Essen. Die ARD-Doku „Bhagwan - Die Deutschen und der Guru“ erzählt vom Aufstieg und Fall des indischen Gurus - aus der Sicht seiner Anhänger.

Bhagwan Shree Rajneesh, kurz Bhagwan („Der Gesegnete“), war zweifellos ein Popstar. Von seinen Gegnern in den frühen 1980er Jahren öffentlich als Sektenführer bekämpft oder zumindest als „Entspannungsapostel“ verhöhnt, wurde er von seinen Anhängern verehrt und geliebt wie ein Messias: Zu Tausenden umringten seine rot gekleideten Jünger beseelt lächelnd den Rolls-Royce, in dem er tagtäglich durch den Ashram rollte, und legten Blumen auf die Motorhaube, voller Dankbarkeit.

Aus der Distanz von 40 Jahren mögen solche Original-Aufnahmen komisch, wenn nicht lächerlich wirken. Auch die Sannyasin, die damals der weltweiten spirituellen Bewegung enthusiastisch gefolgt waren, lächeln heute etwas verschämt, wenn sie die Auswüchse ihrer Begeisterung für Bhagwan erinnern. So war das damals, sagen sie heute aber, unisono: „Es war die beste Zeit meines Lebens.“

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Der Bhagwan lehrte sie Freiheit, Glück und freie Liebe

Nicht wegen der Blumen, natürlich. Oder wegen der fantasievollen Sanskrit-Namen, mit denen sie in feierlichen Initiationsriten „getauft“ und vor aller Augen in die Bhagwan-Gemeinschaft aufgenommen wurden. Aber doch wegen des charismatischen Führers, der als indischer Philosoph erstmals östliche und westliche Lehren zusammenbrachte und sie in gesellschaftlich prüden Zeiten Freiheit, Glück und freie Liebe lehrte.

In seinem Film „Bhagwan – Die Deutschen und der Guru“, den das Erste am späten Montagabend (15. Februar, 23.20 Uhr) zeigt, hat Dokumentarist Jobst Knigge ein Dutzend ehemaliger Bhagwan-Jünger versammelt: In ihrer Jugend hatten sie in Deutschland eine führende Rolle in der Bewegung gespielt und mit dynamischen Meditationen, Yoga und Gemeinsinn ein alternatives Leben in einer Kommune vorgelebt.

Den eigenen Lebensunterhalt – ebenso wie das wachsende Imperium von Bhagwan – finanzierten sie mit erfolgreich laufenden Diskotheken und Restaurants in Köln, Berlin, Hannover oder München.

Mordversuch und Veruntreuung brachten das Bhagwan-Imperium zu Fall

Jobst Knigge interessiert vor allem, was sie an dem Mann, den sie liebevoll „Osho“ („Lehrer“) nannten und verehrten, so faszinierte. Und warum sie bereit waren, alles aufzugeben, um ihrem Idol bis nach Indien und in die USA zu folgen.

Zu alten Fotos und Filmaufnahmen erzählen sie nun vor der Kamera ihre ganz persönliche Geschichte mit dem Guru. Und sprechen kritisch, reflektiert auch über die schmerzlichen Enttäuschungen, als Bhagwans Imperium 1985 zusammenbrach: Die eigenmächtige Übernahme durch die Bhagwan-Schülerin Sheela sorgte mit Anklagen wegen Mordversuch und Veruntreuung weltweit für Skandale. „Da haben wir unseren eigenen Faschismus erlebt“, kommentiert ein Ex-Jünger geläutert.

Und heute? Ein erstaunlich großer Teil dieser Sannyasin arbeitet in heilenden Berufen, als Psychologe, Heilpraktiker oder Physiotherapeut. Und noch etwas wird an dieser liebevollen, auch ein wenig sentimentalen Rückschau sichtbar: Die von Außenstehenden einst belächelte spirituelle Praxis von Meditation oder Yoga ist inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen – ganz ohne einen geistigen Führer.

Sendetermin: Montag, 15. Februar, 23.20 Uhr, im Ersten