berlin. Bei „Hart aber fair“ zeigt sich die Krux der Corona-Debatte: „Die Virologen“ geraten in die Schussbahn, obwohl die Politik gefragt ist.

Corona nonstop: Das Virus dominiert unser Leben – und auch die Talkshows. Seit Wochen werden die Folgen der Krise im Fernsehen debattiert. So auch wieder am Montagabend bei „Hart aber fair“: „Was lässt Corona von unserem Leben übrig?“, wollte Frank Plasberg von seinen Gästen wissen. Kam dabei noch Neues herum?

Diskutiert wurde das Thema von Malu Dreyer (SPD), der Virologin Melanie Brinkmann, dem Schauspieler Ulrich Matthes sowie vom Sternekoch Alexander Herrmann und der Mutter und Home-Office-Tätigen Katrin Bruns.

„Hart aber fair“: Der Angstmodus ist längst vergessen

Ein guter Teil der Debatte ging dafür drauf, dass Interessen von einzelnen gesellschaftlichen Gruppen formuliert wurden. Kulturschaffende (Matthes), Eltern (Bruns), Gastronomen (Herrmann): Alle wollen wahlweise mehr Hilfen, einen konkreten Zeitpunkt für den Re-Start oder sogar beides.

Das war dröge, weil die Nöte mittlerweile bestens bekannt sind – und letztlich eigentlich fast jeden Lebensbereich betreffen. Es war zugleich aber auch spannend, wenn man sich an die gesellschaftliche Debatte von vor einem Monat erinnert: Vom Angstmodus zu einem wütenden „jetzt gebt uns eine Perspektive“ – das ging dann doch ziemlich schnell.

Eine Virologin unter Druck

Den gedrehten Wind bekam in der Runde vor allem Melanie Brinkmann zu spüren. Die Virologin vom Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung bekam stellvertretend für ihre Zunft den ganzen Frust ab. „Ihr nehmt die Zahlen immer nur, wenn sie euch passen“, beklagte sich der Sternekoch Herrmann. Man müsse nur genügend Virologen fragen, um die Daten zu kriegen, die man brauche. R sei jetzt unter 1, aber es passiere trotzdem nichts, ergänzte Katrin Bruns. „Ich fühle mich nicht aufgeklärt.“

Das stimmt natürlich nicht so ganz, schließlich sind durchaus immer mehr Lockerungen auf dem Weg. Brinkmann versuchte sich mit Verweis auf die dynamische Lage zu verteidigen. „Erkenntnisse kommen gerade frisch auf den Tisch und gelangen in die Medien, auch wenn sie noch nicht ganz gar sind“, sagte sie mit Blick auf die unterschiedlichen Perspektiven in ihrer Zunft. Ein zutreffendes Argument, doch reicht es in der zunehmend hitzigen Lockerungsdebatte nicht mehr aus, um die Gemüter zu beruhigen.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Nicht die Virologen, die Politik ist gefragt

Stattdessen wollen viele Menschen eine konkrete Perspektive. „Ich werde verhindert, man sagt mir: Du darfst das nicht. Wir sind aber nicht in der Sklaverei, ich muss verstehen, warum“, sagte dazu der Gastronom Herrmann. Es brauche konkrete Zahlen, die mit weiteren Lockerungen verknüpft seien. Es war ein Problem von Brinkmann, dass sie genau das nicht liefern konnte oder wollte: Wann immer die Virologin dazu konkret gefragt wurde, wich sie aus. Das wirkte nicht sehr souverän, hatte aber möglicherweise einen guten Grund.

Diese Momente waren jedenfalls grandios, weil sie exemplarisch zum grundsätzlichen Problem der deutschen Corona-Debatte führten: Statt die Politik zu adressieren, die letztlich zu entscheiden hat, wird derzeit die Wissenschaft ins Visier genommen. Dabei ist es eigentlich völlig richtig, dass sich Experten wie Brinkmann zurücknehmen und nicht postulieren, den ultimativen Öffnungsplan in der Tasche zu haben.

Hier ist vielmehr die Politik gefragt, die sich zuletzt entweder hinter den Virologen versteckt oder sie unlauter attackiert hat. Es wäre für die Ehrenrettung gut gewesen, wenn Brinkmann das einmal klar ausgesprochen hätte.

Das Fazit

Diese Ausgabe von „Hart aber fair“ lief kurz Gefahr, furchtbar langweilig zu werden. Dann aber drang die Runde überraschend schnell und konsequent zum Kern des Problems vor: Viele Menschen wollen rasch aus dem Lockdown und die Suche nach den vermeintlich Schuldigen läuft. Am Ende könnten das „die Virologen“ sein, die mit ihren Empfehlungen möglicherweise Schlimmes verhindert haben und denen nun paradoxerweise droht, Opfer ihres eigenen Erfolgs zu werden.

„Vor vier Wochen war Christian Drosten der Heilsgott und jetzt sagen alle, dass sich die Virologen widersprechen. Sogar die Politiker, ich finde das Wahnsinn!“, fasste zwischendurch der Schauspieler Ulrich Matthes zusammen. Eine präzise Beschreibung, die eigentlich vor allem besagt: Ein Mittelweg zwischen Anhimmeln und Verdammen wäre am vernünftigsten.

Zur Ausgabe von „Hart aber fair“ in der ARD-Mediathek

So wurde die Corona-Krise bisher bei „Hart aber fair“ diskutiert: