Berlin. Bei Anne Will war das Gutachten zu sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche Thema. Die Empörung war groß, die Erkenntnis klein.

"Missbrauch, Lügen, Vertuschung – ist diese Kirche noch zu retten?" – diese Frage will Moderatorin Anne Will an diesem Sonntag mit ihren Gästen diskutieren. Denn ein gerade veröffentlichtes Gutachten zu Missbrauchsfällen im Erzbistum München und Freising berichtet von rund 500 Fällen von sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen in der katholischen Kirche. Auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. ist darin verwickelt.

"Anne Will": Diese Gäste waren am 30. Januar dabei

  • Georg Bätzing, Bischof von Limburg
  • Matthias Katsch, Philosoph
  • Katrin Göring-Eckardt, Grünen-Politikerin und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags
  • Ingrid Matthäus-Maier, Juristin
  • Christiane Florin, Journalistin

Matthias Katsch von der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch" fordert: "Die Bischöfe, die dieses Desaster zu verantworten haben, müssten zurücktreten. Aber das System ist gescheitert, das Austauschen von Personen bringt wenig." Für ihn steht fest: "Nach dieser Bilanz des Schreckens kann man nicht einfach weitermachen."

Kirchenvertreter hätten schon 2010 und 2018 von "Erschütterung" gesprochen, doch zurückgetreten sei bislang niemand, stimmt die "Deutschlandfunk"-Journalistin Christiane Florin zu. "Da gibt es Leid von vermutlich zehntausenden Menschen und niemand tritt zurück", sagt sie.

Was die Journalistin ein "Demutsgetue im Dienst" nennt, bezeichnet Anne Will als eine "Überidentifikation mit der Kirche", die auch Katsch so bestätigt. "Vor zwölf Jahren war es das einzige Interesse, den Papst zu schützen", sagt er. Jetzt sei dieses Lügenkonstrukt zusammengebrochen.

SPD-Politikerin sieht bei "Anne Will" den Staat in der Pflicht

Welchen Schaden es für die katholische Kirche habe, dass der Papst gelogen habe, will die Moderatorin nun von Georg Bätzing dem Bischof von Limburg und dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz wissen. "Der Schaden ist immens und nicht wieder gutzumachen", sagt der. "Der Papst muss sich äußern und die Betroffenen um Entschuldigung bitten."

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SPD-Politikerin Ingrid Matthäus-Maier fordert mehr. Sie plädiert für eine Öffnung der Archive. "Woher wissen Sie, dass hier nichts vertuscht wird?", sagt sie. Auch beim aktuellen Gutachten seien viele Passagen geschwärzt. "Wie soll die Staatsanwaltschaft da bitte ermitteln?", fragt sie. Zudem will Matthäus-Maier ein Ende der "Kumpelei" zwischen Kirche und Politik in Form eines "staatlichen Untersuchungsausschuss" wie etwa in Frankreich. Außerdem fordert sie Berufsverbote für Täter. Schließlich sei die Kirche mit anderen Angestellten diesbezüglich auch nicht kleinlich.

Journalistin Florin stimmt zu und sagt, dass sich auch der Staat bislang wenig um das Problem gekümmert habe. Man verweise zu oft auf die guten Taten, die die Kirchen übernehmen. "Da werden Suppenküchen gegen Missbrauch aufgewogen", sagt sie.

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Fazit bei Anne Will: "Die Kirche ist der größte Lobbyist von allen"

Auch die Grünen-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Politikerin hält interne Aufarbeitungen beider Kirchen für gescheitert. "Die katholische Kirche hat sich immer für Macht und gegen Menschen entschieden", sagt sie. "Verantwortung für die Kirche zu übernehmen müsste heißen: ‘Ich mache Platz für andere Strukturen’", sagt Göring-Eckardt.

Ein weiteres Thema an diesem Sonntag ist das eigene Arbeitsrecht der katholischen Kirche. Im Rahmen der "ARD"-Dokumentation "Wie Gott uns schuf" hatten über 200 Kirchenmitarbeitende kürzlich gegen dieses Arbeitsrecht verstoßen, weil sie sich beispielsweise als schwul, lesbisch oder non-binär geoutet hatten.

Bischof Bätzing sagt, er sei froh über dieses Outing. "Wir haben Menschen zutiefst verletzt und tun das bis heute", sagt er. Derzeit könne er aber nicht garantieren, dass solchen Menschen nicht gekündigt werde. Matthias Katsch weist darauf hin, dass diese Frage nicht auf nationaler Ebene geklärt werden könne. "Es gibt Fragen, die werden in Rom entschieden", sagt er.

"Mir fehlt ein bisschen der Glaube, dass wir es schaffen, eine Veränderung zwischen Staat und Kirchen hinbekommen", so Katsch. Und auch die SPD-Politikerin Matthäus-Meier glaubt nicht, dass die Ampel-Koalition daran etwas ändern wird. "Die Kirche ist der größte Lobbyist von allen", so die Politikerin. "Die Kirche verzichtet freiwillig auf nichts".

"Anne Will" – So liefen vergangene Sendungen